HOFGESCHICHTE MIT VIDEO
Abenteuer Kooperation: Alles für den Käse
Weiße, glatte Fliesen, Käseformen in rund und eckig. Leichter Käsegeruch, vermischt mit dem Duft frischer Kräuter liegt in der Luft. Heute geht es für Birte Pape wieder los. Es wird gekäst in der eigens gegründeten Leinetaler Landkäserei: Echte Handarbeit mit ausgewählten Zutaten und viel Liebe zum Detail. Bis es so weit war, musste Familie Pape eine Menge Hürden nehmen.
In Lutterbeck, einem kleinen Dorf in Südniedersachsen, betreibt Familie Pape ihren Milchviehbetrieb mit 130 Kühen, eigener Nachzucht, hauptsächlich Futteranbau und ein wenig Direktvermarktung über die Milchtankstelle am Hof. Als der Milchpreis mal wieder im Keller war, stellte sie sich, wie viele andere Betriebe, die Frage, wie sie einen höheren Erlös für ihre Milch bekommen könnte. Dabei wurde sie auf eine Veranstaltung zum Thema „Gründung einer mobilen Käserei“ aufmerksam, angeboten von der Vereinigung Norddeutscher Direktvermarkter (VND). „Käse war schon immer meine Leidenschaft, eine eigene Käserei ein Traum. Somit war klar – da gehen wir hin“, erklärt Birte Pape.
Insgesamt 35 Betriebe kamen zu der ersten Infoveranstaltung. Übrig blieben letztlich sieben Betriebe. Zwar hatte kein Betrieb Ahnung von der Käserei, aber Käse aus einem Teil der eigenen Milch herzustellen, war für alle eine attraktive Option.
Betriebsspiegel des Milchhofs Pape
- 130 Milchkühe (236 Tiere inkl. Nachzucht)
- 130 Hektar Fläche, davon 50 Hektar Acker und 80 Hektar Hüte- und Mähweide
- Arbeitskräfte: Betriebsleiterfamilie inkl. Altenteiler, ein fester Mitarbeiter und eine Minijobberin
- Milchtankstelle seit 2016
Auch der Grundgedanke einer mobilen Käserei überzeugte sie: Die mobile Käserei kommt auf die Betriebe und verarbeitet die Milch dort direkt zu Käse. Anschließend kommt der Käse in ein Reifelager und danach, sobald er fertig ist, zurück auf die Betriebe. Die Käsedirektvermarktung wäre ein Alleinstellungsmerkmal auf den Märkten in der Gegend. Dort gab es Schaf- oder Ziegenkäse, aber keinen aus Kuhmilch. Außerdem lagen die sieben Betriebe gut 40 km voneinander entfernt, sodass sie sich bei der Vermarktung keine Konkurrenz machen würden.
Beginn der Kooperation
Der Entschluss stand fest. 2017 gründeten die Betriebe gemeinsam die Leinetaler Landkäserei GmbH – als Kooperation. Unterstützt wurden sie von der VND und einem Steuerberater. Auch das Veterinäramt war von Anfang an Bord. Für 17.000 Euro kauften die Kooperationspartner eine gebrauchte mobile Käserei aus dem Erzgebirge. Diese Investition war für alle überschaubar, um erste Erfahrungen im Käsen zu sammeln. Sie entkernten den Anhänger komplett, erneuerten den Fußboden, verlegten die Elektrizität neu und vieles mehr.
WICHTIGES AUF EINEN BLICK
Die Leinetaler Landkäserei
- 2017: Gründung der Mobilen Käserei in Kooperation mit sieben Betrieben
- 2021: Umwandlung in eine stationäre Käserei
- Geschäftsführer: Matthias Pape, stellvertretender Geschäftsführer: Jens Timmermann, Schriftführerin: Birte Pape
- Vier Gesellschafter zu gleichen Teilen: Alfred Koch (Dankelsheim), Matthias Pape (Lutterbeck), Matthias Schlösser (Pöhlde) und Jens Timmermann (Güntersen)
- Einlage von 25.000 Euro (Mindesteinlage) – Startkapital
- Mitarbeiter: Eine Käserin und drei Aushilfen auf Minijob-Basis
Jetzt galt es nur noch, einen passenden Käser zu finden. Problem: Keiner wollte in einer mobilen Käserei an verschiedenen Standorten käsen. Aber schließlich fanden sich ein Käser aus der Schweiz sowie eine Käserin aus Thüringen, die ihren Reiferaum zur Verfügung stellte und den grünen Käse aufnahm und pflegte. Sobald er fertig war, holte jeder Landwirt seinen Käse ab und vermarktete ihn eigenständig.
Die Käsevermarktung lief gut an. „Aber dann kam ein Rückschlag: Unser Reiferaum fiel weg“, erinnert sich Birte Pape. Die Käserin aus Thüringen bekam noch einen Betrieb dazu und brauchte ihren Reiferaum künftig selbst.
Hürden beim Neustart
Eine neue Lösung musste her. Nach einigen Überlegungen gründeten 2021 fünf der Betriebe eine stationäre Käserei. Sie besichtigten eine Vielzahl alter Lebensmittelläden, Schlachtereien und Bäckereien in erreichbarer Nähe und fanden schließlich eine alte Schlachterei in Lütgenrode. Diese war nicht nur ein ehemaliger Direktvermarktungsladen, sondern auch groß genug, um Käse zu produzieren und weiter zu verarbeiten.
Beim Umbau packten alle Kooperationspartner mit an und wurden dabei tatkräftig vom Veterinäramt unterstützt. Trotzdem gab es allerlei Stolpersteine, die einen Baustopp auslösten – von den Vorgaben bei der Umnutzung eines Altgebäudes über Brandschutz und Molkeentsorgung bis zur neuen Stromversorgung. „Nach einem starken Regenguss hatten wir dann auch noch einen Schaden an der Decke der Käserei und es kam zu allem Überfluss noch eine Gebäudesanierung dazu“, schildert Birte Pape. Die Molkerei der Betriebe stellte sich anfangs ebenfalls quer, denn durch die bestehende Andienpflicht bestand eine vertragliche Bindung.
Aber die Betriebe ließen sich nicht entmutigen. Die Gesellschafter teilten die Verantwortlichkeiten untereinander auf, jeder hatte seinen Bereich. So kämpften sie sich erfolgreich durch den Wust an Vorgaben, Richtlinien und Anträgen – und nahmen ihre Käserei in Betrieb.
Käserei gut, alles gut?
Doch das waren noch nicht alle Herausforderungen. Auch beim Herzstück der Käseherstellung, dem Pasteur, lief anfangs nicht alles glatt. Den ursprünglichen Plan, Rohmilchkäse zu produzieren verwarfen die Kooperationspartner. Stattdessen entschieden sie sich, pasteurisierten Käse zu produzieren, weil das das Risiko im Hygienemanagement deutlich reduzierte. Doch es stellte sich heraus, dass der angeschaffte Pasteur keine ausreichende Heizleistung hatte. Er musste nachgerüstet und die Stromleistung im Gebäude entsprechend angepasst werden.
Aufwendig war es zudem, das richtige Grundkäserezept zu finden: Erst bildete sich gar keine Rinde, dann so viel, dass der ganze Käse danach schmeckte. Nach langem Ausprobieren diverser Kulturen war endlich die richtige Rotschmiere für eine perfekte Rinde gefunden.
Den zeitliche Mehraufwand der Käseherstellung und der anschließenden Weiterverarbeitung hatten allerdings alle Betriebe erheblich unterschätzt. Schließlich gab es zunehmend Kommunikationsprobleme. Unnötige Diskussionen machten sachliche Auseinandersetzungen fast unmöglich. Da zogen die Betriebe die Notbremse und holten einen Mediator zur Hilfe. „Das hat echt Überwindung gekostet. Man glaubt ja immer, das kriegt man. Im Nachhinein würde ich das aber immer wieder machen“, meint Birte Pape. Der Mediator konnte die Situation auflösen und es konnte weiter gehen.
Mittlerweile ist die Käserei auf einem guten Weg. Seit dem 1.1.2024 besteht die Kooperation aus vier Betrieben und produziert für einen weiteren Betrieb Lohnkäse. Der Gewinn der Käserei dient nur zur Abdeckung anfallender Kosten und für Ersatzinvestitionen. Ein hoher Gewinn ist dabei kein Ziel.
Abläufe in der Käserei
Nur die Käserei wird als Kooperation betrieben. Dabei hat jeder Betrieb „seinen“ Tag, an dem er käst. „Wir haben die Bedingung, dass am Tag des Käsens ein Mitarbeiter des jeweiligen Betriebes beim Käsen als ‚HiWi‘ anwesend ist – auch um die Kosten im Griff zu behalten“, erläutert Matthias Pape, Geschäftsführer der Leinetaler Landkäserei.
Alle Betriebe haben grob die gleichen Rezepte (was den Grundteig des Käses angeht). Die Käserei ist der Dienstleister für die Landwirte: Sie liefern ihre Milch und die Käserei erstellt eine Rechnung über die Dienstleistung der Milchverarbeitung und die Käsepflege.
Jeder Betrieb liefert seine Milch eigenständig an und entscheidet, was in den „Grundkäse“ hineinkommt (zum Beispiel Kräuter). Auch die Vermarktung läuft eigenständig, daher schweißt jeder seinen Käse entsprechend ein.
Arbeitseinsätze, die die Käserei betreffen, planen die Kooperationspartner zusammen. In der Woche gibt es drei Termine zum Käsen. Papes verkäsen alle 14 Tage 1.000 Liter Milch. Im Käselager sind die Regale durchnummeriert – für jeden Betrieb ein eigenes. Jeder Käse bekommt eine Chargennummer aufgeklebt, damit jeder einzelne Laib dem Produktionsdatum und dem Betrieb zugeordnet werden kann. So ist die Rückverfolgbarkeit gewährleistet, was besonders bei der Vermarktung an Wiederverkäufer wie Hofläden wichtig ist.
Reden ist wichtig
Viele Kooperationen scheitern an banalen Problemen, weil die Gesellschafter nicht miteinander reden. Daher haben die in der Käserei engagierten Betriebe einige Routinen eingerichtet:
- Alle Geschäftsabläufe, wie Finanzamt, Versicherung oder Bank, laufen über den Geschäftsführer, der sich mit seinem Stellvertreter bespricht. Die Ergebnisse stellen sie in die WhatsApp-Gruppe der Gesellschafter ein.
- Alle vier Wochen treffen sich die Betriebe online.
- Die Produktionsabläufe und den Personaleinsatz in der Käserei organisiert die Käserin. Nur bei unlösbaren Problemen zieht sie den Gesellschafter hinzu.
- Es gibt eine „Käsereiteam-Gruppe“ mit allen Gesellschaftern und Angestellten, um Abläufe oder Probleme zu besprechen.
- In der „Pflegegruppe“ sind die Käserin und die Angestellten der Käeserei. Hier organisieren sie die wöchentlichen Arbeitspläne und Aufgaben wie Reinigung oder Wäsche.
- Im Timetree-Kalender sind die Käserin und alle Betriebe, die käsen, um die Käsetermine zu organisieren (Wer? Wann? Was? Wie viel? Urlaubsübersicht der Angestellten)
„Anfangs hatten wir schon so eine Rosamunde-Pilcher Vorstellung“, meint das Ehepaar Pape zurückblickend. Aber die Realität stellte sich schnell ein zwischen den vielen Treffen mit den Behörden, der Antragsflut oder den Baumaßnahmen. Dann noch die Arbeitszeit in der Käserei und die Käsevermarktung mit dem ganzen Rattenschwanz vom Handling bis zur Dokumentation – alles „on top“ zur normalen Arbeitszeit. Und natürlich das Miteinander, denn im Prinzip kannten sich die Betriebe vor Beginn ihres Käsereiabenteuers nicht.
„Man muss jede Entscheidung besprechen. Mal eben so schnell alleine geht nicht,“ betont Matthias Pape. Wichtig sei auch, alles schriftlich festzuhalten. „Das spart Diskussionen und gibt Sicherheit“, ergänzt Birte Pape. Zusätzlich gibt es einen Gesellschaftervertrag, der die wichtigsten Punkte regelt.
Bewegte Bilder: Video vom Hofbesuch anschauen
Chance Kooperation
Milch zu produzieren und selbst weiterzuverarbeiten – den großen Schritt wären Birte und Matthias Pape allein nicht gegangen. Als einzelner Familienbetrieb hätten sie schwer einen Kredit bei der Bank bekommen. So ist die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt, die Betriebe ergänzen sich und die Arbeitseinsätze laufen gut. Der Erfahrungsschatz erweitert sich, man lernt viel dazu.
„Ohne die Hilfe von Freunden, Familie und meiner Schwiegereltern hätten wir das aber nicht geschafft,“ meint Birte Pape. Zwischenzeitlich hätten sie auch gezweifelt. Aber am Ende konnten sie mit der Gründung über die Kooperation den Traum einer Käserei umsetzen.
Die Arbeit für die Käserei konnten Papes mittlerweile gut mit der Arbeit auf dem landwirtschaftlichen Betrieb abstimmen. Matthias Pape ist Geschäftsführer der Käserei, kümmert sich jetzt aber wieder hauptsächlich um den Betrieb. Birte Pape führt das Büro des Familienbetriebs, versorgt die Kälber und ist für alles rund um den Käse verantwortlich. Der Rest der Familie unterstützt die beiden tatkräftig.
Vermarktet wird der Käse hauptsächlich direkt über die Milchtankstelle und auf Sondermärkten. Zusätzlich vertreiben Papes Käseplatten. Auch wenn der Käseverkauf derzeit zurückgeht, weil das „Geld knapper wird“, sind sie mit dem Ertrag zufrieden. Für die Zukunft überlegen sie, Wochenmärkte dazu zu nehmen, um Kontinuität reinzubringen und besser planen zu können
AUF EINEN BLICK
Hofgeschichten der LAND & FORST
Innovativ, wissensdurstig und mutig...
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