Erfahrungen mit der Isoflurannarkose
Die Inhalationsnarkose mit Isofluran ist die derzeit meistdiskutierte Alternative zur betäubungslosen Ferkelkastration. Zu den Vorteilen der Isoflurannarkose zählt zweifellos die kurze Narkosedauer und problemlose Aufwachphase: Schon nach wenigen Minuten sind die Ferkel wieder fit und können zurück zur Muttersau gesetzt werden. Dadurch ist der Betreuungsaufwand für den Landwirt vergleichsweise gering. Dass die Narkose in der Regel unkompliziert und ohne Verluste verläuft, bestätigen auch die Erfahrungen des Betriebs des Landwirtschaftlichen Bildungszentrums Echem. Im Bio-Bereich wird hier seit fünf Jahren unter Isofluran-Narkose kastriert. Bei einem Seminar der LWK berichteten Frederike Sürie und Tierärztin Dr. Anke Döhring über ihre Erfahrungen.
Wichtig sei ein gut belüfteter Raum. Die aktuellen Geräte, die die DLG derzeit prüft, sind mit neuen Filtersystemen ausgestattet und sollen sich so auch im Abteil verwenden lassen. Das Bildungszentrum Echem nutzt zurzeit noch ein älteres Gerät, bei dem dies nicht möglich ist. Die Ferkel werden daher wurfweise in Boxen gesetzt und außerhalb des Abteils kastriert. Beim Separieren bekommen sie zugleich Eisenspritze und Impfung verabreicht. Auch das Einziehen der Ohrmarken lässt sich mit diesem Arbeitsschritt kombinieren. Männliche Ferkel bekommen außerdem ein Schmerzmittel verabreicht, bevor sie in Boxen aus dem Abteil gebracht werden. Zwischen Schmerzmittelgabe und Kastration muss ein Zeitraum von mindestens 20 Minuten liegen.
Tierärztin Dr. Döhring begleitet die Kastrationstermine in Echem. Das Narkotisieren und Kastrieren geschieht hier im Zweier-Team: Einer spannt die Tiere in das Gerät ein und leitet die Narkose ein, die zweite Person kastriert. Bei einem Gerät mit drei Ferkelplätzen gelingt so ein fließender Arbeitsablauf mit kurzen Wartezeiten, berichtet Sürie.
Nach 70 bis 90 Sekunden sollten die Ferkel ausreichend narkotisiert sein. Durch Kontrolle des Zwischenklauenreflexes wird die Narkosetiefe überprüft, bevor die Kastration beginnt. Nach der Kastration werden die Ferkel aus dem Gerät genommen und zum Aufwachen wieder in die Box gelegt. Sürie empfiehlt, dabei auf einen rutschfesten Untergrund und ausreichend Platz zu achten. Sobald alle Ferkel wieder wach sind (meist nach maximal zehn Minuten), kommen sie zurück ins Abteil zur Muttersau.
Ein Auskühlen der Ferkel ist bei der Isoflurannarkose nach Süries Erfahrungen kein Problem. Trotzdem empfiehlt sich, je nach Raumtemperatur, gerade bei kleineren Ferkeln der Einsatz von Wärmelampen.
Gesundheitsrisiko
Sorgen bereitet Sürie und Dr. Döhring die mögliche Gesundheitsbelastung durch das Isofluran: Bei wiederholter oder längerer Exposition seien Organschäden möglich. Außerdem könne das Gas möglicherweise die Fruchtbarkeit beeinträchtigen und das Kind im Mutterleib schädigen. Gerade bei der Kastration im Abteil bei schlechterer Durchlüftung befürchtet Sürie, dass Isofluran eingeatmet werden könnte.
Die gesundheitlichen Gefahren durch Isofluran wurden bereits im vergangenen Jahr von der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) thematisiert. Die SVLFG forderte im Anschluss an die Tests zweier Narkosegeräte, dass der Anwenderschutz verstärkt und das höchstmögliche Schutzniveau umgesetzt wird. Neuere Geräte müssen Isofluranreste nun sicher absaugen und durch Filtersysteme ableiten. Wie zuverlässig das gelingt, überprüft zurzeit der Test der Narkosegeräte durch die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft (DLG): Da es in Deutschland bisher keine Grenzwerte für die Isofluranexposition gibt, arbeitet die DLG mit dem weltweit geringsten definierten Grenzwert von 15 mg Isofluran pro m³ Luft. Bei Arbeitsplatzmessungen überprüft sie, ob der Grenzwert nach mehrstündiger Kastrationsarbeit im Raum überschritten wird.
Ein Nachteil der Isoflurannarkose sind auch die Anschaffungs- und Unterhaltungskosten für die Geräte sowie die Kosten für Medikamente. Der Preis der Narkosegeräte liegt zwischen 7.000 und 10.000 Euro. Filter und Narkosegas müssen nach ungefähr 250 bis 300 Ferkeln erneuert werden. Dazu kommt der Arbeitsaufwand des Landwirts für die Narkotisierung und Nachbetreuung der Tiere, die Reinigung des Geräts und die Dokumentation. Weitere Kosten verursacht derzeit noch die Anwesenheit eines Tierarztes bei der Narkose. Gemäß der Ferkelbetäubungssachkundeverordnung (FerkBetSachkV) dürfen Ferkelerzeuger die Isoflurannarkose allerdings künftig selbst durchführen, wenn sie einen Sachkundenachweis vorlegen.
Sachkundelehrgang
Dazu müssen sie einen Sachkundelehrgang über mindestens zwölf Stunden absolvieren. Er soll sowohl theoretische Grundlagen als auch die Demonstration der Ferkelkastration unter Isoflurannarkose beinhalten. Der Lehrgang endet mit einer schriftlichen und mündlichen Prüfung. Teilnehmer, die diese erfolgreich abschließen, durchlaufen anschließend eine Praxisphase. Das bedeutet, sie führen die Inhalationsnarkose unter Aufsicht eines Tierarztes auf dem eigenen Betrieb oder in einer Lehranstalt selbst durch.
Die Praxisphase endet mit einer praktischen Prüfung durch einen externen Tierarzt. Nach drei Jahren müssen Ferkelhalter ihre Sachkunde durch einen zweistündigen Lehrgang überprüfen lassen. Anschließend müssen sie ihr Wissen alle fünf Jahre auffrischen.
Wer die Sachkunde erwerben will, muss mindestens 18 Jahre alt sein und eine Ausbildung oder ein Studium nachweisen, im dem der Umgang mit Ferkeln gelehrt wurde. Wer mindestens zwei Jahre in einem Ferkelerzeugerbetrieb gearbeitet hat, kann sich alternativ auch dies anrechnen lassen.
Die LWK Niedersachsen hat einen Entwurf für den Sachkundelehrgang beim Ministerium eingereicht und wartet derzeit auf die Anerkennung des Schulungskonzeptes. Sobald diese vorliegt, sollen Ferkelerzeuger die Kurse dort absolvieren können. Die Teilnahmekosten werden voraussichtlich bei mindestens 300 Euro liegen. Problematisch sehen sowohl Sürie als auch die Teilnehmer des Seminars, dass es möglicherweise nicht genug Tierärzte gibt, um die Sachkundelehrgänge rechtzeitig durchzuführen oder ab Januar 2021 Kastrationen zu begleiten. Um den Abschluss der Lehrgänge bis Januar 2021 zu gewährleisten, müssten die Lehrgänge zudem spätestens Mitte des Jahres beginnen.
Förderung bei Gerätekauf
Für die Anschaffung eines Narkosegerätes können Ferkelerzeuger noch bis Juni eine Förderung bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) beantragen. Bis zu 60 Prozent der Gerätekosten und maximal 5.000 Euro pro Unternehmen werden übernommen. Antragsteller dürfen die Geräte erst nach Bewilligung des Förderantrags anschaffen. In einem zweiten Antragsverfahren kann dann bis zum 9. September die Förderauszahlung beantragt werden. Das Gerät muss von der DLG zertifiziert sein und es besteht eine Zweckbindungsfrist von fünf Jahren.
Die Teilnehmer des Seminars in Echem haben zum Teil schon Förderanträge gestellt. Ihre Einschätzungen zum zukünftigen Isofluraneinsatz fallen unterschiedlich aus. Einige gehen davon aus, dass sich die Mehrkosten insgesamt wieder ausgleichen, da kastrierte Ferkel weiterhin gefragt sind. Da sie knapper werden, seien vermutlich auch höhere Preise realisierbar. Außerdem sind auch die anderen Alternativen – wie die Impfung mit Improvac oder Ebermast – mit Mehrkosten oder finanziellen Einbußen verbunden, wirft ein Landwirt ein.
Ein anderer Sauenhalter hält die hohen Anschaffungskosten sowie die laufenden Kosten für Service, Material und Sachkunde für ein großes Problem und ist noch nicht überzeugt, dass sich diese für den eigenen Betrieb rechnen. Auch eine mögliche Belastung der eigenen Gesundheit durch das Isofluran bereitet einigen Landwirten Sorgen.
Narkosegeräte im Test
Das Testzentrum Technik und Betriebsmittel der DLG prüft seit Ende Januar Narkosegeräte. Die Prüfkriterien umfassen unter anderem Tiergerechtheit, Tierschutz, Hygiene, Handhabung und Servicekonzept des Anbieters. Auch die Arbeitsplatzsicherheit mit der Überprüfung des Isoflurangehalts in der Raumluft ist ein wichtiger Aspekt.
Die Narkosegeräte verfügen generell über einen Verdampfer für das Isofluran und einen Aktivkohlefilter zur Vermeidung von Gasemissionen in die Umgebungsluft. Rest-Isofluran aus den Narkosemasken wird über das Filtersystem abgesaugt. Außerdem müssen verschiedene Überwachungsfunktionen vorhanden sein: Dazu zählt, die Betriebsbereitschaft und die Narkosedauer anzuzeigen und die Anzahl der Narkosen manipulationssicher zu speichern. Außerdem müssen Isofluranverbrauch und Sättigungsgrad des Abluftfilters kontrolliert und angezeigt werden. Dazu kann ein Abwärtszähler oder eine Warnleuchte für die letzten zehn möglichen Narkosen vor Austausch von Isofluranflasche oder Filter genutzt werden. Im DLG-Test sind derzeit fünf Geräte (Tabelle).
Gewinnspiel der LWK beim Fachforum Schwein
Bei einem Gewinnspiel der LWK Niedersachsen auf dem Fachforum Schwein in Cloppenburg wurde unter anderem die Teilnahme am zukünftigen Sachkundelehrgang zur Ferkelkastration unter Isoflurannarkkose bei der LWK verlost. Die LWK gab nun die Gewinner bekannt:
- 1. Preis (Sachkundelehrgang): Christine Thuinemann, Freren
- 2. Preis (Collegemappe): Franziska Preine, Diepholz
- 3. Preis (Powerbank): Wolfgang Diercks, Scharnebeck
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