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Ein hohes Maß an Verbraucherschutz

Ein erheblicher Anteil des Saatguts von Getreide innerhalb und außerhalb Niedersachsens durchläuft einen alternativen Weg der Zertifizierung. Hierbei handelt es sich um die „Nicht obligatorische Beschaffenheitsprüfung“, das sogenannte NOB-Verfahren. Dieser Weg der Zertifizierung begründet sich auf § 12 (1b) Saatgutverordnung. Hier eröffnet der Gesetzgeber die Möglichkeit, dass nicht alle Saatgutpartien grundsätzlich der Beschaffenheitsprüfung unterzogen werden müssen.

Eigenverantwortung

Dabei erhält die Saatgutwirtschaft im Vorfeld mehr Eigenverantwortung: Die Partien müssen nicht so strikt wie im herkömmlichen Anerkennungsverfahren vor dem Inverkehrbringen geprüft werden. Im Nachhinein allerdings werden die aufbereiteten Partien dann sehr genau untersucht. Es handelt sich dabei um ein Antragsverfahren. Ein Aufbereiter entscheidet in Abstimmung mit Vertriebsfirma und Züchter, ob er grundsätzlich am Verfahren teilnehmen will. Wird ihm dies von der Anerkennungsstelle genehmigt, wählt er für jede Partie bzw. mehrere zusammen lagernde Partien, ob das herkömmliche Anerkennungsverfahren oder der Weg der „Nicht obligatorischen Beschaffenheitsprüfung“ herangezogen werden soll. Die wesentlichen Abläufe sind in der Grafik dargestellt.

Dabei müssen, bezogen z.B. auf eine Partie mit 120 t Saatgut, nicht wie üblich vier Proben gezogen und untersucht werden, sondern es reicht eine repräsentative Probe aus vorgereinigter, nicht endgültig aufbereiteter Rohware. Diese Probe muss allerdings bereits die gesetzlichen Mindestanforderungen an die Beschaffenheit erfüllen, also im Wesentlichen eine Mindestkeimfähigkeit bei Gerste und Weizen von 92 % und bei den anderen Getreidearten von 85 %.

Darüber gelten eine technische Mindestreinheit von 98 % und z.B. ein maximaler Besatz mit anderen Getreidearten von drei Körnern bezogen auf die Untersuchungsmenge von 500 g. Diese Werte entsprechen den gesetzlichen Mindestanforderungen, die auch an herkömmlich zertifiziertes Getreidesaatgut gestellt werden.

Nach dem herkömmlichen Anerkennungsverfahren wird zurzeit in Deutschland immer noch die überwiegende Menge des Z-Saatgutes bei Getreide zertifiziert. Jedoch befanden sich in Niedersachsen im Erntejahr 2019 rund 36 % (2018: 34 %) des zur Anerkennung neu vorgestellten Getreide-Saatgutes im NOB-Verfahren.

Zur Absicherung der Saatgutqualität sieht der Gesetzgeber eine amtliche Nachkontrolle des abschließend aufbereiteten Saatgutes in Form von 20 % Kontrollproben vor. Denn von dem aufbereiteten Saatgut muss je 30 t mindestens eine Probe gezogen und für eine etwaige Überprüfung bereitgestellt werden. Aufgrund der mehrjährig guten Erfahrungen wird der Kontrollumfang bei 25 %, mindestens aber eine Probe je Partie, belassen.

Wesentlich ist, dass für die Ziehung der Nachkontrollproben ein zugelassenes automatisches Probenahmegerät im Rohrsystem des Aufbereitungsbetriebes sachgerecht eingebaut sein muss, was die Repräsentativität der gezogenen Proben optimiert. Auch werden nur solche Vermehrungsschläge für dieses Verfahren zugelassen, die bereits die Feldbesichtigung ohne jede Einschränkung mit Erfolg absolviert haben: Ausgeschlossen sind nach § 8(2) feldbesichtigte Verfahren.

Kosten- /Zeitersparnis

Der Saatguterzeuger hat den Vorteil, dass er die endgültige Aufbereitung der Partie erst durchführen muss, wenn – nach Vorliegen der Ergebnisse der repräsentativen Mischprobe – sich auch eine entsprechende Kundennachfrage abzeichnet. Das bedeutet für den Saatgutaufbereiter Kosten- und ggf. Zeit-Ersparnis. Damit wird ihm andererseits auch ein hohes Maß an Eigenverantwortung übertragen. Durch die allgegenwärtige Nachkontrolle muss der Saatgutaufbereiter sicherstellen, dass das von ihm aufbereitete Saatgut zumindest die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllt.

Auch der Saatgutkonsument zieht Nutzen aus dem Verfahren. Zunächst ist festzuhalten, dass zu erwarten ist, dass die Saatgutqualität genauso gut wie bei herkömmlich zertifiziertem Material ist. Einzigartig ist, dass deutschlandweit alle Saatgutpartien, die an diesem Verfahren teilnehmen, veröffentlicht werden. Partien, die in der Nachkontrolle negativ aufgefallen sind, werden dabei besonders gekennzeichnet und die Untersuchungsergebnisse dieser Partien werden gleichfalls veröffentlicht.

Einzusehen sind die Angaben im Internet unter www.ag-akst.de. Mit der Veröffentlichung der Daten ist schon ein sehr wichtiger Schritt getan, aber die Konsequenzen sind durchaus noch weitreichender. Die Saatgutwirtschaft hat sich verpflichtet auf freiwilliger Basis Schadensersatz zu leisten, wenn bestimmte Normwerte unterschritten werden. Diese freiwilligen Entschädigungsleistungen greifen, wenn z.B. bei Winterweizen die Mindestkeimfähigkeitswerte um mehr als 5 % unterschritten werden oder der Besatz mit Fremdgetreide fünf Körner oder mehr beträgt.

Im Internet findet sich auch der Entschädigungskatalog. Weiterhin werden solche Aufbereitungsbetriebe, bei denen Fehler vorgefunden werden gemaßregelt. Das können Ermahnungen sein, das kann aber auch der Ausschluss vom Verfahren sein. So wurden und werden in den Fällen, wo nicht nur die Anerkennungsnorm sondern statistisch berechnete Toleranzwerte überschritten wurden, nachträglich die Anerkennungen zurückgenommen, was unabhängig von den Entschädigungsregelungen die Konsequenz beinhaltet, dass die Erwerber jenes Saatgutes zu informieren sind, dass sie nicht anerkanntes Saatgut gekauft haben.

Erkennen kann der Saatgutverbraucher NOB-Partien an dem Hinweis „anerkannt nach § 12 (1b)“ unter den zusätzlichen Angaben auf dem blauen Etikett (Foto). Außerdem hat das blaue Etikett einen weißen Anhang. Dort sind Angaben zur Keimfähigkeit und Tausendkornmasse zu finden. Da diese Angaben nicht für jede einzelne Partie im Zuge der Anerkennung amtlich ermittelt wurden, dürfen diese Angaben nur auf dem weißen Anhang erscheinen.

Blaues Etikett mit weißem Anhang.

Kontrollergebnisse

Mit dieser Vorgehensweise ist ein hohes Maß an Verbraucherschutz und eine hohe Saatgutqualität gewährleistet. Dass dies gelingt zeigen die Erfahrungen in den 13 Erntejahren seit Etablierung dieses Verfahrens. In der Nachkontrolle 2017 bis 2019 fielen in Deutschland von den jeweils 1.603 bis mehr als 2.000 Kontrollproben 2,1 bis 4,4 % negativ auf. Die Werte liegen niedriger als Vergleichswerte, die seit Jahren im Rahmen der Saatgutverkehrskontrolle festgestellt werden, wobei sich Saatgut aus Deutschland insgesamt durch ein hohes Qualitätsniveau auszeichnet, welches meist deutlich über den gesetzlich festgeschriebenen Normwerten liegt.

Im Erntejahr 2019 lagen bei 1.603 Kontrollproben 34 Kontrollproben, also 2,1 %, unterhalb der Norm. Die Tabelle zeigt die wesentlichen Zahlen aus Niedersachsen und Deutschland der Jahre 2017 bis 2019. 69 Aufbereiter, davon zwölf in Niedersachsen, nehmen am NOB-Verfahren teil.

FAZIT

  • Das Anerkennungsverfahren der „Nicht obligatorischen Beschaffenheitsprüfung“ wird von allen Seiten positiv beurteilt.
  • Die Eigenverantwortung der Saatgutwirtschaft wird erhöht.
  • Es besteht eine schnellere Verfügbarkeit des Saatgutes.
  • Die Kosten der Aufbereitung lassen sich senken.
  • Die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe wird gestärkt.
  • Sicherheit für den Saatgut-Konsumenten ist genauso hoch wie beim herkömmlichen Anerkennungsverfahren.
  • Transparenz für den Verbraucher wird erhöht.
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