Die Hütte brennt in der Schweinehaltung
Die Schweinehaltung in Deutschland steckt tief in der Strukturkrise, stellte die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) auf ihrer Mitgliederversammlung in Münster fest. Sie fordert deshalb von den drei Ampelparteien in Berlin, in ihren Koalitionsverhandlungen den Rahmen für Planungssicherheit und Perspektiven in der Schweinehaltung zu schaffen. Ansonsten schreite die Verlagerung der Tierhaltung ins Ausland immer schneller voran. „Die Hütte brennt“, mahnte der ISN-Vorsitzende Heinrich Dierkes. Den Erzeugern mache die katastrophal schlechte Marktsituation zu schaffen, die vielen Betriebsaufgaben seien aber insbesondere eine Folge der fehlenden Planungssicherheit und Perspektive und des mangelnden Rückhalts von der Politik.
ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack bekräftigte zudem die Forderung nach 5xD und einheitlichen Standards für den EU-Schweinefleischmarkt. Dies sei gerade für den Erhalt der hiesigen Ferkelerzeugung wichtig.
Bei der Podiumsdiskussion ging es um die aktuelle Preismisere, an der die Afrikanische Schweinepest (ASP) in Deutschland großen Anteil hat. Sie hat für einen Wegfall des Exportgeschäfts gesorgt, einem wichtigen Pfeiler der Wertschöpfung bei Schweinefleisch. Die Diskussionsteilnehmer waren sich leider einig, dass die ASP kaum wieder verschwinden wird: „Die ASP ist gekommen, um zu bleiben“, so Dr. Gerald Otto von der Goldschmaus-Gruppe. Durch den Wegfall des Exportgeschäfts mit der Nebenproduktevermarktung, fehlten an jedem Schwein etwa 50 €.
Auch für den geschäftsführenden Gesellschafter der Simon-Fleisch, Dr. Bernhard Simon, ist klar: „Der fehlende Export nach Asien ist durch nichts zu ersetzen.“ Der Geschäftsführer von German Meat, Steffen Reiter, betonte ebenfalls die Bedeutung des Absatzes von Schweinefleisch in Drittlandsmärkten. „Ich bin nicht ganz so pessimistisch, dass uns das nicht gelingen wird“, verbreitete er etwas Zuversicht. Auch den chinesischen Markt wollte Reiter noch nicht abschreiben, räumte aber ein, dass das alles Zeit brauche. Er bezeichnete den oft kritisierten Selbstversorgungsgrad von 125 % als „gesund“, da es hierzulande eben keine Ganztierverwertung gebe.
Neben der Exportproblematik haben viele Schlachthöfe derzeit auch interne Probleme – es mangelt an Personal. Dafür ist neben Corona laut Dr. Simon die Tatsache verantwortlich, dass das Werkvertragsverbot nur für die Fleischbranche gilt: „Ich bin dafür, dass es keine Werkverträge mehr gibt, aber dann bitte in allen Branchen.“ Seine osteuropäischen Mitarbeiter wanderten in andere Branchen ab, wo Subunternehmer und Vermittler weiter auf ihre Margen kämen.
Durchaus auf Gegenliebe bei den Vertretern der Schlachthöfe und des Handels stößt die ISN-Forderung nach 5xD. Nach Einschätzung von Dr. Simon kann man 5xD jedoch nur über den Verbraucher umsetzen: „Die Handelsfreiheit in der EU wird nicht eingeschränkt werden und das ist auch gut so“, sagte er.
Markus vom Stein von der Rewe Group sah das ebenso: „Wir müssen es schaffen, dem Verbraucher zu erklären, warum er mehr bezahlen soll.“ Rewe setze stark auf Regionalität und auf 5xD, aber gerade bei Schweinefleisch gebe es jede Woche einen harten Kampf im Handel: „Bei Sonderangeboten brauchen wir das 10fache der sonst üblichen Mengen.“ Er übte jedoch auch Selbstkritik: „Der Einkauf von Fleisch muss sich ändern, wir als Händler müssen verbindlich werden.“ Die anwesenden Landwirte dürften das gern gehört haben.
Bei den anstehenden Wahlen wurden sowohl der langjährige ISN-Vorsitzende Heinrich Dierkes als auch seine Vorstandskollegen Christoph Seelhorst und Christian Schulze Bremer wiedergewählt. In den Beitrat wieder- bzw. neu gewählt aus Niedersachsen wurden Norbert Hüsing, Heinrich Jans-Wenstrup, Guido Tyman und Claus Martens. Aktuell hat die ISN 9.602 Mitglieder.
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