Viel frische Luft für die kleinen Kälber
Die ersten Tage und Wochen im Leben von Kälbern entscheiden darüber, ob aus ihnen eines Tages gesunde Kühe und Bullen werden. In Zeiten sinkender Preise und gleichzeitig steigender Ansprüche der Verbraucher an Tierwohl und Qualität kommt dem Kälbermanagement deshalb eine besondere Bedeutung zu. Das gilt inbesondere für einen erfolgreichen Zuchtbetrieb wie Familie Reinermann in Rüsfort.
Dort werden 180 Milchkühe mit der weiblichen Nachzucht und 50 bis 70 Zuchtbullen gehalten. Die Milchleistung liegt bei 12.000 kg mit 4,4 % Fett und 3,5 % Eiweiß. Der Laufstall mit zunächst 62 Kühen stammt aus dem Jahr 1993, später wurde ein Kälberstall für 30 Tiere angeschleppt. Nach und nach folgten weitere Baumaßnahmen auf dem kontinuierlich wachsenden Zuchtbetrieb.
Weil Reinermann mit vielen Trägertieren für den Embryotransfer arbeitet, kam 2001 ein Jungviehstall für 150 Tiere hinzu. Als Trägertiere kommen vorzugsweise Rinder oder junge Kühe infrage, die sich aufgrund einer Brunstsynchronisation oder natürlichen Brunst im vergleichbaren Zyklusstadium wie das Spendertier befinden, das heißt, Tag sechs oder sieben nach der Brunst sind.
2015 gab es eine Kuhstallerweiterung um 120 Plätze, zwei Jahre später entstand der neue Kälberstall. Voriges Jahr wurde schließlich eine ehemalige Strohhalle in einen Zuchtbullenstall für 25 Tiere umgebaut.
Der licht- und luftdurchflutete Kälberstall ist 20 x 35 m groß. Es ist kein Stall im herkömmlichen Sinne, sondern nur ein Dach mit einer Firsthöhe von 4 m, Stahlstützen und einer Holzkonstruktion. Ganz wichtig war dem Betriebsleiter der Windschutz für die Kälber (und auch für die Menschen) auf der weitläufigen Hoffläche. Auf der einen Seite schützt der Jungviehstall, auf der anderen Seite wurde extra ein Wall aufgeschüttet. „Kälber tolerieren niedrige Temperaturen, aber keine Zugluft. Insofern muss die Öffnung auch vor der Hauptwindrichtung geschützt sein“, so Uwe Reinermann.
Auf der einen Seite unter dem Hallendach als Witterungsschutz stehen 20 Kunststoffiglus für die Einzelhaltung. Dieses Haltungssystem hat sich bei Reinermann bewährt, auch wenn es mit mehr Handarbeit durch Einstreu und Boxenpflege verbunden ist. Die Einzelhaltung unter Außenklimabedingungen entspricht weitgehend dem natürlichen Verhalten und sorgt für einen geringen Keimdruck, vorausgesetzt die Iglus sind sauber. Die Kälber sind an der frischen Luft und sofort den Umweltreizen ausgesetzt. Im Sommer sind Belüftung und Beschattung wichtig, um Hitzestress zu vermeiden, im Winter braucht das Kalb Sonne und Wärme. In den Iglus können sich die Kälber gut ein Kleinklima schaffen. Voraussetzung ist , dass der Innenraum immer ausreichend und regelmäßig mit sauberem Stroh eingestreut und trocken ist. Zur Desinfektion streut Reinermann auch Kalk ein.
Auf der anderen Stallseite, getrennt durch einen 4 m breiten Futtergang, gibt es sechs Buchten mit entsprechenden Großraumiglus. Auf 30 qm pro Bucht sind hier bis zu neun möglichst gleichaltrige Kälber untergebracht. Nach jeweils zwei Buchten gibt es zur besseren Abgrenzung einen Abstand von 2,50 m.
Die großen Iglus können zum Entmisten bequem mit dem Frontlader verschoben werden. Vorne gibt es ein Fressgitter, dort befestigt ist die Milchbar mit zehn Nuckeln. Vor dem Fressgitter gibt es eine 120 cm große Standfläche aus Beton.
Die Iglus sind als Halbkugel aufgebaut und besitzen vier Kaminöffnungen. So entsteht an den Kaminen ein Sog, der zu einer natürlichen Entlüftung des Iglus führt und im Sommer ein Aufheizen vermeidet.
Die Kälber kommen direkt nach der Geburt in die Einzeliglus, der Nabel wird mit Jod desinfiziert In den ersten Lebensstunden gibt es drei bis vier Liter Biestmilch über Nuckel oder es wird gedrencht. Durch die vielen Kalbungen ist auf dem Hof immer eine Biestmilchreserve vorhanden. Biestmilch gibt es fünf Tage zweimal täglich mit einer Tagesmenge von 5 bis 6 l. Hinzu kommen Eisen- und Vitamingabe.
Nach der Biestmilch gibt es dann dreimal täglich Milchaustauscher mit 50 % Magermilchanteil und 150 g Pulver/Liter. Die Tagesration liegt bei 7,5 l. Zum Füttern der Kälber kommt die Milch auf Rädern. Auf dem wendigen Handwagen mit Elektroantrieb ist ein fahrbarer Milchtank aus Edelstahl mit Rührwerk und Heizung montiert. Damit wird Milch schonend in Bewegung gebracht und das Tränken der Kälber in den Einzelboxen als auch Gruppenboxen erleichtert.
Das einseitige Schleppen der schweren Milcheimer ist vorbei, das schont den Rücken und nichts wird verschüttet. Mit einer Pumpe wird die Milch aus dem Tank in die Nuckeleimer befördert. Das Display zeigt Temperatur und ausdosierte Milchmenge an. Für Reinermann wichtig ist die Tier- und Futterkontrolle, ob und wie viel Milch getrunken wird.
In den ersten drei Lebenswochen gibt es zusätzlich Wasser und Kälbermüsli zur freien Aufnahme. Die nicht für die Zucht vorgesehenen Bullenkälber werden nach 14 Tagen als Mastkälber verkauft. Nach drei Wochen kommen die Kälber von den Einzeliglus in die Gruppeniglus. Die verabreichte Milchmenge von 7,5 l täglich wird über eine Kälberbar mit zehn Nuckeln gegeben. In Zukunft möchte Reinermann auch die ad-libitum-Fütterung ausprobieren, um zu sehen, ob es tatsächlich Vorteile in der Entwicklung, Gesundheit und Leistungsfähigkeit gibt.
Zusätzlich gibt es hier für die Kälber Heu sowie ein Gemisch aus Kälberkorn und gehäckseltem Stroh. Das Absetzen von der Milch erfolgt mit einem Lebensalter von zehn bis elf Wochen.
Einen Monat bleiben sie noch in den Großraumiglus, dann erfolgt mit einem Alter von ca. vier Monaten die Umstallung in einen Strohstall mit zehn bis 15 Kälbern pro Bucht. Ab diesem Zeitraum wird die Mischration der Kühe gefüttert. Nach sechs Monaten erfolgt die Umstallung für die weiblichen Tiere in den Jungviehstall mit Spalten und Liegeboxen, im Alter von 14 bis 15 Monaten wird besamt. In diesem Stall bleiben die Jungrinder bis 14 Tage vor dem Kalben. Die jungen Zuchtbullen kommen in einen separaten Stall.
Fazit
- Das Kälbermanagement ist für Uwe Reinermann besonders wichtig.
- Kälber kommen gut mit niedrigen Temperaturen klar, vertragen aber keine Zugluft.
- Die Kälber sind von ihrer Geburt an den Umweltreizen ausgesetzt.
- Die Milch kann man mit einem fahrbaren Tank schonend und arbeitssparend zu den Kälbern bringen.
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