Für die guten Kälber gibt es mehr Geld
Das Kalb von heute ist die Kuh bzw. der Mastbulle von morgen. Die Aufzucht gesunder Kälber ist eine entscheidende Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg. Kälber sollen sich schon in den ersten Lebenswochen zügig entwickeln. Hohe Zunahmen bilden die Voraussetzung für eine gute Konstitution, ein niedriges Erstkalbealter, leistungsbereite Milchkühe und hohe Zunahmen in der Mast. Das muss am Markt dann auch honoriert werden.
Gemeinsam mit einem Futtermittelhersteller und den Milchviehhaltern hat die Vermarktungsgenossenschaft Raiffeisen Viehverbund vor gut einem Jahr das „Qualitäts-Programmkalb“ aus der Taufe gehoben. Der Landwirt soll belohnt werden für vitale Kälber, die schon hohe Zunahmen vom ersten Tag an haben. Er bekommt neben einem deutlich höheren Marktpreis als Anreiz zehn Euro zusätzlich, wenn die Kälber innerhalb von 14 Tagen über 50 kg wiegen und optimal versorgt wurden. Damit wiegen sie im Schnitt 4,5 kg mehr als die übrigen Kälber. Dazu ist eine intensive Fütterung in den ersten Lebenswochen notwendig, die auch den weiblichen Kälbern zugutekommt. Investitionen in das neugeborene Kalb, insbesondere in den ersten Lebenswochen, schlagen sich laut zahlreichen Untersuchungen in der weiteren Entwicklung der Tiere positiv nieder.
Die Kälber kommen erst in eine Sammelstelle
Der Raiffeisen Viehverbund vermarktet jährlich 20.000 Nutzrinder, davon rund 200 Kälber pro Woche, zu 95 % männliche Tiere. Für die Erfassung und Sortierung der Kälber ist das Nutzviehzentrum in Bad Zwischenahn als eines der beiden Sammelstellen zuständig.
Dort wird jedes Kalb gewogen, Gesundheit und Geschlecht werden kontrolliert, dazu gehört auch eine Entwurmung. Die Ohrmarken werden gescannt, ein wichtiger Punkt für die Überprüfung von Alter und Gewicht. Und schließlich wird an dieser Sammelstelle nach Gewicht und Qualität sortiert.
„25 % der Tiere, in der Regel Kreuzungskälber, gehen weiter zu Fresseraufzüchtern und Bullenmästern, 75 % gehen an spezialisierte Kälbermäster“, erläutert Hannes Harms vom Nutzviehzentrum und verdeutlicht auch: „Erst die Kälbermäster ermöglichen eine entsprechende Wertschöpfung für die schwarzbunten Tiere“. Ab 50 kg gibt es deutlich höhere Preise und einen Zuschlag.
Mehr Futter führt auch zu höheren Gewichten
Zu den Erzeugern von Programmkälbern gehört Familie Rohlfs aus Ehrenburg, Landkreis Diepholz, mit 240 Kühen und der entsprechenden Nachzucht in den Ställen.
Nach der ersten Biestmilchgabe werden Vitamine und Spurenelemente oral verabreicht. Biestmilch gibt es drei Tage, etwa fünf bis sieben Liter pro Tag im Nuckeleimer oder notfalls mit der Flasche.
Nach der Biestmilch geht es 14 Tage weiter mit 5,5 bis acht Liter Vollmilch plus zehn Gramm Vollmilchaufwerter pro Liter mit über vier Prozent Fett, abhängig vom Gewicht. Die Kosten für den höheren Futteraufwand werden durch das höhere Gewicht kompensiert. Dieser Vorteil kommt beim Verkauf der Kälber bei Tieren über 50 kg zum Tragen. Schwerere Kälber sind sowieso deutlich teurer und ganzjährig gefragt. Hinzu kommt der Qualitätszuschlag in dem Programm. Ein weiterer wirtschaftlicher Nutzen ergibt sich zudem aus einem früheren Erstkalbealter sowie einer gesteigerten Milchleistung in der Laktationsphase der späteren Milchkuh. Über die Hälfte der vom Raiffeisen-Viehverbund vermarkteten Kälber gehen inzwischen ins Programm.
Rückschlüsse auch auf die Kuhkälber ziehen
Die Erzeuger von Programmkälbern erhalten regelmäßig Informationen über den Gesundheits- und Versorgungszustand, beispielsweise über den Hämoglobin- und Eiweißwert, um entsprechende Rückschlüsse, auch auf Kuhkälber, ziehen zu können. Betriebe, die im Programm mitmachen, profitieren insbesondere bei den weiblichen Nachzuchkkälbern aber auch bei den Kälbern, die wöchentlich verkauft werden können.
Immer am Dienstag werden die Kälber über die Genossenschaft vermarktet. Das Mindestgewicht liegt bei 40 kg. Natürlich werden nur gesunde Tiere verkauft. Die Kälber stehen in Einzeliglus mit einem Dachüberstand. Das bietet Schutz gegen mögliche Wetterkapriolen und jedes Tier ist gut zu beobachten.
Integriert produzieren, um Risiko zu mindern
Einer der Abnehmer von Programmkälbern ist Reiner Schulte aus Dielerheide im Kreis Leer. Er hat rund 1.000 Kälbermastplätze und sich von Anfang an für eine integrierte Produktion entschieden, um das wirtschaftliche Risiko zu mindern. Schulte stellt den Stall und die Arbeitskraft, der Futtermittelhersteller kümmert sich um Kälberbezug und -vermarktung, Futter und tierärztliche Betreuung.
Schulte fährt seine Stallungen im Rein-Raus-Verfahren und innerhalb von einer Woche ist der Stall mit ca.1000 Kälbern gefüllt, die fast alle aus der Region über eine Sammelstelle kommen und zwischen 80 und 180 Euro kosten. Die Kälber werden morgens vom Milchviehbetrieb abgeholt und sind abends auf dem Mastbetrieb. Kurze Wege und Regionalität sind die Ziele Das Einstallgewicht liegt bei rund 50 kg und die neun Quadratmeter großen Buchten werden mit jeweils fünf Kälbern gefüllt.
Von allen Kälbern wird sofort nach der Einstallung eine Blutprobe genommen, um Hämoglobin und Gesamteiweißgehalt zu ermitteln. Da zeigt sich dann auch schon mal, wer als Kalb zu wenig Eisen bekommen hat, das gibt es hier dann per Injektion. Und es gibt Vitamine und Mineralstoffe zur Verbesserung der Vitalität. Die Kälber werden sofort mit Milchaustauscher versorgt. Die Milchmenge sollte nicht zu rasch gesteigert werden, um Verdauungsstörungen zu vermeiden.
Kälber sollten täglich zumindest 12 % des Körpergewichtes an Flüssigkeit (Startmilch und Tränkewasser) aufnehmen. Im Laufe der Mastzeit von 27 bis 28 Wochen und dem dann erreichten Endgewicht von 300 kg nimmt jedes Tier 250 kg Milchaustauscher auf.
Die Anmischtemperatur im Bottich liegt bei 60 °C, die Tränketemperatur bei 42 °C. Gefüttert wird zweimal täglich, das sind dann rund 5 bis 15 l pro Tag je nach Gewicht.
Als Grobfutter gibt es während der gesamten Mast insgesamt 35 kg Kälberstroh (gereinigt, kurz gehäckselt) zur Verbesserung der Struktur und 350 kg Kälberkraftfutter. Hinzu kommen bei Bedarf Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe. Alle Kälber werden mit zwölf Wochen geschoren, damit sie die Körperwärme besser abgeben können. Die Verlustrate schwankt zwischen zwei und drei Prozent, Hauptproblem ist immer noch die Lungenentzündung.
Die Ausstallung erfolgt innerhalb von zwei Wochen. Der Stall wird dann von einer Kolonne komplett gereinigt und desinfiziert, danach folgen zwei Wochen Leerstand (Stallbrache).
Schulte ist Mitglied in der Kontrollgemeinschaft Deutsches Kalbfleisch (KDK). Es werden pro Durchgang bis zu drei Mal Blut-, Urin und Haarproben entnommen, um auf Hormone oder den unerlaubten Einsatz von Medikamenten zu testen. Die Tiere werden nur zur Schlachtung zugelassen, wenn die Proben einwandfrei sind. Eine lückenlose Rückverfolgbarkeit ist möglich, da die Kälber in Deutschland geboren, aufgezogen, gemästet und geschlachtet werden. Aus Niedersachsen machen 60 Landwirte mit 160 Ställen bei der Gemeinschaft mit.
Der Kontrollgemeinschaft gehören deutschlandweit derzeit 130 Kälbermastbetriebe mit 360 Ställen an. Ihr Anteil an der deutschen Kalbfleisch-erzeugung beträgt laut KDK damit etwa 80 Prozent. Drei zertifizierte Schlachthöfe vermarkten jährlich 280.000 Kälber.
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