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Imkern übers Jahr

Es ist ein Knistern in der Luft

Lutz Eggert und Sabrina Lamm bei der Live-Übertragung der Online Fragestunde vom Messestand auf der Eurobee (in Friedrichshafen).

Das war ein Jahr! Nach gefühlt unendlicher Abstinenz trafen sich Ende Oktober in Friedrichshafen wieder Imker aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und vielen anderen Ländern auf der Messe „Eurobee“ des Berufsimkerbunds DBIB. 2022 war ein Jahr der Extreme, das uns und unsere Bienen an die Grenzen führte. In einer unserer Anpaarungszonen für die 3D-Königinnen war die Erde durch den fehlenden Niederschlag und die Hitze Mitte Juni verbrannt. Keinerlei Nektar oder Polleneintrag mitten in der Saison. Begattete Königinnen legten Eier, die nach Schlupf von den Bienen aus den Völkchen entfernt wurden. Die klimatischen Veränderungen gibt es, Preissteigerung gibt es und ein „das habe ich immer schon so gemacht“ hilft nicht mehr weiter.

Der „Neue Imkerbund“

Das gilt auch für Verbände, die ja die Interessenvertreter der Imker darstellen sollten. Nun gibt es einen „Neuen Imkerbund“. Warum, ist auf seiner Internetseite nachlesbar (www.neuer-imkerbund.de). Dahinter steht ein Team engagierter Imker, die sich eine stärkere politische Fokussierung auf einen Systemwandel in der Imkerei wünschen. Der Einsatz von Spritzmitteln in der Landwirtschaft ist und bleibt ein großes Thema, zu dem wir uns als Imker verhalten müssen. Es hilft nicht, Belastungen in unserem Honig zu verschleiern oder Ahnungslosigkeit vorzugeben. Wir haben hier eine große Verantwortung.

Auch sind Freunde der Wildbienen nicht unsere Gegner, sondern Partner und notwendige Mitspieler auf dem Parkett der Politik. Wer mit der bestehenden Situation unzufrieden ist, findet im „Neuen Imkerbund“ sicher Partner, Modifikationen oder die Möglichkeit, eine Veränderung des Ist-Zustandes auf den Weg zu bringen, natürlich inklusive Imkerversicherung.

Konfliktgeladen verlief auch die Hauptversammlung des DBIB, welche schon im Vorfeld in den sozialen Medien von einer lauten und populistisch agierenden Gruppe versucht wurde zu manipulieren. Diese Szenerie hat gezeigt, dass der Versuch einer Meinungsbildung auf Facebook und in Imkerforen nicht unbedingt glückt und die virtuelle Welt nur bedingt mit der Realität Gemeinsamkeiten hat. Diesmal hat der sonst so gescholtene Jürgen Binder in einem eindrucksvoll menschlichen und sachlichen Appell einen Knoten gelöst und die Perspektive für eine zielorientierte Diskussion geschaffen. Der Vorstand des DBIB hat nun seine Aufgaben, und wir werden in Celle sehen, wie es weitergeht.

Imkerliche Schwarmintelligenz

Was allerdings die sozialen Medien leisten können, zeigt ein besonderes Produkt. Aus dem anfänglichem OpenSource-Projekt Hanimandl, das durch eine Facebook-Gruppe zur Reife gelangte, wurde ein handhabbarer Honigabfüller, der sowohl Freizeitimker als auch Berufsimker begeisterte. Man sah ihn in Friedrichshafen auf einem eigenen Stand und bei einem bekannten Edelstahlhersteller als Produktpaket mit einem Abfülleimer. Hier hat die sogenannte Crowd ein Produkt entwickelt, wie sie es sich vorstellt und jemand hat den unternehmerischen Mut gehabt, es zur Marktreife zu bringen.

Der aus dem Hanimandl entstandene halbautomatische Honigabfüller an einer 50-kg-Abfüllkanne - eine Messeneuheit auf der „Eurobee“.

Imkerei nutzt Künstliche Intelligenz

Ebenfalls mutig fand ich die Präsentation eines ungewöhnlichen Prototyps, der hochspannend für die Varroa-Resistenzselektion in Vereinen oder Zuchtbetrieben ist. Johann Ecker ist mit seinem Projekt Queensaver nach vorne gegangen, indem er High- und Lowtech zusammenbringt und eine Idee mit Potenzial auf der Messe präsentierte. Wer kennt nicht die ständige Kontrolle des Bodenscheibers auf natürlichen Milbenfall, das Zählen und Dokumentieren? Denn wir müssen uns ein reales Bild vom Grad der Parasitierung mit der Varroamilbe der Völker machen können. Gerade das Dokumentieren ist in der Saison eine Belastung, geschweige denn das Auswerten der Daten. Ecker bietet jetzt neben der klassischen Stockwaage inklusive Smartphone-Applikation eine sich selbst erneuernde, auf einer Rolle befindliche Varroawindel mit Kameraauge und Künstlicher Intelligenz (KI) zur Zählung an. Das Backoffice wird ebenso digital automatisch geführt, sodass wir ohne weiteres Zutun einen hervorragenden Überblick bekommen. Und – das ist eben Messealltag - wir haben dann gleich gefachsimpelt über das Programmieren der KI und die Umsetzung und Realisierung anderer Gadgets (neuartiger Geräte), die ich schon auf dem Smartphone habe, wie die automatisierte Auszählung des Bruthygienewertes mittels der Fotos auf dem Handy. Zwar wird der Züchter das letzte Wort sprechen, aber hier deutet sich eine Arbeitserleichterung in einem Ausmaß an, mit welcher der Zugang zum Zuchtgeschehen in Hinsicht auf Varroaresistenz für fast jeden Interessierten umsetzbar wird. Vor allem Belegstellenbetreiber, Vereine oder Institute könnten davon profitieren.

„Queensaver“ - ein Prototyp zum automatischen kontinuierlichen Erfassen der Varroamilben-Abfallsrate unter dem Bienenvolk.

Projekt Systemimkerei

In diesem Jahr habe ich zum ersten Mal einen eigenen Messestand realisiert, zusammen mit Ramona und Ferdinand Schot und ihrer Systembeute Quadri-Hive und P-Hive. Der Ansturm der Besucher war so groß, dass ich kaum etwas von der Messe mitbekommen habe.

Die Vorstellung meines neuen Projektes www.systemimkerei.de erhielt viel Aufmerksamkeit. Gerade durch die Gestaltungsmöglichkeiten der BETA-Testphase in den kommenden zwei Jahren entstanden wichtige Anregungen und Hinweise der künftigen Nutzer dieses Online-Lernsystems. Wer will nicht vitale Bienenvölker mit einem guten Ertrag und weniger Arbeit als bisher. Sowie Bienen, die sich zu einem großen Teil selbst gesund erhalten können? Das gibt es: Imkereien ohne nennenswerte Verluste. Der Weg dorthin will gut und verständlich erklärt werden, denn Imkern ist ganz sicher nicht einfach. Aber die Erklärung, wie man zu einer guten imkerlichen Praxis gelangt, kann einfach und logisch gestaltet sein. Zucht und Vermehrung, ein gutes Marketing und der respektvolle Umgang mit uns und unseren Bienen sind keine Magie und kein Geheimnis. Auf der Webseite sind jetzt schon alle Online-Fragestunden von bienen&natur und meine Zucht- und Vermehrungskurse abrufbar. Hinzu kommen laufend Überarbeitungen und Updates bzw. Spezialkurse z.B. zu der Herstellung von Oxymel. Darauf werde ich in den nächsten Jahren meinen Fokus setzen, ins- piriert durch die Arbeit mit bienen&natur und Ihnen als Leserschaft. Wir können alle vonei- nander lernen, und meine neue Plattform soll das Medium sein, wo ein Wissenstransfer möglich und abrufbar ist.

Christian Schneider, Gewinner des bei der Online-Fragesstunde initiierten Beuten-Verschönerungs-Wettbewerbs.

Zeit zum Reflektieren

Ansonsten ist die Winterzeit eine hervorragende Möglichkeit, das vergangene Jahr zu reflektieren und die kommende Saison gut zu planen. Wer schon Stockkartenaufzeichnungen hat, kann seine Arbeitsschritte nachvollziehen und optimieren. Eine gute Vorbereitung auf die Honigsaison ist das A und O. Optimalerweise sind alle benötigten Materialien vor der Saison griffbereit vorhanden, sodass wir dann entspannt in den Frühling einsteigen können. Auf den Stockkarten sollten natürlich auch die Honigerträge pro Volk verzeichnet sein.

Sicherlich regional verschieden können wir uns aber anhand dieser Aufzeichnungen verdeutlichen, ob unsere Völker in der Lage sind, sich selbst zu ernähren und einen Mehrertrag zu erwirtschaften, oder ob wir uns in einem Zucker-Honig-Tausch bewegen oder gar die Völker nur noch haben, weil wir auch in der Saison füttern. Gab es denn Völker, bei denen dies nicht notwendig war an diesen Standorten? Solcherlei Fragen können uns Aufschluss geben, welche Königinnen Eigenschaften besitzen, die in der kommenden Generation für uns und die Bienen existenziell sein können. Und diese Aufzeichnungen tragen natürlich auch dazu bei, uns die Problematik der Ernährungssituation und des Klimawandels klar zu verdeutlichen.

Was ist jetzt noch zu tun?

  • Imkerlich gibt es im diesjährigen Dezember aufgrund der hohen Temperaturen Ende Oktober noch einige Dinge zu beachten.
  • Futterkontrolle: Wie manche Pflanzen, die spät im Jahr plötzlich noch Blüten ansetzen und ihren Stoffwechsel nicht heruntergefahren haben, sind auch viele Bienenvölker aufgrund der hohen Temperaturen und des immer noch vorhandenen Pollenangebotes im späten Oktober in Brut gegangen. Sicher spielen hierbei die auf den Feldern blühenden Zwischenfrüchte eine Rolle. Es hat zur Folge, dass die Bienen durch den Brutsatz, der bis zum Schlupf der Bienen 21 Tage anhält, einen erhöhten Futterverbrauch aufzeigen. Durch die Brutpflege und den Sammelflug verringert sich natürlich auch die Lebenserwartung der vorhandenen Winterbienen. So ist unter Umständen eine signifikante Verringerung der Bienenmasse durchaus möglich, da der notwendige Aufwand, um die Brut warm zu halten in keinem Verhältnis zu den dann noch schlüpfenden jungen Bienen steht.
  • Brutraumgröße anpassen: Ein hilfreiches Werkzeug ist die Anpassung des Brutraumes auf die vorhandene Bienenmasse durch das Setzen eines Schiedes oder sogar die Abkehr von der üblichen Überwinterung in zwei Bruträumen, vor allem in den Maßen Zander und Deutsch-Normal. Hier reicht wahrscheinlich ein Brutraum aus, um einen größeren Wärmeverlust zu verhindern. Die Völker müssen immer genügend Bienen haben, die das vorhandene Futter erwärmen und verfügbar machen können. Es ist sehr genau Volk für Volk darauf zu achten, dass genug Futter in der Nähe des Zentrums der Traube und ausreichend Bienen vorhanden sind. In Notfällen können Reservefutterwaben umgehängt werden oder bei höheren Temperaturen sogar noch zwei schwache Völker zusammengeführt werden.
  • Schleichende Gefahr Varroamilbe: Durch die vorhandene Brut hat natürlich auch wieder die Varroamilbe die Gelegenheit, sich zu stärken oder sogar wieder zu vermehren. Je nachdem, wie sich der Winter entwickelt (wir hatten auch schon im Dezember Temperaturen um die 20 Grad) bleibt die schleichende Gefahr, dass der Milbendruck auch nach einer erfolgreichen Behandlung wieder steigt und somit der Grundstein für Probleme im nächsten Jahr gelegt ist. Daher ist der natürliche Milbentotenfall genauestens im Auge zu behalten und falls nötig bei Brutfreiheit eine Restentmilbung durchzuführen. Das Mittel der Wahl sollte hierbei eine Träufelbehandlung mit einem Oxalsäurepräparat sein. Es ist zu beachten, dass jede medikamentöse Behandlung von Bienen eine Reduktion der Bienenmasse mit sich bringt und eventuell die Brutraumgröße angepasst werden muss, damit es nicht zu einem Futterabriss kommt. Langzeitmedikamente wie die MAQS sind unbedingt zu entfernen, denn sie bringen Unruhe und somit einen erhöhten Futterverbrauch in das Bienenvolk, woraus wieder ein Bienenmasseverlust und ein möglicher Futterabriss folgen können.

Der wärmste Oktober seit 140 Jahren sorgte mit einem späten Pollen-, teilweise auch Nektarangebot für einen verstärkten Bruteinschlag.

Der verstärkte Polleneintrag deutet an, hier wird noch gebrütet.

Blick über den Zaun

Der Imker sollte nicht nur Honig entnehmen und Futtermittel und Medikamente zugeben, um die Bienenpopulation aufrecht zu erhalten. Sondern er sollte sich auch für die lebensfreundliche Gestaltung der Landschaften und das Miteinander der Bestäuberinsekten und Nahrungskreisläufe einsetzen. Genauso maßgeblich trägt der Imker für die Verbesserung der Genetik der Honigbienen eine große Verantwortung und Chance, da er über die Wahl der Königin und den Informationsfluss auf der Drohnenseite stark positive oder negative Eigenschaften in die Gesamtpopulation einbringt. Über diese Wirkmechanismen und Einflussfaktoren besteht ein riesiger Nachholbedarf an Wissen in der Imkerschaft. Meines Erachtens ist Imkerei systemrelevant, entbehrungsreich und sehr verantwortlich zu betrachten. Ganz gleich, ob 5 oder 500 Bienenvölker gehalten werden. Jammern und schweigen sind nicht das Gebot der Stunde, ebenso wenig wie blind Handlungsmustern zu folgen. Wir lernen von den Bienen und aus der Arbeit mit ihnen so viel über uns selbst und die Situation, in der wir uns befinden, dass wir nicht eine zerstrittene Menge darstellen dürfen. Vielmehr ist es unsere Pflicht, die Dinge beim Namen zu nennen und dem Ganzen eine Stimme zu verleihen.

Man sieht sich

Abschließend möchte ich allen Leserinnen und Lesern meiner Artikelserie ein herzliches und aufrichtiges Danke senden. Im Dialog mit Euch und der Redaktion von bienen&natur durfte ich viel darüber lernen, was Klarheit und Verständlichkeit betrifft, dass sich daraus die Aufgaben der nächsten Jahre formten, denen ich mit Spaß und Freude begegne. Und: Vor diesen Aufgaben stehen wir alle gemeinsam. Ich wünsche Ihnen allen einen friedlichen Jahresausklang und einen guten Start 2023!

Kommen wir in Kontakt

Kostenfreie Online-Fragestunde

Als interaktives Zusatzangebot und zum Vertiefen der Themen und Hinterfragen steht Lutz Eggert bei seiner letzten Fragestunde zu Beginn des neuen Jahres seinen Lesern Rede und Antwort.

Nächster Termin: Mittwoch, 11.01.2023, 19:00 Uhr

Anmeldung zur Zoom-Konferenz unter: www.pin-test.com/schulungen

Thema des Monats: Wohin steuert die Imkerei?

Diese Online-Fragestunde liefert Hintergrundinformationen zu den im Artikel angesprochenen Fragen und wie wir es schaffen, die Imkerei zukunftsfest aufzustellen.

Senden Sie uns Fragen und Fotos vorab zu: info@pin-test.com

Autor

Lutz Eggert

arbeitet seit 2008 als Berufsimker und Königinnenzüchter in Jena. Für den Buckfast-Verband Mecklenburg-Vorpommern stellt er Drohnenvölker für die Gebrauchsbelegstelle Gelm und kooperiert mit Berufsimkereien in D-A-CH und Italien. www.pin-test.com, info@pin-test.com

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