Monströse Eicheln – Befall mit der Eichenknoppern-Gallwespe
Schneller Überblick
- Deformierte, kantig verformte Eicheln werden durch die Eichenknoppern-Gallwespe Andricus quercuscalicis verursacht
- Häufig fragen besorgte Bürgerinnen und Bürger nach, um welche Ursache es sich hier handelt
- Das Vorkommen der Eichenknoppern-Gallwespe ist für die Stieleiche ungefährlich
- Es ist ein Wirtswechsel zwischen Stiel- und Zerreiche für das Auftreten der Eichenknoppern-Gallwespe notwendig
Gallen sind abnormale pflanzliche Gebilde und Auswüchse an Blättern, Früchten, Zweigen oder Wurzeln. Meist verursacht von Tieren, am häufigsten von Insekten, z. B. Gallwespen, Gallmücken oder Blattläusen, seltener von Pilzen oder Bakterien [1, 6]. Gallen sind charakteristisch geformt, sodass man die Art des Gallenerregers schon äußerlich, an der Galle selbst, erkennen kann [6].
Gallen an Eichen
Eine ganz typische Gruppe an Eichen sind die Gallwespen. Von den rund 100 einheimischen Gallwespenarten benötigen ca. 50 die Eiche zur Anlage ihrer Gallen. Nur eine einzige einheimische Art an Gehölzen, nämlich die Ahorngallwespe (Pediaspis aceris), kommt nicht an Eichen, sondern nur am Bergahorn (Acer pseudoplatanus) vor [5]. In einer Wiesbadener Grünanlage mit über 200 Eichen, hautsächlich Stiel- und Traubeneichen, aber auch einigen Zerr- und Roteichen, konnten allein 29 Gallwespen-Arten nachgewiesen werden [4]. Die Vielfalt der Gallbildungen an Eichen ist bekannt und auffällig. Es gibt Hörnchen-, Blatt-, Kugel-, Wurzel- und Schwammgallen und viele weitere. In den Gallen können wiederum Parasiten vorkommen, die an den Gallenbildnern schmarotzen, insbesondere Erzwespen. Darüber hinaus gibt es in den Gallen auch Mitbewohner, sogenannte Inquilinen (Einmieter), die mit dem Gallenerzeuger sozusagen als „Mitesser“ in der Galle leben.
Auffällig sind die unter Stieleichen im September zu findenden kantigen, verformten und knubbeligen, manchmal klebrigen Fruchtbecher der Eicheln mit unregelmäßigen Rippen (Abb. 1). Wie kommen diese seltsamen Gebilde zustande und warum findet man diese Knoppern in Wäldern selten, dagegen häufiger im urbanen Grün und in Parkanlagen?
Der Grund ist ein komplizierter Wirts- und Generationswechsel der Verursacher dieser Gebilde, der Eichenknoppern-Gallwespe (Andricus quercuscalicis), um deren Gallen es sich hier handelt.
Eichenknoppern-Gallwespe – Biologie und Lebensweise
Außerordentlich interessant und auch kompliziert ist die Entwicklung der Knopperngallen an Stieleicheln. Knoppern nennt man die bizarr gestalteten Gallen an den Eicheln. Es sind Wucherungen, die vom Fruchtbecher ausgehen und während ihres Wachstums die Eichel verdrängen oder sogar ganz überwuchern. Solange diese Knoppern noch jung und grün sind, ist ihre Oberfläche klebrig. Später werden sie gelbbraun, dunkeln weiter nach und werden schwarzbraun und matt (Abb. 2 u. 3). Im September fallen die Knoppern zusammen mit den Stieleicheln ab (Abb. 4). Aus den verholzten Eichelknoppern schlüpfen dann nur Gallwespen-Weibchen. Die unbegatteten braunen Gallwespenweibchen verlassen ihren Geburtsort bei der Stieleiche und suchen Zerreichen (Quercus cerris) auf. Sobald diese zu blühen beginnt, legen die Gallwespenweibchen dort ihre unbefruchteten Eier in die Staubgefäßanlagen männlicher Blütenstände ab. Statt eines Staubbeutels entwickelt sich dort eine kleine, 1 bis 1,5 mm große, eiförmige Galle, die direkt an der Kätzchenspindel sitzt.
Die aus diesen Staubbeutelgallen der Zerreiche schlüpfenden kleinen Wespen, d. h. die begatteten Weibchen dieser, fliegen zu Stieleichen zurück und suchen dort die an Stielen sitzenden weiblichen Blüten auf. Sie „bohren“ ihren haarfeinen Legestachel gezielt von außen bis zum Grund des Fruchtknotens und legen ihr Ei in die Fruchtbecheranlage [2, 3].
Die Bildung von Knoppern schädigt bzw. schwächt den Baum kaum, allerdings sind stark deformierte Früchte nicht mehr keimfähig.
Wegen ihres sehr hohen Gerbstoffgehaltes (24 bis 25 %) wurden die Knoppern früher auf dem Balkan und in Österreich zum Färben und Gerben gesammelt.
Wirts- und Generationswechsel Stiel- und Zerreiche
Was die Knoppern so bemerkenswert macht, ist dieser Generationswechsel von geschlechtlicher und ungeschlechtlicher Vermehrung, der mit einem Wirtswechsel von der Stiel- zur Zerreiche verbunden ist. Knoppern kommen nur dort vor, wo es im näheren oder weiteren Umfeld der befallenen Stieleichen auch Zerreichen gibt. Das Vorkommen der Knoppern und ihrer Gallwespe ist vom Vorhandensein der Zerreiche abhängig [2]. Die Stieleiche ist in Mitteleuropa heimisch und kommt hier häufig vor. Die Zerreiche dagegen kommt erst im östlichen Österreich (Leithagebirge) und in weiten Teilen Süd- und Südosteuropas natürlich vor. Ihr Vorkommen stellt daher den ökologischen Engpass für das Auftreten der Eichenknoppern-Gallwespe bei uns dar. Da die Zerreiche schon seit dem 19. Jahrhundert gerne in den Parks und Grünanlagen unserer Städte angepflanzt wurde, sind daher im urbanen Grün die Eichenknoppern öfter zu finden, als in unseren Wäldern, da dort die Zerreiche seltener vorkommt – obwohl es auch örtlich durchaus über 100-jährige Zerreichen in Wäldern gibt (z. B. Stadtwald Weißenburg). Künftig könnte auch die Zerreiche in unseren Wäldern als klimatolerante Baumart häufiger angepflanzt werden.
Ökologisch faszinierend – Parasitoide und Inquilinen in Gallen
Aus ökologischer Sicht sind die in Gallen parasitierenden oder als Einmieter und Mitesser dort vorkommenden Insektenarten – meist ebenfalls Hautflügler, aber auch Fliegen- und Käferarten – besonders interessant und faszinierend. Als Beispiel einer parasitisch lebenden Erzwespen-Art, die sich auch in Eichenknoppern-Gallen entwickeln kann, sei hier Sycophila biguttata vorgestellt (Abb. 5). Diese Erzwespe parasitiert in verschiedenen Eichengallen als Endoparasit diverse Gallwespen-Arten. Ihre Larve verlässt dann den toten Wirt und verpuppt sich in der Galle selbst, wo sie auch überwintert und im nächsten Jahr schlüpft. Die zu den Gallwespen gehörende Art Synergus gallaepomiformis lebt dagegen nicht parasitisch, sondern als Einmieter, sogenannte Inquiline, in Eichengallen, auch in Eichenknoppern-Gallen (Abb. 6).
Bei uns kommen etwa 20 Gallwespen-Arten vor, die selbst keine Gallen mehr erzeugen, sondern sich in den Gallen anderer Arten entwickeln [1]. Diese Gallwespen, meist aus der Gattung Synergus, sind nicht streng wirtsspezifisch, sondern können sich in den Gallen mehrerer verwandter Gallwespen-Arten entwickeln.
„Das Auftreten der Eichenknoppern-Gallwespe ist für den Baum harmlos, aus ökologischer Sicht jedoch äußerst faszinierend.“
Folgerungen
Für die befallenen Stieleichen besteht keine Gefahr, denn das Auftreten der Eichenknoppern-Gallwespe ist für den Baum harmlos und für den interessierten Naturbeobachter aus ökologischer Sicht äußerst faszinierend.
Literaturhinweise:
[1] Bellmann, H.; Spohn, M.; Spohn, R. (2018): Faszinierende Pflanzengallen – Entdecken – bestimmen – verstehen, Quelle & Meyer, 480 S. [2] Feldmann, R. (2011): Nachweis der Knopperngalle auf Stieleichen in Nordrhein-Westfalen, Natur und Heimat 71. Jhg., Heft 1, S. 25–31. [3] Kehl, A.; König, A. (2013): Stiel-Eichen und Knopperngallwespe, Der Palmengarten, S. 85–87. [4] Schadewaldt, G. (2017): Gallen von Gallwespen (Hymenoptera: Cynipidae) an Eiche in einer städtischen Grünanlage („Unter den Eichen“ – Wiesbaden, Land Hessen, BRD), Jb. nass. Ver. Naturkde. 138, S. 37–68. [5] Schmidt, O. (2020): Kugelgallen an Ahorn-Wurzeln, LWF-aktuell 124, S. 50–51. [6] Schremmer, F. (1984): Was wissen wir von Pflanzengallen? ÖKO-L 6/3, S. 3–10.
Olaf Schmidt
leitete als Präsident die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft in Freising bis zum 31. Juli 2020.
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