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Waldentwicklungstypen im Klimawandel – die WET2024

Abb. 1: Die Einbeziehung zahlreicher Akteure aus Wissenschaft, Praxis, Verwaltung und Verbändelandschaft war bei der Überarbeitung der Waldentwicklungstypen besonders wichtig.

Schneller Überblick

  • Die WET2024 wurden im Hinblick auf die Veränderungen durch den Klimwandel überarbeitet
  • Wichtige naturschutzrechtliche Vorgaben sind mit den waldbaulichen Maßnahmen abgestimmt
  • Die Einführung von Risikostufen ermöglicht eine differenzierte Planung für jeden Waldbestand, waldbauliche Maßnahmen sind darauf abgestimmt

Kernstück der WET2024 sind insgesamt 14 Waldentwicklungstypen. Sie sind zu einem Dreiklang aufgebaut: Sie umfassen Waldbestände mit vergleichbarem waldbaulichen Ausgangszustand, vergleichbarer sukzessionaler Entwicklung und vergleichbarer Zielsetzung. Naturschutzrechtliche Vorgaben aus dem Artenschutz, dem Biotopschutz und aus den Vorgaben im Zusammenhang mit Natura 2000 sind mit den waldbaulichen Maßnahmen abgestimmt und in diese – soweit möglich – integriert. Auf dieser Grundlage stellen die Waldentwicklungstypen durchgängige Behandlungsprogramme für die flächenbedeutsamsten Waldsituationen in Baden-Württemberg dar. Sie sind ein Werkzeugkasten für die Praxis, um die Wälder fachlich fundiert und rechtskonform bewirtschaften zu können. Wie genau sich die Entwicklungen des Klimawandels auf die Wälder auswirken, ist mit großen Unsicherheiten behaftet. Die Möglichkeit, im waldbaulichen Planen und Handeln adaptiv und dynamisch auf Veränderungen reagieren zu können, ist daher besonders wichtig. Vor diesem Hintergrund haben die Landesforstverwaltung (LFV) und Forst Baden-Württemberg (ForstBW) die bisherige Richtlinie landesweiter Waldentwicklungstypen aus dem Jahr 2014 weiterentwickelt. Ergebnis sind die WET2024. In der Waldstrategie 2050 kommt Beteiligungsprozessen eine große Bedeutung zu. Dementsprechend wurden für die Überarbeitung der WET2024 die Verbände mit Waldbezug in Form eines Projektbeirats eingebunden und konnten frühzeitig ihre Vorstellungen und Erwartungen einbringen. Auch die Zusammensetzung der Arbeitsgruppe spiegelt den Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis sowie über Organisationsgrenzen hinweg wider. Hier haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ForstBW, der LFV, der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) und aus der Naturschutzverwaltung eng zusammengearbeitet (Abb. 1).

„Die Idee ist es, Ziele für den Wald und seine Pflege so zu formulieren, dass diese auch bei gravierenden Störungen noch erreichbar bleiben.“

Ulrich Hipler

Bewährte Ideen und Konzepte erhalten und weiterentwickeln

In Baden-Württemberg bilden die Grundsätze der Naturnahen Waldwirtschaft [2] (Abb. 2), die Anfang der 1990er-Jahre in dieser Form niedergeschrieben wurden, weiterhin die Basis für die Bewirtschaftung der Wälder. Die Grundsätze sind geprägt von der Idee, dass natürliche Abläufe in die Waldpflege integriert werden. Diese werden vor dem Hintergrund der Herausforderungen des Klimawandels und des Biodiversitätserhalts in Teilen neu bewertet. Deswegen werden diese Grundsätze – dort, wo sie eine Neubewertung erfahren – in den WET2024 für die praxisnahe Anwendung angepasst und erweitert. Die waldbauliche Umsetzung der Waldentwicklungstypen trägt somit wesentlich zum Erhalt und zur Verbesserung der waldtypischen Biodiversität bei.

Was ist neu in den Waldentwicklungstypen?

Die Idee ist es, Ziele für den Wald und seine Pflege so zu formulieren, dass diese auch bei gravierenden Störungen noch erreichbar bleiben. Die WET2024 erlauben daher eine offenere Formulierung der Entwicklungsziele, ermöglichen laufende Anpassungen im Sinne von Prozesszielen und zeigen verschiedene Handlungsoptionen auf. Die Auswirkungen des Klimawandels werden nicht alle Waldbestände und Waldstandorte gleichermaßen beeinflussen. Ein wichtiges Hilfsmittel für eine differenzierte Einschätzung der zu erwartenden Auswirkungen des Klimawandels auf den Waldbestand am jeweiligen Standort ist daher die neu eingeführte Einstufung der Waldbestände in Risikostufen. Damit sind die WET2024 adaptiv, dynamisch und praxisnah.

Risikostufen

Es gibt grundsätzlich drei Risikostufen (Gering/Mittel/Hoch). Als Hilfsmittel zur Risikoeinstufung stehen WET-Risikokarten für die Waldentwicklungstypen Buchen-, Fichten-, Tannen-Mischwald und in Kürze auch für Douglasien- und Kiefern-Mischwald zur Verfügung. Die WET-Risikokarten basieren auf den Modellen der Baumarteneignungskarten 2.0 der FVA (Abb. 2).

Abb. 2: WET-Risikokarte für den Tannen-Mischwald. Grundlage für die Einstufung der Tannen-Mischwälder aller Altersstufen bildet das Klimaszenario RCP 4.5 für den Zeitraum 2071 bis 2100. Die WET-Risikokarten sind nur für den standortskartierten Wald dargestellt. Die Darstellung der Risikostufen hat keinen Bezug zur tatsächlichen Bestockung der Waldflächen.

 

abb-2-risiko-a1-tanne-ii-48116894.pdf (Grafik als PDF öffnen)

Handlungsempfehlungen

Über die Waldbewirtschaftung sollen naturnahe, möglichst stabile, arten- und strukturreiche Mischwälder erhalten, gepflegt, genutzt und weiter entwickelt werden. Je höher die Risikoeinstufung für den Waldentwicklungstyp ist, desto bedeutender wird die Rolle einer aktiven Waldpflege zur Erhöhung der Resistenz, Resilienz und Klimaanpassungsfähigkeit. Für Bestände mit einer hohen Risikoeinstufung sind die Ziele offen und die Maßnahmen flexibel formuliert. Diese gehen von einem Wechsel der führenden Baumart über eine risikoreduzierende Behandlung bis hin zur Integration von Elementen einer waldbaulichen Extensivierung (Tab. 1).

Ausblick: Wie geht es weiter?

Die WET2024 werden im Sommer 2024 als illustrative und outdoortaugliche Printversion veröffentlicht. Außerdem wird eine digitale Version zum Durchklicken per Menüführung für die Revierleitungstablets zur Verfügung gestellt. Die Forsteinrichtung der LFV und von ForstBW setzt die Neuerungen bereits ab diesem Jahr um. Und auch die Fortbildungen für die unteren Forstbehörden und die Forstbezirke von ForstBW beginnen schon in diesem Frühjahr. So können die WET2024 schon jetzt einen wichtigen Beitrag zur Klimaanpassung der Wälder leisten.

Naturnahe Waldwirtschaft

Das Rahmenkonzept der Naturnahen Waldwirtschaft umfasst neun Elemente:

  • Stabilität der Wälder
  • Naturnähe bei der Baumartenwahl
  • Mischung und Stufigkeit
  • Standortgerechte Waldverjüngung
  • Pflege der Wälder
  • Wald- und wildgerechte Jagd
  • Integrierter Waldschutz
  • Pflegliche Waldarbeit
  • Aspekte von Natur-, Biotopschutz und Landschaftspflege

Ulrich Hipler

ist Referent für Waldbau und Projektleiter für die WET2024. Clara Fräger ist Referentin und Teil des Teams für die Waldstrategie BW 2050. Beide arbeiten am Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz.

Literaturhinweise:

[1]Landesbetrieb Forst Baden-Württemberg (MLR) (2014): Richtlinie landesweiter Waldentwicklungstypen, https://www.fva-bw.de/fileadmin/user_upload/Daten_und_Tools/ Monitoring/Natura_2000/Erhaltungsmanagement/natura2000_erhaltungsmanagement_forst_bw_waldentwicklung_web.pdf (zuletzt geprüft am 21.03.2024).

[2]Weidenbach, P.; Kohnle, U. (1994): Maßnahmen Programme der Landesforstverwaltung, in: MLR 1994: Wald, Ökologie und Naturschutz – Leistungsbilanz und Ökologieprogramm der Landesforstverwaltung Baden-Württemberg.

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