Muffeljagd in der Rhön
Wildschafe im Schnee
Es ist noch früh am Morgen. Straßenlaternen erhellen den Parkplatz vor dem Rathaus. Mein Weg hat mich in die unterfränkische Marktgemeinde Wildflecken geführt. Dort wartet bereits der Förster auf mich. Die Zeit drängt. Schnell packe ich das Nötigste zusammen, und wir machen uns auf den Weg. Unser Ziel: der Truppenübungsplatz.
Das militärisch genutzte Gebiet umfasst insgesamt rund 7.300 Hektar. Davon liegen etwa 1/3 in Hessen und 2/3 in Bayern. Der Übungsplatz wurde 1936 errichtet. Nach dem Kriegsende wurde er von den Amerikanern übernommen. Heute gehört er der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) und wird von der Bundeswehr genutzt. Die BImA kümmert sich auch um die Bejagung der Fläche. Dafür ist das Gebiet in vier Reviere mit je einem Förster unterteilt. Diese werden wiederum von mehreren Begehungsscheininhabern unterstützt.
Die ersten Muffel kommen in Anblick
Wir biegen in den Wald ein. Im Scheinwerferlicht des Geländewagens erscheint eine Schranke. Daneben ein Schild, das vor dem Schießbetrieb warnt. „Alle Wege, die auf den Truppenübungsplatz führen, sind für die Öffentlichkeit gesperrt“, erklärt der Förster und steigt aus dem Auto. Mit einem Schlüssel öffnet er das Schloss. Wir können passieren.
Weiter geht es auf einer geteerten Straße. Sieht wie eine ganz normale Straße aus, denke ich mir, eigentlich fehlt nur der weiße Mittelstreifen. Doch ein Schild mit einem abgebildeten Panzer verrät, dass hier auch andere Fahrzeuge unterwegs sind. Die Ringstraße führt einmal rund um den Truppenübungsplatz. Von dort gibt es verschiedene Zufahrten zu den Schießbahnen oder anderen militärischen Einrichtungen. Schließlich biegen wir auf einen Forstweg ab. Der Geländewagen kämpft sich durch den schweren Schnee. An einer Weggabelung kommt er zum Stehen. „Ab hier laufen wir“, sagt mein Begleiter.
Herkunft
Das Europäische Mufflon kam ursprünglich nur auf den Mittelmeerinseln Korsika und Sardinien vor. Inzwischen lebt es aber in zahlreichen Gegenden Europas, da es dort angesiedelt wurde.
Unsere Schritte sind auf dem verharschten Boden deutlich zu hören. Nach etwa 200 Metern erreichen wir eine Kanzel. Eine kleine verschneite Wildwiese ist von lichtem Stangenholz umgeben. Dahinter folgt ein dunkler Fichtenbestand. „Hier habe ich in den vergangenen Tagen Muffelwild bestätigt“, flüstert mir der Forstmann zu.
Allerdings seien Muffel sehr unstet. Kommen sie drei Tage nacheinander, kann es am vierten plötzlich anders sein. Dieses Verhalten macht die Jagd sehr anspruchsvoll. Muffelwild gibt es auf dem Truppenübungsplatz erst seit den 1970er Jahren. Es wurde damals zur Bereicherung der vorkommenden Wildarten angesiedelt. Davor waren nur Reh- und Schwarzwild heimisch. Seit knapp zehn Jahren gesellt sich eine weitere Schalenwildart dazu: das Rotwild.
Inzwischen ist es hell geworden. Eine dichte Nebelbank steht am Himmel. Die Sicht in Bodennähe ist jedoch klar. Erneut lasse ich meinen Blick von rechts nach links schweifen. Was ist das? Da bewegt sich doch etwas! Etwa 20 Meter neben der Kanzel wechseln – wie aus dem Nichts – zwei Muffel durch das Stangenholz. „Ein Widder“, freue ich mich. Während das Muffelwild an uns vorbeizieht, hebt der Förster vorsichtig sein Fernglas.
„Das zweite ist ebenfalls ein Widder“, sagt er, „etwas jünger als der erste“. Kurz darauf treten beide vor uns aus. „Was für ein Anblick“, denke ich mir. Noch nie hatte ich zwei Widder auf dem Ansitz vor mir und konnte sie so genau beobachten. „Der stärkere von beiden ist ein 1er Widder“, erklärt mir mein Jagdführer. Das Alter lässt sich beim Muffelwild gut an den Schnecken ablesen. Auch die Gestalt des Körpers lässt erahnen, dass es sich um einen älteren Widder handeln muss. Nach einigen Minuten ziehen „die Herren“ weiter.
Der Truppenübungsplatz bringt einige Herausforderungen für die Jagd mit sich. So ist die Jagd beispielsweise nur dann erlaubt, wenn die Bundeswehr keine (Schieß-)Übungen hat. Das heißt, jeder Ansitz, jede Pirsch muss jeweils auf die Termine des Militärs abgestimmt werden und beschränkt sich meist auf die Wochenenden. Umgerechnet auf das Jagdjahr, bleibt somit nicht viel Zeit, um den vorgegebenen Abschussplan zu erfüllen – und dann muss auch noch die Witterung mitspielen.
Des Weiteren kann die Jagd nicht auf der gesamten Fläche stattfinden. Der Truppenübungsplatz ist in verschiedene Zonen unterteilt. Im Zielbereich der Schießbahnen befindet sich die ca. 1.200 Hektar große „C-Fläche“. Da man aufgrund der militärischen Vergangenheit nicht genau weiß, welche und wie viele Blindgänger dort im Boden liegen, ist die Gefahr für Leib und Leben zu groß.
Bundesforst
Jagdmöglichkeiten
Interessierten Jägern bietet der Bundesforst verschiedene Jagdmöglichkeiten an. „Neben der Regiejagd werden Flächen an Dritte verpachtet, entgeltliche Jagderlaubnisscheine ausgestellt sowie Beteiligungen an Gemeinschaftsjagden, Ansitzwochen oder Einzelführungen geboten.“ Jagdgäste werden stets durch Förster geführt.
Da dort aber absolute Ruhe herrscht und niemals ein Mensch hineingeht, bietet es dem Wild einen großen Rückzugsort. „Das Muffelwild ist im Sommer gerne dort oben“, erklärt der Förster. Im Winter jedoch, wenn der Schnee zu hoch ist, ziehen sie in tiefere Lagen und somit auch ins Jagdgebiet.
Kurz vor Schluss wird es nochmal spannend
Ein Blick auf die Uhr verrät: Es ist bereits kurz nach 9 Uhr. Mein Begleiter und ich beratschlagen, wie lange wir noch sitzen bleiben. Zehn Minuten, dann heißt es zusammenpacken. Ich nehme einen tiefen Zug der kühlen Morgenluft und grüble bereits, was der Tag noch bringen mag.
Plötzlich erscheint eine dunkle Silhouette. Erneut bewegt sich etwas auf der linken Seite. Diesmal jedoch weiter entfernt. Doch schnell ist klar: Muffel! Wie an der Perlenschnur ziehen vier Stück durch den Bestand. Sie kommen immer näher. Mit dem Glas erkennen wir zwei Schafe und zwei Widder. Hinter einigen Sträuchern verhoffen sie für einen kurzen Moment, dann treten sie aus. „Da sind keine Lämmer dabei“, sagt der Förster überrascht. Wir beobachten sie, doch auch nach einigen Minuten hat sich nichts daran geändert.
Jetzt nur keine unbedachte Bewegung, denke ich mir und gehe in den Anschlag. Im Absehen beobachte ich die Muffel. Meine Aufmerksamkeit gilt einem der Schafe. Es ist etwas schwächer als das andere. Doch immer wieder stehen sie hintereinander oder stehen spitz. „Jetzt“, flüstert mir der Förster zu. Plötzlich ist Bewegung, und die vier Stücke ziehen auseinander. Als das Gesuchte für einen kurzen Moment verhofft, lasse ich die Kugel fliegen.
Mit einem herzlichen „Waidmannsheil“ überreicht mir mein Führer den Bruch. Wir stehen neben dem erlegten Schaf. Mit einem „Waidmannsdank“ nehme ich den Erlegerbruch entgegen und stecke dem Schaf den letzten Bissen in den Äser. Du hast gerade dein erstes Stück Muffelwild erlegt, schießt es mir anhaltend durch den Kopf. Wie lange habe ich es schon probiert, doch immer hat das letzte Fünkchen Glück gefehlt. Und nun ist es endlich wahr geworden. Meinen Besuch in der Rhön werde ich so schnell wohl nicht vergessen.
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