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Jagdhunde

Schleppwild zur Hundeausbildung ist Mangelware

Dieser Deutsche Wachtelhund apportiert zur Prüfungsvorbereitung ein Kaninchen.

Als ich vor einigen Wochen folgende Nachricht eines Arbeitskollegen erhielt, war ich schon ein wenig überrascht: „Du hast doch Kaninchen bei Dir im Revier. Hast du zufällig noch ein paar eingefroren? Ich brauche dringend welche!“ Der Kollege bereitet einen Wachtelhund und einen Deutsch Drahthaar auf Prüfungen der jeweiligen Zuchtvereine vor. Kurz darauf kam die nächste Nachricht von einem Wachtelführer. Gänzlich verwundert war ich, als mich ein Hundeführer, den ich nur vom Sehen kenne, anschrieb und mir 35 Euro für ein Kaninchen bot. Was war denn da los?

Ein Blick auf die Webseite zweier Schleppwildhändler zeigte: Kaninchen nur auf Anfrage und höchstens zwei pro Hundeführer. Auch in den üblichen Facebookgruppen ist das Thema in aller Munde. Das Internet gibt leider kaum Informationen preis, was genau passiert ist. Ein Anruf bei Jan-Philipp Wienema von Schleppwild.com bringt erste Informationen.

Bei zahlreichen Prüfungen bewerten die Richter gearbeitete Kaninchenschleppen.

Brexit wirkt sich negativ aus

Ein Großteil der von uns als Schleppwild genutzten Kaninchen stammt aus England und Schottland. Aufgrund des Ausscheidens des Vereinigten Königreiches aus der EU und mangelnder Einfuhrgenehmigungen ist es seitdem nicht mehr möglich, tierische Nebenprodukte – und als solche zählt das Schleppwild – nach Deutschland zu importieren. Zusätzlich haben die Myxomatose sowie eine neue Variante der Viruserkrankung RHD (Rabbit Haemorrhagic Disease, „Chinaseuche“) die Besätze auf den britischen Inseln drastisch zurückgehen lassen. Englische Wissenschaftler schätzen, dass lediglich 10 % des Besatzes übrig geblieben sind. Im vergangenen Jahr konnten die Händler die Nachfrage aus ihren Reserven bedienen. Diese sind allerdings mittlerweile aufgebraucht.

Ein Großteil des Schleppwildes stammte aus England. Ausfuhrprobleme (Brexit) und sinkende Besätze stoppten die Lieferungen.

Aus deutschen Revieren ist auch nicht mit ausreichend Ersatz zu rechnen. Zumal die Zahl der Reviere mit nennenswerten Kaninchenbesätzen stetig gesunken ist. Auch Hasen, die je nach Größe als Ersatz auf der Haarnutzwildschleppe in Frage kämen, sind mittlerweile absolute Mangelware. Hört man sich unter den Hundeführern um, gibt es vereinzelt Kritik an den Kollegen, die jetzt kurz vor knapp händeringend Schleppwild suchen. „Wenn ich weiß, dass ich im Herbst einen Hund auf Prüfung führen will, dann sorge ich eine Saison früher vor“, ist eine häufig gelesene Aussage. Da ist schon was dran, allerdings hat nicht jeder die Möglichkeit, mehrere Enten, Kaninchen und eventuell noch Hase und Fuchs im heimischen Gefrierschrank unterzubringen. Für einige Hundeführer war Trockenwild eine Alternative. Allerdings sind auch getrocknete Kaninchen gerade nicht zu bekommen.

Wildkrankheiten (hier Myxomatose) und ein hoher Prädationsdruck machen den Grauen Flitzern das Leben schwer.

Alternativen zum Kaninchen

Wie gehen die Zuchtvereine mit dieser Situation um? Schließlich stehen die Eignungs- und Gebrauchshundeprüfungen an, bei denen Schleppwild benötigt wird. Für diese Prüfungssaison scheinen die Zuchtvereine und ihre Landesgruppen die Situation noch bewältigen zu können. So hat der Vereinsprüfungswart im Verein für Deutsche Wachtelhunde Michael Weber in einer Rundmail an alle Landesprüfungsobleute mitgeteilt, dass bei den Prüfungen auch Nutria als Schleppwild eingesetzt werden können. Zusätzlich würden in den Landesgruppen Aufrufe gestartet, und auch übers Internet helfe man sich gegenseitig. „Wir sehen eine begrüßenswerte Solidarität unter den Hundeführern. Über Facebook werden aktuell Kaninchen getauscht, sodass möglichst alle Hundeführer zumindest ein Kanin bekommen und geprüft werden können“, berichtet Weber. In Hinblick auf die nächsten Jahre zeigen sich jedoch alle Vereinsvertreter besorgt. „Ohne Schleppwild können wir unsere Hunde nicht auf Brauchbarkeit prüfen. Und ohne brauchbare Hunde keine tierschutzkonforme Jagdausübung“, so Markus Schonlau, Obmann für das Prüfungswesen der VDD-Gruppe Westfalen. Auch er lobt den Austausch unter den Hundeführern, mahnt allerdings zu pfleglichem Umgang mit dem Schleppwild. Seiner Ansicht nach müsste sich jeder Hundeführer die Frage stellen, wie viel Wild er bei der Ausbildung wirklich benötigt.

Beim Verein für Deutsche Wachtelhunde dürfen aufgrund des Mangels an Kaninchen ersatzweise Nutria zum Einsatz kommen.

Gemeinsames Vorgehen geplant

Von Seiten des Deutschen Jagdverbandes (DJV) wurde im Gespräch deutlich gemacht, dass man das Schleppwildproblem erkannt habe und mit Sorge beobachte. Es müsse dringend eine Lösung vor allem für die fehlenden Importe gefunden werden, um die hohen Ausbildungs- und Prüfungsqualität im Jagdhundewesen zu erhalten. Es solle zeitnah ein Treffen mit Vertretern des Jagdgebrauchshundverbandes (JGHV) stattfinden, um ein gemeinsames Vorgehen abzustimmen, berichtet Tillmann Möhring vom DJV. Der JGHV bestätigte dies. Friedhelm Röttgen, Pressesprecher des JGHV, sagte: „Wir nehmen die Sorgen der Hundeführer sehr ernst. Wir haben selbst gerade wieder Hunde in Ausbildung und sind daher betroffen. Ich befürchte, dass uns das Problem auch in den nächsten Jahren beschäftigen wird.“ Eine Versorgung aus heimischen Revieren hält er bei der benötigten Menge an Schleppwild bei einbrechenden Kaninchenstrecken für unrealistisch und logistisch schwer umsetzbar. Es ist zu hoffen, dass der DJV und der JGHV einen Weg finden, den Import von Schleppwild wieder zu ermöglichen.

In vielen Revieren ist eine Kaninchen-Bejagung kaum noch möglich.

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