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Land der Hopfenböcke

Jagd auf Rehwild in der Holledau

Die besten – und manchmal auch die dümmsten – Ideen kommen gerade dann, wenn man nichts zu tun hat. Ein kühles Bier kann dabei nicht schaden. Und so saß ich eines Abends mit einem befreundeten Braumeister, der auch Jäger ist, gemütlich zusammen, als wir vom Bier auf das Thema Hopfen zu sprechen kamen. Beide kannten wir die Hopfengärten entlang der A9 und das weiß-braune Autobahnschild, das auf das „Hopfenland Hallertau“ verwies. Schnell stellte sich uns die Frage, wie es sich dort so jagen lässt und was die Besonderheiten sind. Diesem Wissensdrang folgend, kam über eine Kollegin schließlich der Kontakt zu Daniel Haubrichs zustande. Er hat gemeinsam mit seinem Schwiegervater eines dieser Reviere gepachtet.

Daniel Haubrichs ist sich seiner Verantwortung als ortsansässiger Jäger gegenüber den Hopfenbauern stets bewusst.

Freundlich empfingen mich die beiden Mitte September, um mir das Revier erstmals zu zeigen. An Jagd war aber nicht zu denken, das hatte Daniel mir bereits am Telefon angekündigt. Denn an allen Ecken im Dorf und im Revier waren Mensch und Maschine mit der Hopfenernte beschäftigt. Selbst die Gaststätte im Ort hatte aus diesem Grund geschlossen. „Die Landwirte im Ort bauen mehr Hopfen an als ganz Österreich“, erklärt mir der Deutsch-Drahthaar-Führer und fügt an: „Hier richtet sich das Leben nach dem Hopfen.“ Und die Jagd bildet dabei keine Ausnahme. Während der Erntezeit, in der die Hopfenbauern teilweise bis zu 18 Stunden am Tag arbeiten, geht keiner im Revier auf den Ansitz. Einerseits ist die Unruhe viel zu groß und andererseits ändert sich innerhalb weniger Tage die Bewuchssituation auf rund 50 Prozent der Revierfläche grundlegend. Hinzu kommt die Gefährdung von Arbeitern, die überall in den Hopfengärten auftauchen können.

Tunnelblick: Hat der Hopfen eine gewisse Höhe erreicht, kann man immer nur in eine der Gassen sehen.

Dass die Sauen während dieser Zeit mitunter im Mais Schaden machen, ist für die meisten Landwirte im Ort fast schon nebensächlich. Deswegen fängt man hier keinen Streit mit dem Jagdpächter an. Das Geld wird mit Hopfen verdient. „Die heiße Phase ist bei uns im Mai. Da müssen wir ran. Sonst steht Ärger ins Haus“, macht der Meister im Garten- und Landschaftsbau deutlich. Und so stehe ich pünktlich – neun Monate später – im Mai erneut bei Daniel auf der Matte. Und diesmal soll es auch zum Jagen gehen. Vorher drehen wir allerdings eine Revierrunde.

Wachsen die Triebe des Hopfens nicht schnell genug aus dem Äser, droht Verbiss durch Rehwild.

Der Blick über die hügelige, kleinstrukturierte Landschaft ist kein Vergleich zu dem was man noch vor einigen Monaten sehen bzw. nicht sehen konnte. Denn der Hopfen wächst nun gerade einmal etwa einen halben Meter bis Meter hoch. In vielen Hopfengärten sitzen daher die Saisonarbeiter und wählen je Pflanze die drei besten Triebe aus, die sich an den Drähten hochranken sollen. Der Rest wird abgeschnitten. Das sogenannte Ausputzen und Andrehen ist ein knochenharter Job, der sich nur von Hand erledigen lässt. Blöd nur, wenn in den folgenden Tagen dann ein Rehbock in die Hopfengarten kommt und dort zu fegen beginnt, oder gar die Triebe abknabbert. Der entstandene Schaden lässt sich nach dem Andrehen zum einen nicht mehr beheben und wiegt zudem noch mindestens doppelt, da die Pflanze auch im folgenden Jahr einen Minderertrag liefern wird. Ggf. bietet der geschwächte Hopfen auch noch eine Angriffsfläche für eine der zahlreichen Krankheiten, die ihn befallen können, wodurch die ganze Fläche gefährdet wäre. Daher muss auch die eigentlich kaputte Pflanze in den kommenden Monaten gepflegt werden.

Viele Landwirte stellen entlang der Hopfengärten Zäune, um die Pflanzen vor Rehwild zu schützen.

Kaum verwunderlich also, dass die Hopfenbauern versuchen die Gärten in dieser sensiblen Wachstumsphase mit allen Mitteln vor Rehwild zu schützen. Fast überall im Revier der Beiden sind daher diverse Arten von Zäunen gezogen. Manche von ihnen stehen sogar das ganze Jahr. Zwar wirken viele davon nicht unbedingt rehwildsicher und ein Teil versperrt sogar die Wege, aber es zeigt erneut, wie wichtig der Hopfen hier ist und warum als Jagdpächter gilt: Mit gefangen, mit gehangen.

Das grüne Gold der Holledau sind die geernteten Hopfendolden.

„Ruft mich einer der Bauern an, dass ein Rehbock bei ihm im Hopfen gefegt hat, habe ich keine andere Wahl als mich darum umgehend zu kümmern und ihn bei nächster Gelegenheit zu erlegen.“ Das liegt auch im Interesse des Jagdpächters, denn einen Jagdpachtvertrag, in dem der Hopfen nicht wildschadensersatzpflichtig ist, bekommt hier keiner vorgelegt. Doch nicht jeder Bock neigt zum Fegen im Hopfen, zeigt die Erfahrung der beiden passionierten Jäger. „Es gibt Böcke, die sieht man zwar regelmäßig im Hopfen stehen, aber die Fegen dort nie. Die kann man dann auch mal ein paar Jahre dort stehen lassen.“ Besonders problematisch seien jedoch Jährlinge.

Gute Bedingungen fürs Niederwild

Die Struktur des Reviers kommt auch dem Fasan entgegen.

Bei unserer Revierrundfahrt zeigen sich zwar noch keine Rehe, allerdings zwei Fasane, von denen man auch sonst überall im Revier immer wieder Balzrufe hören kann, sowie zwei Hasen. Durch die kleinstrukturierte Landwirtschaft und die mittlerweile gängige Bepflanzung der Fahrgassen im Hopfen mit Zwischenfrucht, findet das Niederwild hier relativ gute Lebensbedingungen vor. Beim anschließenden Abendansitz sind zwar auch wieder mehrere Gockel zu hören, Rehwild zeigt sich allerdings nur auf weite Entfernung. Der nächste Morgen blieb sogar komplett ohne Anblick. Ein Umstand der Daniel doch verwunderte, denn eigentlich ist bei ihm Anblick fast schon garantiert, wie er selbst sagt.

Die Hopfengärten bieten dem Schlüpfertyp Rehwild im Sommer Einstand und dank der Gründüngung auch Äsung.

Es blieb also nichts anderes übrig, als ihn Mitte Juli erneut zu besuchen. Ich sollte schließlich keinen falschen Eindruck von seinem Revier haben, grinst er mir zu. Kaum wieder bei ihm angekommen, ging es also bei rund 27 °C zur Revierrundfahrt. Schon nach wenigen Minuten kam bereits das erste Stück Rehwild in Anblick. Ein Jährlingsspießer nutzte den Schatten und das kühlere Klima im Hopfen zum Ruhen. Nur unweit äste ein Hase von der ausgebrachten Gründüngung. Beste Vorzeichen also für den anstehenden Ansitz.

Regelmäßig kontrolliert Daniel Haubrichs im Frühjahr die Hopfengärten in seinem Revier auf Verbiss- und Fegeschäden.

Schnell hatte ich mich, nachdem mir Daniel großzügigerweise freie Wahl gelassen hatte, für die Leiter entschieden, auf der ich bereits im Mai angesessen war. Hier musste es doch klappen! Und so kam es auch. Nachdem bereits beim Aufbaumen nur zehn Meter vor dem Sitz eine Geiß aus dem hohen Gras in den Hopfen abgesprungen war – und ihr rund eine halbe Stunde später noch ein Kitz folgte, zeigte sich neben einem Hasen und einer weiteren Geiß mit Kitz gegen 21 Uhr ein Rehbock.

Der Fegeschaden am Hopfen hat auch im nächsten Jahr noch negativen Einfluss auf den Ertrag.

Schnell hatte ich ihn als passenden Jährlingsspießer angesprochen. Viel Zeit zum Überlegen blieb dann nicht, schließlich stand er nur zwei Meter vor dem Hopfengarten. Hier hätte sich maximal noch eine minimale Chance geboten, wenn ich abgebaumt und entlang des Hopfens mit dem Zielstock gepirscht wäre. Ein Unterfangen, das auf Grund der eingeschränkten Sicht – die an einen Tunnelblick erinnert – und der gespannten Drähte kein einfaches ist. Der Schuss aus meiner Sauer 202 im Kaliber .308 Win. brach also und ließ den Bock im Knall verenden. Als Daniel, der selbst auch ordentlich Anblick hatte, aber nicht zu Schuss gekommen war, kurz darauf bei mir eintraf, stieg er mit einem Grinsen aus. „Waidmannsheil zum Hopfenbock!“ Das hopfenhaltige Kaltgetränk war nach dem Versorgen des Bocks und dem sicheren Verräumen der Waffen dann natürlich obligatorisch.

Kurz bevor der Jährling in den Hopfengarten wechseln wollte, ereilte ihn die Kugel.

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