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Truppenübungsplatz Hohenfels

Jagen zwischen Panzern & Hirschen

Försterin Desiree Schwes hat auf dem Truppenübungsplatz ihre jagdliche Heimat gefunden.

Der staubige Subaru mit Heckträger in der Auffahrt verrät schon alles. Hier ist eine Praktikerin am Werk. Und schon tritt, umgeben von ihren drei Hunden, die junge Försterin in Uniform aus dem Haus. Die Begrüßung ist kurz, aber herzlich: „Am besten gehen wir gleich los – der Übungsplatz ist groß …“ Dort, auf dem taktischen Truppenübungsplatz Hohenfels in der Oberpfalz (ca. 16.000 ha) trainiert die US-Armee Luftlandungen, Infanteriegefechte und vieles mehr. Für den nächsten Morgen ist eine Großübung angesetzt. Daher nutzen wir noch diesen Tag für eine jagdliche Exkursion, bevor der Platz tagelang nicht betreten werden kann.

Hinter der Schranke zum Truppenübungsplatz beginnt eine ganz andere Naturlandschaft.

„Die militärischen Interessen gehen auf einem Truppenübungsplatz grundsätzlich vor“, erklärt mir Försterin Desiree Schwers. Seit gut fünfzehn Jahren arbeitet sie im Forstdienst für die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BlmA) und ist mit den Gegebenheiten bestens vertraut. Vorbei geht es im Subaru an klein parzellierten Feldern und Gehölzen. Die Landwirte bringen an diesem Oktobertag gerade die Maisernte ein. Die Landschaft ändert sich rapide an einem Schlagbaum, hinter dem sich eine breite Panzerstraße schnurgerade dahinzieht. Auf der einen Seite grünes Gras und Rundballen, die andere Seite bewaldet mit Magerrasenflächen. „Das hier ist alles Karstgelände, mit extrem wenig Wasser“, erklärt mir Schwers, „aber schauen wir uns das Ganze doch mal von oben an – da sehen wir auch einen unserer Brunftplätze.“ Von einem steilen „Feldherrenhügel“ überblicken wir mehrere grasige Täler mit Straßen. Die Berghänge sind überwiegend dicht bewaldet. Trampelpfade am Hang belegen, dass dieser Höhenzug immer wieder stark „umkämpft“ ist.

Militärische Hinterlassenschaften finden sich immer wieder im Gelände.

„Unsere Aufgabe besteht vor allem darin, dem Militär günstige Übungsbedingungen zu erhalten. Wenn sie z.B. Bäume als Staub-, Lärm- oder Sichtschutz brauchen oder bestimmte Flächen offengehalten werden müssen, dann kümmern wir uns darum“, berichtet Försterin Schwers von ihren Aufgaben. Beispielsweise wird auf dem Platz mit Ziellasern anstatt mit scharfer Munition trainiert. Dafür muss das Gras relativ kurz sein, damit Treffer zuverlässig angezeigt werden. Die forstwirtschaftliche Nutzung bringt dagegen einige Probleme mit sich. „Wir haben relativ viel Holz mit eingebetteten Metallsplittern oder Beschädigungen“, die Suche nach wertvollen Einzelstämmen lohne sich daher eher nicht: „Der überwiegende Anteil geht an die Industrie oder die Papiermühle. Die können mit solchem Holz am besten umgehen.“

„Wald mit Wild“ wird auf dem Truppenübungsplatz gelebt

Noch während wir sprechen, klingt aus weiter Ferne das Röhren eines Rothirschs herüber. Wie kommt das Wild mit den besonderen Herausforderungen seines Lebensumfelds klar? „Das Rotwild fühlt sich hier sehr wohl“, bekräftigt Desiree Schwers prompt. „Wie viel Wild hier tatsächlich lebt, können wir nur schätzen, aber allein auf dem Übungsplatz erlegen wir jedes Jahr 800 bis 1.000 Stück Rotwild“. Dabei ist Schwers jedoch wichtig zu betonen, dass dort Wald und Wild ihren Platz haben. Im Offenland übernimmt das Rotwild landschaftspflegerische Aufgaben und hält die Rasenflächen offen, wobei sie im Sommer durch Schafherden unterstützt werden. „In der Kernzone wo auch die Luftlandeübungen stattfinden, halten wir von Februar bis September absolute Jagdruhe. Da soll sich das Wild sicher fühlen und das Offenland annehmen. Im Wald und in den Randbezirken machen wir dagegen Druck – gerade versuchen wir den erhöhten Wildbestand etwas zu reduzieren“, führt die Försterin aus. Bemerkenswert: Das Rotwild scheint sehr genau gelernt zu haben, militärische und jagdliche Schüsse auseinanderzuhalten. Von der militärischen Knallerei zeige sich das Wild erstaunlich unbeeindruckt. Fällt jedoch ein Stück um, stiebt sofort alles auseinander.

Das Rotwild hat auf dem Truppenübungsplatz fast optimale Lebensbedingungen gefunden.

Vorbei an den Ruinen verlassener Ortschaften und Übungsstellungen (Fotografieren verboten! Die trainierenden Truppen sollen ja auch nicht wissen, was sie erwartet), fahren wir Richtung Kernzone, wo Desiree Schwers mir einige „Hartziele“ zeigen will – aufgegebene und zerschossene Panzerfahrzeuge und Trucks. Schon von Weitem sehen wir ein kleines Zeltlager mit Soldaten, von dem trotz Nieselregen reges Stimmengewirr herüberdringt. Es dauert nicht lange und ein Humvee nähert sich, um zu erkunden, wer hier im Gelände herumstiefelt. Als sich jedoch herausstellt, dass wir jagdlich unterwegs sind, ändert sich die berufsmäßig ernste Miene des voll gerüsteten US-Soldaten schlagartig. Mit einem „Klick“ ist der Helm abgeschnallt und es herrscht beste Plauderlaune über Jagderlebnisse mit Brian, der vorher in Alaska stationiert war. Ob er denn hier auch einmal jagen gehen könne …? Das bekräftigende Nicken der Försterin besiegelt die neuentstandene deutsch-amerikanische Freundschaft. Das gute Zusammenspiel mit den Amerikanern ist dem Forst besonders wichtig, mit speziellen Kursen werden sie auf die Jagd in Deutschland vorbereitet und können z.B. an Drückjagden auf dem Platz teilnehmen. Als wir kurz darauf hinter Brian weiter der Straße folgen, stellt der Soldat plötzlich das schwere Militärfahrzeug quer und gestikuliert an den Seitenstreifen: „A big one!“ (Ein Großer!), von dem ich nur die Geweihenden verschwinden sehe, bevor Brian weiterbraust.

Beim Thema Jagd ist schnell eine gemeinsame Basis zwischen Deutschen und Amerikanern gefunden.

Militärischer Sicherheitsbereich

Die Episode zeigt aber auch, dass ganz genau hingeschaut wird, wer sich auf dem Übungsplatz bewegt. „So einfach wie wir vorhin reingekommen sind, kann das sonst fast keiner“, erklärt Desiree. Nur wenige Personen der Forstverwaltung haben Schlüssel zu einigen Seitenschranken, an den großen Eingängen werden auch sie jedes Mal aufs Neue kontrolliert. Bejagt wird der Übungsplatz von Forstmitarbeitern und ausgewählten Begehscheininhabern, die gemeinsam etwa die Hälfte des Jahresabschusses tätigen. Die Anforderungen an die Begeher sind dabei sehr hoch: Ein Mindestabschuss von 25 Stück Schalenwild im Jahr wird erwartet, dazu die Mithilfe bei den Jagden unter der Woche, Reviertätigkeiten und allgemeine Einsatzbereitschaft – davor steht ein umfangreicher Sicherheits-Check. So nebenbei geht das nicht. Hinzu kommen eine Reihe Einschränkungen, die die besonderen Revierverhältnisse als amerikanisch verwaltetes Militärareal mit sich bringen. So können die Begeher die Schranken nur passieren, wenn sie von den Forstmitarbeitern geöffnet werden. Ebenfalls müssen sie den Platz zur Nachtzeit wieder verlassen haben. Das erfordert auch von den Förstern tägliche Anwesenheit weit über die üblichen Dienstzeiten hinaus und große jagdliche Passion. Für Desiree Schwers ist das (dennoch) ein Traumberuf, bei dem auch ihre drei Hunde, ein Hannoverscher Schweißhund und zwei Alpenländische Dachsbracken voll ausgelastet sind. Zu den Drückjagden sind dann auch Gäste von außerhalb zugelassen.

Das Wild fühlt sich zwischen den Panzerwracks vollends zuhause.

Ganz ungefährlich ist es jedoch nicht, auf dem Platz zu jagen. „Da hier selten scharf geschossen wird, gibt es eigentlich keine No-Go-Areas, wo niemand hinkann. Wir müssen aber trotzdem immer auf Munitionsreste und Stacheldraht achtgeben.“ Gerade die Hunde kehren immer wieder mit Verletzungen zurück. „Die US-Streitkräfte versuchen allen Draht wieder zu entfernen, stoßen wir doch einmal auf Reste kümmern sie sich gleich darum.“

Liegengebliebene Stacheldrahtreste sind eine besondere Gefahr für Hundepfoten. Nach den Übungen wird der Platz bestmöglich aufgeräumt.

Auf dem Abendansitz lerne ich noch einmal die Jagd auf dem Truppenübungsplatz mit allen Facetten kennen: Bei bestem Licht ziehen 50 bis 60 Stück Rotwild auf die Freifläche. Ich komme mit dem Schauen gar nicht mehr hinterher. Und während ich noch mit dem Glas einem entfernten Konvoi mit aufgesessenen US-Soldaten folge, geht die Försterin neben mir leise in Anschlag. Der Tag endet mit einer Rehwilddoublette – und bleibenden Eindrücken bei mir.

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