Lockjagd auf Kormorane
Findige Fischräuber
Das Mittagsläuten der nahe gelegenen Kirche hallt durch die Luft. Für uns das Zeichen, die Ausrüstung zusammenzupacken. Ich stehe gerade aus meinem getarnten Angelstuhl auf und bahne mir einen Weg durch das dichte Schilf. „Kormoran!“, ruft Martin Goller mir zu. Reflexartig ducke ich mich und erstarre. Im gleichen Moment fällt ein Schuss aus seiner Selbstladeflinte. Vorsichtig richte ich mich wieder auf. Im Augenwinkel sehe ich „etwas“ auf mich zu fliegen. Und schon fällt ein toter Kormoran neben mir auf den Boden. „Das war aber knapp“, sage ich völlig verdutzt zum Schützen. Dieser antwortet mit einem lauten Lachen.
Martin Goller ist Berufshubschrauberpilot im Rettungsdienst. Seit sechs Jahren aber auch leidenschaftlicher Jäger. Die Kormorane selbst haben den gebürtigen Lichtenfelser damals zum Jagdschein gebracht. „Ich bin seit meiner Kindheit Angler und hatte in den zahlreichen Jahren verschiedene Tätigkeiten im Fischereibereich übernommen“, erzählt er.
Vergrämung
Der Kormoran gilt durch die Vogelschutzrichtlinie als geschützte Art. Er unterliegt nicht dem Jagdrecht, kann aber laut § 1 AAV in Bayern durch einen Abschuss entnommen werden. Man spricht von einer letalen Vergrämung.
Dabei war Goller u.a. für die regionalen Fangstrecken zuständig, die immer weniger wurden. „Auf den Fischbestand haben viele Faktoren Einfluss. Eine Stellschraube ist die Kormoranvergrämung“, erklärt der Oberfranke. Daher habe er sich damals entschieden, das Grüne Abitur zu absolvieren. Seitdem beginnen für den Kormoranberater (Coburg/ Lichtenfels) zahlreiche Herbst- und Wintertage bereits am frühen Morgen, wenn noch völlige Dunkelheit herrscht.
Das Wichtigste: Tarnung, Tarnung und nochmals Tarnung
Heute ist einer dieser Tage. Bereits um 5.40 Uhr traf sich Martin Goller mit einem Jagdkollegen am Baggersee. „Am besten gehst du rüber unter die Bäume“, grübelt Goller, „ich fahre mit dem Boot an die Schilfzunge und baue dort das Lockbild auf.“ Nach einem knappen „Alles klar!“ von Mitjäger Roland Kraus, Kormoranberater der Wiesent, machen sich beide auf den Weg.
Schusszeit
In Bayern ist eine Entnahme im Zeitraum vom 16. August bis 14. März zulässig. In anderen Bundesländern müssen die jeweiligen länderspezifische Regelungen beachtet werden!
Neben seiner Flinte packt der Jäger zwei Rucksäcke ins Boot und einen Eimer. Darin befinden sich u.a. die Attrappen, Munition und Tarnnetze. Fast lautlos gleitet er mit seinem dunkelgrünen Schlauchboot am Ufer entlang. Die morgendliche Stille wird nur durch die vorsichtigen Paddelschläge im Wasser unterbrochen.
Neben seiner Flinte packt der Jäger zwei Rucksäcke ins Boot und einen Eimer. Darin befinden sich u.a. die Attrappen, Munition und Tarnnetze. Fast lautlos gleitet er mit seinem dunkelgrünen Schlauchboot am Ufer entlang. Die morgendliche Stille wird nur durch die vorsichtigen Paddelschläge im Wasser unterbrochen.
Nun muss sich der Kormoranjäger beeilen. Die Dämmerung hat bereits eingesetzt. Mit schnellen Griffen packt er die Vollkörperattrappen aus, verbindet sie mit je einem „Anker“ – der aus einem Karabiner, einer Angelschnur und einem Stein besteht – und wirft die Kunststoff-Kormorane schließlich mit voller Kraft in den Uferbereich vor sich. Vier auf die eine Seite, drei auf die andere. Mithilfe einer mehrteiligen Fiberglasstange platziert er einen der Lockvögel in einem nahe stehenden Baum.
„Jetzt noch der sogenannte ‚Confidence Decoy‘“, erklärt Martin Goller und holt eine Graureiher-Attrappe hervor. Diese Art von Lockvogel soll anderen Wasservögeln eine Art Sicherheit vermitteln, damit sie einfallen. „Jetzt zum Wichtigsten: Tarnung, Tarnung, Tarnung!“, mahnt der Waidmann. Sich selbst hat er bereits in einen selbstgenähten Tarnanzug gehüllt. Rucksäcke und andere Gegenstände legt er im Schilf zu einem Haufen zusammen und bedeckt alles mit einem Tarnnetz. Ebenso das Boot.
Mehrere Meter zieht er es in den goldbraunen Schilfgürtel und lässt es unter einem gleichfarbigen Camouflagenetz verschwinden. „Die Vögel erkennen sofort, wenn etwas nicht stimmt und drehen ab“, sagt der 51-Jährige. „Vier von rechts“, flüstert der Jäger. „Zu hoch.“ Doch bereits wenige Minuten später fliegt der nächste Kormoran über den Baggersee. „Da! Er hört mit den Flügelschlägen auf“, freut sich Martin Goller.
Und tatsächlich: Ein Meerrabe will direkt ins Lockbild einfallen. Als er nur noch wenige Meter entfernt ist, geht der Schütze in den Anschlag. Schuss. Tödlicher Treffer! „Das ist der schönste Moment für einen Lockjäger“, gibt Goller zufrieden zu. Kurz darauf sind bereits die nächsten Kormorane im Anflug. Dann geht es plötzlich Schlag auf Schlag. Wie aus dem Nichts kommen sie aus allen Richtungen heran.
Geduld wird bei der Lockjagd belohnt
Gegen 9 Uhr wird es etwas ruhiger. Diese Zeit nutzt der Lockjäger für einen Schluck heißen Tee. „Kormorane sind für unsere heimischen Gewässer zu gute Jäger“, erklärt er. Ihm gehe es bei der Kormoran-Vergrämung um den Schutz geschützter Fischarten wie Äsche oder Nase. Die Räuber nehmen auf diese Arten keine Rücksicht.
Ebenso spielt für sie das Schonmaß, an das sich Angler halten müssen, keine Rolle. Ein Schuss seines Jagdkollegen Roland lässt ihn aufhorchen, als auch in seinem Rücken wieder einer der schwarzen Gesellen vorbeifliegt. Allerdings zu hoch. „Man muss den Finger auch einmal gerade lassen“, so Goller. Kurz darauf wird seine Geduld mit einem tiefer vorbeistreichenden Kormoran belohnt. Mit einem lauten Platschen prallt der tote Vogel auf die Wasseroberfläche.
„Für diesen Fall habe ich immer meine Teleskopangel dabei“, erklärt der langjährige Angler. Ein gezielter Wurf mit dem Drilling und schon hängt der Kormoran am Haken. Geschossene Meerraben sollten schnellstmöglich aus dem Lockbild entfernt werden. Ansonsten können heranstreichende Vögel Verdacht schöpfen. „Eine Handangel darf man aber nur verwenden, wenn man im Besitz eines Fischereischeins ist“, erklärt Martin Goller. Daneben benötigt man eine schriftliche Genehmigung des Eigentümers, der das Fischereirecht inne hat.
Vergrämung an der Teichanlage
Einsatz der kleinen Kugel
Mit der kleinkalibrigen Büchse kann man Kormorane ebenfalls bejagen. Allerdings gibt es Risiken, die sehr umsichtig bewertet und nach bester Möglichkeit minimiert werden müssen! Bewährt haben sich die Kaliber .17 Hornet oder .222 Remington. Wichtige Hilfsmittel sind Schalldämpfer und Zweibein.
Die Geschoss-Wahl ist ebenso wichtig aufgrund der Gefahr einer Hinterlandgefährdung. Teilmantelmunition ist daher komplett fehl am Platz. Hier sind Totalzerleger angebracht. Ein sicherer Kugelfang ist oberstes Gebot! Kein Kormoran rechtfertigt eine verirrte Kugel.
Teichanlagen eignen sich z.B. für das Kleinkaliber. Oft sind die Uferbereiche der Anlagen gut gepflegt, sodass es wenig Deckung gibt und kaum Möglichkeiten für die Vögel, aufzubaumen. Dann ist ein Tarnstand Pflicht. Ein oder zwei Holzpfähle werden in den Weihergrund getrieben, die ca. 50 cm aus dem Wasser ragen. Die Entfernung zwischen den Pfählen und dem Stand sollte möglichst groß sein.
Gleichzeitig müssen ein sicherer Treffer, die tödliche Wirkung des Geschosses und ein Kugelfang gewährleisten sein. Die sattgefressenen Kormorane werden die Pfähle zum Verdauen annehmen. Dann kann man sie mit der Büchse strecken. Im Wasser schwimmend, liegen die Vögel sehr niedrig und bewegen sich ständig. Für diese Jagdart benötigt es ein hohes Mass an Disziplin und das Bewusstsein, den Finger auch geradezulassen, wenn die Umstände den Schuss nicht zulassen.
Inzwischen steht die Sonne am Himmel. Die Luft ist deutlich wärmer geworden. Es ist 11 Uhr. Der Lichtenfelser kramt nach seinem Handy. Er will Roland anrufen und sich nach dem Stand der Dinge auf seiner Uferseite erkundigen. „Eine Stunde bleiben wir noch sitzen, oder? Dann ist Saure-Gurken-Zeit“, schlägt er vor.
Beide sind damit einverstanden. Immerhin müssen anschließend verendete oder geflügelte Kormorane noch nachgesucht werden. Das macht der Jäger in der Regel mit seinem Boot. Für den Fall der Fälle stünde natürlich auch ein brauchbarer Hund zur Verfügung. „Geflügelte Kormorane sind meist flinker, tauchen auch längere Strecken vor dem Hund weg und der Schnabel ist eine Gefahr für die Hundeaugen“, berichtet er. Mit dem Boot sei er deutlich schneller und könne gezielt einen Fangschuss mit der Flinte antragen.
Ein Blick auf die Uhr verrät, es ist Mittag. Das Läuten des Kirchturms beginnt. Ich beginne meinen Rucksack zu packen, da höre ich auf einmal: „Kormoran!“ Und damit liegt Nummer 20 an diesem Vormittag.
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