Jagen in Niedersachsen
40 Jahre Aktion Biotopschutz
Auch verbandlich gab es an der Spitze Veränderungen.
Am 20. Dezember 1979 hatte der niedersächsische Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in seiner Funktion als Oberste Naturschutzbehörde – es gab zu dieser Zeit noch kein Umweltministerium – die Landesjägerschaft Niedersachsen (LJN) als Naturschutzverband gem. § 29 BNatSchG anerkannt und dies im Ministerialblatt Nr. 11 / 1980 veröffentlicht. Vorausgegangen war eine für damalige Zeit heftige Kontroverse zwischen der LJN und dem zuständigen niedersächsischen Landwirtschaftsministerium. Am 20. Oktober 1978 hatte die LJN ihren Antrag auf die Anerkennung als Naturschutzverband gestellt. Juristen des Ministeriums zogen in Zweifel, dass die Jäger vorwiegend die Ziele des Naturschutzes fördern würden.
Darüber hinaus erfülle der Verband nicht das „Jedermanns-Prinzip“, das von einem Naturschutzverband forderte, jedem Zutritt zu gewähren. Zur Mitgliederversammlung im Mai 1979 machte Präsident Detlev Freiherr von Stietencron und der Berater für Öffentlichkeit Karl-Heinz Plikat deutlich, was sie davon hielten. Mit klaren Worten wiesen sie auf die praktischen Beispiele der Naturschutzbemühungen der niedersächsischen Jäger in den letzten 30 Jahren hin.
Die Jäger geben beim Naturschutz Gas
Besonders deutliche Worte gab es in Richtung Landwirtschaftsminister Gerhard Glup, der ja selbst Jäger und Mitglied war und daher hätte wissen müssen, was Jäger für die Natur tun. Für die LJN war es nach den Worten von Stietencrons selbstverständlich, dass durch eine Satzungsänderung auch das „Jedermanns-Prinzip“ erfüllt werde. Diese Satzungsänderung wurde dann im Jahr 1980 auf der Mitgliederversammlung vorgenommen.
»Die Aktion Biotopschutz feiert dieses Jahr ihr 40-jähriges Jubiläum.«
Minister Gerhard Glup war ob der starken Kritik des Verbandes mehr als verärgert. In seinem Begleitbrief zur Anerkennung brachte er deutlich zum Ausdruck, dass er den öffentlichen Vorfwurf seitens der Jäger, die Anerkennung sei am fehlenden Willen des Ministers gescheitert, doch für sehr befremdlich gehalten habe. Diese Attacke sei für ihn nicht verständlich gewesen, da zum einen rechtliche Bedenken bestanden hätten, die ja nun ausgeräumt wären und zum anderen er sich persönlich in der Vergangenheit immer für die Landesjägerschaft eingesetzt habe. Der Streit wurde dann aber schnell nach einem Dankesschreiben des LJN-Präsidenten für die Anerkennung und einem vertraulichen Gespräch bei einem guten Schluck warmen Korn beigelegt.
Jetzt galt es für die LJN zu beweisen, dass sie zu Recht die Anerkennung erhalten hatte. Sie stellte zum 1. Januar 1981 Ulrich Knocke als Sachbearbeiter für den Naturschutz ein. Er unterstützte die inzwischen in den Jägerschaften und Hegeringen installierten Naturschutzobmänner und -frauen bei ihrer Tätigkeit. Erste Seminare für die Obleute wurden unter der Leitung des für den Naturschutz zuständigen LJN-Vizepräsidenten Günter Wage durchgeführt, in denen sie dann entsprechend geschult wurden. Zur weiteren Unterstützung der Obleute und als Beratungsgremium des LJN-Präsidiums wurde ein Arbeitskreis Naturschutz gegründet. Bis heute nehmen die Jäger Niedersachsens detailliert zu allen Maßnahmen in der Natur Stellung und werden dadurch der 1979 ausgesprochenen Anerkennung als Naturschutzverband gerecht.
Zwei Aktionen bestimmen die Bemühungen der LJN
Und das seit Jahrzehnten: Die Aktion Biotopschutz feiert dieses Jahr ihr 40-jähriges Jubiläum. 1984 wurde die Aktion ins Leben gerufen, die schützenswerte Biotope aufkauft und sie von Jägern betreuen lässt. Zur Umsetzung der Ankäufe wurde eine Biotopschutzkommission eingesetzt, die sich die angebotenen Flächen vor Ort anschaute, bewertete und dann die notwendigen Kaufverhandlungen führte, wenn sie davon überzeugt war, dass die Fläche ins Profil der Aktion Biotopschutz passte. Mitglieder der ersten Biotopschutzkommission waren der damalige LJN-Vizepräsident Günter Wage, der damalige Bezirksvorsitzende des Bezirks Braunschweig Christian Reimann und aus der LJN-Geschäftsstelle Wildmeister Erhard Brütt.
In den ersten Jahren war diese Aktion ein richtiger Renner. So besaß die LJN im Jahre 2000 bereits 123 Biotopschutzflächen mit einer Gesamtfläche von 403,8 Hektar. Nach dem Jahr 2000 nahm das Angebot an geeigneten Biotopschutzflächen merklich ab. Hauptsächlich Flächen aus Flurbereinigungsverfahren, insbesondere des Amtes für Agrarstruktur (AfA) Sulingen, brachten noch weitere Flächen in das Eigentum des Verbandes. Hier muss man den damaligen Leiter des AfA Sulingen, Klaus Rinne, nennen, der ab 1992 Mitglied in der LJN-Biotopschutzkommission war. Er hatte erkannt, dass gerade die Jäger vor Ort in Zusammenarbeit mit den Jagdgenossenschaften prädestiniert dazu waren, diese Flächen zu pflegen und fortzuentwickeln. 2023 konnte sogar noch eine Biotopschutzfläche erworben werden.
Aktion Hegebüsche schafft Feldholzinseln
Das zweite Naturschutzleuchtturmprojekt ist die Aktion Hegebüsche, die fußend auf dem Braunschweiger Modell seit 1967 landauf und landab kleinere wildtierfreundliche Biotope in Form von standorttreuen Sträuchern und niedrigwachsenden Bäumen in die Landschaft bringt. Im ersten Jahr der Hegebuschaktion 1967 wurden so auf 150 Einzelflächen entsprechende Pflanzungen vorgenommen. Gerade in den Niederwildregionen Niedersachsens wurde die positive Wirkung dieser Feldholzinseln erkannt.
In den achtziger und neunziger Jahren erlebte diese Aktion einen Boom und die Jägerschaften begannen daraus einen regelrechten Wettbewerb zu machen, wer die meisten Hegebüsche pflanzte. Finanziell unterstützt wurden die Pflanzaktionen der Jäger durch eine 75-prozentige Übernahme der Baumschulrechnung aus den Mitteln der Jagdabgabe.
Auch die Aktion Hegebüsche gibt es noch heute. Leider hat das Interesse an diesen beiden für die Natur und der darin lebenden Wildtiere so wichtigen Projekten nachgelassen, da es kaum noch geeignete Objekte in unserer agrargeprägten Landschaft gibt.
Fokus auf die Öffentlichkeitsarbeit
Für einen Verband ist es wichtig, sich öffentlichkeitswirksam zu präsentieren. So stellte sich 1980 die LJN das erste Mal auf der neu installierten Messe „Pferd und Jagd“ in der Halle 6 auf dem Gelände der Hannover-Messe zusammen mit den Reitern der breiten Öffentlichkeit vor. Rund 35.000 Besucher wurden damals gezählt.
In der Spitze erreichte diese Ausstellung im Laufe der Jahre einen Zuschauerschnitt von rund 100.000. Die LJN präsentierte sich jedes Jahr mit einem anderen Motto, nach dem die Dioramen und Aktionen ausgerichtet waren. Ganz wichtig war es von Anfang an, die Messe auch für Kinder und Jugendliche interessant zu machen. Viele Schulklassen, deren Lehrer der Jagd gegenüber nicht negativ eingestellt waren, nutzten an speziell dafür ausgelobten Tagen unter fachmännischer Betreuung die Ausstellung, um die Natur besser kennenzulernen.
Im August 1981 wurde in Celle der „1. Tag der Niedersachsen“ von der Niedersächsischen Landesregierung durchgeführt. Die LJN war mit Jagdhornbläsern vertreten. In den folgenden Jahren gehörte der Tag der Niedersachsen zum festen Auftrittstermin des Verbandes. Dort traten neben den Jagdhornbläsern die Falkner und die Hundeleute mit ihren vierbeinigen Gefährten auf. Das Ausstellungsteam zauberte an allen Stellen, wo die Jäger ihren Stand hatten, tolle Dioramen hin, die unzählige Besucher anzogen. Natürlich war es für die Landespolitiker selbstverständlich, den Stand der Jäger beim Rundgang am Eröffnungstag zu besuchen und sich über die Arbeit der Jäger zu informieren.
Höhepunkt im Ausstellungskalender der achtziger Jahre war die Weltjagdausstellung „Wildtier und Umwelt“ vom 23. Mai bis zum 1. Juni 1986. Die Landesjägerschaft Niedersachsen präsentierte sich mit zwei landesspezifischen Dioramen. „LJN-Ausstellungsdirektor“ Erhard Brütt hatte sich einmal mehr übertroffen. Das Wattenmeerdiorama gelang ihm so echt, dass man sich an der Küste wähnte. Brütt und sein Team hatten das Wattenmeer und das Moor nach Nürnberg geschleppt und dort den Sand, Torf, Heide, Krebse, Muscheln, Tang – alles original – in die Dioramen eingebaut.
Erste Großkundgebung der Jäger, Bauern und Fischer
Nicht unerwähnt bleiben darf die Großkundgebung der Jäger, Bauern und Fischer am 17. November 1989 im Internationalen Congress-Centrum auf dem Hannoverschen Messegelände, die unter dem Motto „Gemeinsame Perspektive für Bauern, Fischer und Jäger – unsere Wünsche und Forderungen an Europa, an unseren Staat und an die Gesellschaft“ stattfand. Rund 3.000 Teilnehmer waren aus ganz Niedersachsen zum Teil mit Bussen angereist. Sie wurden nicht enttäuscht. LJN-Präsident Anton Koehler eröffnete die Veranstaltung mit den Worten: „Alle Jägerinnen und Jäger wissen, dass die Unruhe unter ihnen sowie den Bauern und Fischern über ihre ungewisse Zukunft wächst. Wir leben in einer Zeit, in der wieder einmal an den Grundpfeilern der Jagd gerüttelt wird. Deshalb kommt es besonders darauf an, dass wir alle gemeinsam – Bauern, Jäger und Fischer, Waldbesitzer und Förster – die Jagd als einen Teil unseres Eigentums verteidigen, wie es viele Generationen vor uns getan haben. Dieses Recht wollen wir uns von niemandem nehmen lassen!“ Dieser Appell ist auch noch heute so aktuell wie damals!Die hochkarätigen Redner auf dieser ersten jagdlichen Großveranstaltung waren DJV-Präsident Dr. Gerhard Frank, der Präsident des Deutschen Bauernverbandes Constantin Freiherr Heereman von Zuydtwyck und der Präsident des Deutschen Fischereiverbandes, Peter-Harry Carstensen. In Funk und Fernsehen wurde über dieses Event ausführlich mit entsprechender Resonanz berichtet.
Ein weiteres wichtiges Standbein der Öffentlichkeitsarbeit war und ist immer noch der parlamentarische Abend der Landesjägerschaft Niedersachsen. Im November 1987 lud der Verband die Mitglieder des Landwirtschafts- und Umweltausschusses des Niedersächsischen Landtages das erste Mal dazu ins Alte Rathaus in Hannover ein.
» Das einschneidendste Ereignis war der Fall der innerdeutschen Grenze. «
Inzwischen gehört der parlamentarische Abend zu den beliebtesten Treffen der Landtagsabgeordneten im Jahr, denn dort können sie in bester Atmosphäre, ohne lange Vorträge bei gutem Essen und Getränken mit Vertretern des Verbandes informative Gespräche führen. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch noch, dass aufgrund dieser Abende Abgeordnete den Jagdschein gemacht haben!
Sauberer Wechsel an der Führungsspitze
Innerverbandlich brachten die achtziger Jahre auch Veränderungen an der Führungsspitze. Auf der LJN-Mitgliederversammlung Anfang Mai 1988 leitete Präsident Detlev Freiherr von Stietencron zum letzten Mal die Mitgliederversammlung des Verbandes. Neben den Vorsitzenden und Kreisjägermeistern waren zahlreiche Vertreter aus Politik und Gesellschaft erschienen, um dem scheidenden, charismatischen LJN-Präsidenten ihre Referenz zu erweisen. Unter dem Applaus der Teilnehmer überreichte der damalige niedersächsische Landwirtschaftsminister Dr. Burkhard Ritz dem scheidenden Präsidenten das „Große Verdienstkreuz des Niedersächsischen Verdienstordens“. Bei den Präsidiumswahlen wurde Anton Koehler zum neuen LJN-Präsidenten gewählt. Neu ins Präsidium als Vizepräsident kam Wilhelm Holsten aus Bargstedt. Auch in der Geschäftsführung des Verbandes gab es einen Wechsel. d.
Nach 26 Jahren schied Ofm. Friedrich Ritter am 31. März 1987 als Geschäftsführer aus. Sein Nachfolger wurde Ass. jur. Dirk Schulte-Frohlinde, der seit Oktober 1985 in der LJN-Geschäftsstelle arbeitete. Das einschneidendste Ereignis der 80er-Jahre war der Fall der innerdeutschen Grenze am 9. November 1989. Dieses Ereignis und seine Folgen, insbesondere für die Jäger, wird Schwerpunkt der nächsten Betrachtung der LJN-Geschichte sein. Auch beim Landbuch-Verlag gab es eine Zeitenwende. Am 27. September 1982 ging die Geschäftsführerin Alice Groß, die von 1971 bis 1974 die Schriftleitung beim Niedersächsischer Jäger übernahm, nach 35-jähriger Tätigkeit beim Landbuch-Verlag in den Ruhestan
Kurz und Knapp
Das passierte noch in den 1980er Jahren
- Im Februar 1980 wird der Berufsverband der Berufsjäger (BDB) gegründet, um die Interessen der Berufsjäger in Staat und Gesellschaft zu vertreten.
- Am 1. April 1980 beginnt Dipl.-Biologe Thomas Clemens unter wissenschaftlicher Oberleitung von Dr. Gottfried Vauk das LJN-Forschungsprojekt „Erhaltung und Vergrößerung der Birkwildbestände in Niedersachsen“ im Elbe-Weser-Dreieck. Am 31. Juli 1987 endet dieses Projekt leider erfolglos, da die Population des Birkwildes im gesamten Forschungsraum erloschen war.
- Am 1. Januar 1984 übernimmt die LJN von der Dynamit Nobel AG den Schießstand in Liebenau.
- Am 26. April 1986 kommt es in Tschernobyl im Block IV des Atomkraftwerkes zu einer Kernschmelze. Hierdurch entweichen 65 Kilogramm radioaktive Stoffe, die insbesondere in Nord- und Mitteleuropa, so auch in der ehemaligen DDR und der Bundesrepublik Deutschland, durch den „sauren Regen“ Boden und Luft vergiften. Dies hat noch etliche Jahre starke Auswirkungen auf den Verzehr von Wildbret.
- Mit dem Runderlass des Landwirtschaftsministeriums vom 7. Mai 1986 treten die neuen „Grundsätze und Richtlinien für die Hege und Bejagung des Schalenwildes in Niedersachsen“ (Hegerichtlinien) in Kraft.
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