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Jagen mit Herz

Taubenjagd

Insgesamt 320 Tauben und drei Rabenkrähen liegen am Ende des Jagdtages auf der Strecke.

Gut getarnt im Feldgehölz wartet Hendrik Niemann auf die Tauben.

Es knallt aus allen Richtungen. Plötzlich fliegt von links eine einzelne Taube das kleine aus hohen Fichten und Holunderbüschen bestehende Gehölz an. Der Schütze macht sich hinter seinem Tarnschirm bereit, schwingt mit und erlegt den rasanten Flieger mit einem sauberen Schuss über Kopf.

Mit wehenden Behängen apportiert die Labradorhündin eifrig dem Schützen die Taube.

Der Hund wird zum Apport auf die Maisstoppeln geschickt und bringt die Duve freudig. Zufrieden legt der Schütze die Taube neben die anderen und lädt seine Flinte neu. „Warte mal ab, die beste Tageszeit, wenn sie in der Dämmerung einfliegen, kommt erst noch“, meint er zuversichtlich und nimmt wieder hinter seinem Tarnschirm Platz.

Für die drei Münchener Jäger ist die Jagd auf Tauben etwas in Besonderes.

Tarnung ist bei der Taubenjagd alles, das weiß auch Christof Rippe, Hegeringleiter des Hegerings Molbergen. „Die Taube hat auf jeder Feder ein Auge“, warnt er die 300 Flintenschützen in seiner Ansprache. Diese haben sich um Punkt 13 Uhr am Streckenplatz versammelt, der mitten im Ort Peheim (LK Cloppenburg) gegenüber der Gaststätte liegt, in der später das Schüsseltreiben stattfinden soll. „Probleme mit den Anwohnern hatten wir noch nie.

Jagdherr Christof Rippe mahnt die Jäger in seiner Ansprache zur Vorsicht beim Schießen in der Nähe von Siedlungen.

Das Verhältnis zwischen ihnen und den Jägern ist sehr gut und sie stehen natürlich auch hinter den Spenden“, erklärt Rippe.

Jeder Schütze zahlt bei der Anmeldung 25 Euro und erhält anschließend eine Standkarte.

An der Spendenjagd beteiligt sind alle Reviere des Hegerings Molbergen sowie drei angrenzende. Daher auch der Name „Revierübergreifende Taubenjagd“. Jedes Revier stellt nach Möglichkeit zwischen acht und 30 Stände zur Verfügung, die bei der Anmeldung an die Jäger vergeben werden. Dabei können auch Gruppen berücksichtigt werden, die zusammen jagen.

Die Jäger sammeln sich vor der Jagd am Streckenplatz, der umgeben von Wohnhäusern und der Kirche im Ortskern von Peheim liegt.

Jeder Schütze zahlt 25 Euro für das Schüsseltreiben. Das Geld derjenigen, die nicht zum Essen bleiben können, geht direkt an das Kinderhospiz „Löwenherz“ in Syke. Dann gibt es noch eine Standkarte für jeden, auf der die Jagdteilnehmer ihre Strecken für Ringeltauben, Rabenkrähen und Elstern eintragen können.

 

Gut 20 Jagdhörner erklangen zum Aufbruch zur Jagd. Untermalt wurde das Signal vom Jaulen der Jagdunde.

Nach dem Anblasen sucht jeder Jäger sein Schild mit der entsprechenden Reviernummer auf, um anschließend entsprechend angestellt zu werden. „Organisation ist alles“, schmunzelt der Hegeringleiter, „und natürlich Unterstützung – hier packt jeder mit an.“

Die Taubenjagd wird zur Tradition

Alles begann vor rund 30 Jahren an einem gemütlichen Abend vorm Kamin. Christof Rippe und zwei Jagdfreunde verabredeten sich zur Taubenjagd. Der Termin war gesetzt und im Laufe der Jahre kamen immer mehr Jäger aus den Revieren des Hegerings dazu und die Jagd wurde zur Tradition.

Tauben fliegen bis zu 100  km/h schnell und sind etwa 40 cm lang. Um so rasantes Flugwild am Himmel zu treffen, muss der Schütze geübt und schnell sein.

Nach und nach brachte auch jeder revierfremde Jagdfreunde mit. „In den Neunzigern haben wir mit 50 Schützen regelmäßig über 1.000 Tauben geschossen“, erinnert sich Rippe. Die Rekordstrecke lag bei 1.500 Tauben. „Im Gegensatz zu anderen Jagdveranstaltern haben wir nie Geld für die Ausrichtung der Jagd verlangt“, erklärt er. „Als wir dann vor etwa 15 Jahren mit um die 70 Schützen abends beim Schüsseltreiben saßen, haben wir uns überlegt, statt einem Obolus für die Jagd Geld für eine Spende zu sammeln.“

Manche Schützen bauen ein Lockbild auf.

Doch wohin sollte das Geld fließen? Es müsste eine Institution sein, mit der sich auch nicht lokale Jäger identifizieren können. Da kristallisierte sich in der Runde der Gedanke an das Kinderhospiz heraus. Dafür wollten sie bei der nächsten Jagd sammeln. „Warum erst nächstes Mal? Wir fangen jetzt damit an“, meinte Rippe damals, schob seinen Stuhl zurück und ging mit dem Hut herum. 2.000 Euro kamen an jenem Abend zusammen. Die Idee der Spendenjagd war geboren und hat bis heute Tradition.

Finanzierung

Das Kinderhospiz „Löwenherz“

Insgesamt konnte der Hegering Molbergen in den letzten 15 Jahren über 180.000 Euro an das Kinderhospiz spenden. Die Gelder werden dringend benötigt, da die Betriebskosten nur etwa zur Hälfte von den Krankenkassen gedeckt werden. Das reicht zwar für die medizinische und pflegerische Versorgung, nicht aber für die gesamten laufenden Kosten.

Viele Zusatzangebote wie bspw. tiergestützte und Musiktherapie oder Begleitung für die erkrankten Kinder und ihre Familien sowie die Unterbringung der Eltern und Geschwister müssen teilweise über Spenden finanziert werden.

Jährlich sind für den gesamten Betrieb des Kinder- und Jugendhospiz mehr als 2,2 Millionen Euro an Spendengeldern notwendig. „Löwenherz“ ist damit auf die Solidarität und die Unterstützung der Bevölkerung und der Wirtschaft angewiesen. Das Kinderhospiz schätzt das Engagement der Jäger der Taubenjagd sehr.

Mittlerweile jagen jedes Jahr 300 Schützen bei der Taubenjagd mit und die Spenden belaufen sich jedes Mal auf einen fünfstelligen Betrag.

Die Tauben ziehen während der Jagd rastlos umher und fliegen immer wieder eines der Wäldchen an, an denen die Schützen stehen.

(Bundes-)länderübergreifende Taubenjagd

Die Flintenschützen reisen für diese Jagd nicht nur aus der gesamten Bundesrepublik, sondern auch aus Dänemark, Holland und Österreich an. Die meisten nehmen schon seit Jahren an der Jagd teil. Viele melden sich in Gruppen an, um gemeinsam auf die Duven zu jagen. „Für uns ist die Taubenjagd hier oben Tradition“, erklären drei Münchener Jäger, die seit zehn Jahren mitjagen. Erfahren haben sie von der Taubenjagd von einem hiesigen Jagdfreund. „So eine Jagd wie diese, eine Gesellschaftsjagd auf Tauben, gibt es bei uns nicht. Und die Spende ist eine gute Sache.“

Der Kleine Münsterländer und Hundeobmann Martin Niemann sind eines von acht weiteren Gespannen aus Vorstehhunden, die für eventuelle Nachsuchen zur Verfügung stehen.

Für einen holländischen Flintenschützen ist Peheim gar zu einem zweiten Zuhause geworden. „Seit 2010 komme ich hierher, jage und spende gern und pflege die entstandenen Freundschaften.“ Ein Göttinger Jäger ist zum 11. Mal dabei, ihm liegen besonders die Spenden am Herzen, doch er freut sich auch über seine Taubenstrecken, die im Schnitt bei 15 Stück liegen.

Eine Jungjägerin aus der Wedemark ist zum ersten Mal dabei. Sie wurde vom Vater ihres Freundes angemeldet, der bereits seit sieben Jahren nach Peheim zur Taubenjagd reist. Mit wem man also spricht, die meisten sind Wiederholungstäter.

Klinken putzen für Spenden aus der Region

Die letzte Jagd erzielte eine Rekordsumme von rund 24.000 Euro. Dafür ging (und geht) Christof Rippe schon im Vorfeld der Jagd Klinken putzen bei örtlichen Unternehmen und Freunden. Auf der Webseite des Hegerings kann man sich auch unter „Freunde und Gönner“ eintragen lassen und regelmäßig spenden. Auf diese Weise kommt jährlich der Großteil der Spende zusammen.

Leere Patronenhülsen werden selbstverständlich eingesammelt und wieder mitgenommen.

Abends beim Schüsseltreiben gehen zwei Jägerinnen des Hegerings mit Eimern herum und sammeln die Spenden der Jäger ein. „Einen gibt‘s, der rollt sein Geld ganz fest auf Zigarettendicke zusammen und wickelt es in einen weißen Papierstreifen, auf den er einem Smiley malt. Seit fünf Jahren spendet er so ganz unauffällig mehrere Hundert Euro, letztes Jahr waren es sogar 900 Euro“, erzählen sie. Der großzügige Spender schmuggelt seine „Geldzigarette“ jedes Mal so geschickt in den Eimer, dass es den Damen niemals auffällt.

Streckelegen und Schüsseltreiben

Etwas eingefroren treffen die Schützen ab 17 Uhr nach und nach am Streckenplatz ein. Alle haben gute Laune, obwohl schnell klar ist, dass das Ergebnis unter dem Durchschnitt liegt: Neben drei Rabenkrähen liegen 320 Tauben auf der Strecke, wovon 54 bereits auf dem Weg in ein Hamburger Restaurant sind. Der Erlös der Tauben – ein Euro das Stück – geht ebenfalls an das Kinderhospiz.

Hegering Molbergen

Revierstruktur

Die bejagbare Fläche des Hegerings Molbergen beläuft sich auf etwa 7.000 Hektar. Die Tauben finden dort ideale Lebensbedingungen. In der Region wird viel Gemüse, Getreide und Mais angebaut und auch im Winter bieten Zwischenfrüchte Äsung. Auf den Ackerflächen stehen überall kleine Gehölze mit hohen Bäumen, in die die Tauben einfliegen.

„Die Zeiten mit Strecken wie in den Neunzigern sind vorbei. In den vergangenen Jahren lagen sie zwischen 500 und 700 Tauben“, bestätigt Rippe die Tendenz. Woran das liegt? „Schwer zu sagen, Vogelgrippe und andere Krankheiten werden sicherlich ein Grund sein“, meint er. Aber auch der Klimawandel trägt dazu bei, es wird nicht mehr kalt genug. Bei einem richtigen Kälteeinbruch machen sich auch die nordischen Tauben auf den Weg zu uns.

Das Schüsseltreiben findet mit Unterhaltung der Jagdhornbläsergruppe „Dwergte“ in der Gaststätte gegenüber des Streckenplatzes statt. Während der Schatzmeister die Spenden der Jäger auszählt, gibt der Jagdherr Jagdkönig, Vize-Jagdkönig und Vize-Vize-Jagdkönig bekannt. Die Königskette erhält dieses Mal mit 22 Tauben Martin Eberhard aus Oberath bei Köln. Er ist zusammen mit seinen Jagdfreunden zum vierten Mal dabei und erfuhr über seinen Hegering von dieser einmaligen Jagd.

Jagdherr Christof Rippe, Vize-König Christoph Weigt (17 Tauben), Jagdkönig Martin Eberhard (22 Tauben), Vize-Vize-König und Jungjäger Dennis Neu (1. Stück Wild) und Bürgermeister Witali Bastian, der im Namen der Gemeinde ebenfalls 500 Euro spendete (v. l.).

Anschließend verkündet Christof Rippe stolz eine neue Rekordsumme der Spendenjagd: 26.700 Euro wurden dieses Jahr eingesammelt, über 6.500 Euro davon kamen an diesem Tag durch die 300 Jäger zusammen. Auch Krieg und Krise können eben einem echten Jägerherzen nichts anhaben. Und die Jagd ist noch lange nicht vorbei: Immer eine Woche nach der Taubenjagd findet im Hegering Molbergen, der im Wiesenvogelschutzgebiet liegt, traditionell die „Revierübergreifende Baujagd“ statt.

Teilnahme

Wer auch bei der „Revierübergreifenden Taubenjagd“ mitjagen möchte, kann sich über die Webseite des Hegerings Molbergen bei Hegeringleiter Christof Rippe anmelden. Die Jagd findet jedes Jahr am Samstag nach dem 15. Januar statt.

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