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Zurückgeblättert

Vor dem Uhu

Auf der Jule: Früher kamen lebende Uhus bei der Hüttenjagd zum Einsatz, heute bewegliche Attrappen.

Bevor ich jeden Morgen zum Frühstück gehe, mache ich meinem Freunde Hans einen Besuch und bringe ihm mit, was ich ihm geschossen habe, eine Krähe, einen Häher oder eine Eichkatze, und schon von weitem begrüßt er mich mit einem zärtlichen „Uuhu, uuhu!“

Gestern bekam er etwas ganz Feines. Als ich unter dem Holze herschlich, sah ich zwei Krähen, die sich bei einem Brombeerbusche zu schaffen machten, und als ich hinging, fand ich zwei tote Junghäschen dort liegen und nahm sie für den Uhu mit.

Ich mag Krähen gern leiden, wie alles, was da kreucht und fleucht. Sie sehen so schön aus auf der grünen Saat oder unter dem angeröteten Abendhimmel, wenn sie laut quarrend ihren Schlafbäumen zustreichen. Aber es sind ihrer zuviel in dieser Jagd, und mehr als eine Untat, wie die gestrige, haben sie auch auf dem Gewissen.

„Komm’, Hans! Du sollst mir helfen, sie dafür zu strafen.“ Erst sträubt er sich zwar ein wenig, wie er in die Kiepe (norddt.: Rückentragekorb aus Weidengeflecht) soll, aber schließlich schlüpft er doch hinein. Ich hänge den Tragkorb über und gehe dem Felde zu. Es wird schön heute werden; die Luft ist weich und warm und nur einige weiße Wolken sind zu sehen. Es ist gerade das Wetter, wie ich es für die Hüttenjagd nötig habe.

Die schmale Hüttentür ist mit Schlehdorn benagelt und oben haöbmondförmig angeschnitten.

Die Hütte ist ein winziger alter Steinbruch, mit Brettern zugedeckt, worauf Rasen gelegt ist, der mit Schotter beworfen ist. Die schmale Tür ist mit Schlehdorn benagelt und oben halbmondförmig ausgeschnitten.

Vor ihr steht die Krakel, eine jüngere Eiche, die der Förster der meisten Äste beraubte. Ich hole den Uhu aus der Kiepe, hake die Führung in den Ring der Fußfessel und suche den Hüttenvogel an. Mit kurzem Aufschwung fußt er auf dem Trittholze. Schnell ist die Führung durch die Glasringe der Jule und die anderen, die an eingerammten Pfählen am Boden befestigt sind, geleitet, und nun sitze ich in der Hütte und warte, was da kommen soll.

Den gespannten Drilling habe ich in den Fäusten, die Flobertbüchse steht in Greifnähe neben mir, und der Handgriff der Führung hängt vor mir aus dem Loch in der Tür.

Der Auf ist heute faul; entweder hat er nicht ausgeschlafen, oder die beiden Junghasen und die Krähe von gestern müssen noch verdaut werden. Rund aufgeplustert hockt er da und scheint Lust zu haben, weiterzuschlafen. Ich lasse den Wutschrei der Krähe ertönen; sofort reißt er die Augen auf, macht sich lang und knappt mit dem Schnabel.

Ganz hinten vor der Ruine, kommen zwei Krähen angestrichen. Ich rucke an der Führung; Hans spreizt die Schwingen, um sich im Gleichgewicht zu halten, und wackelt hin und her. Die Krähen machen einen Bogen und rudern näher, gellend, plärrend. Hans dreht sich um, lüftet die Flügel, äugt ihnen scharf entgegen und ruft ihnen hohl sein „Uuhu!“ zu, sich etwas duckend, wie sie noch giftger quarrend auf ihn loshassen.

Die eine fällt im Feuer wie ein nasser Lappen herunter und rührt sich nicht mehr, die andere ist geflügelt und flattert am Boden umher. Mit dem Flobert gebe ich ihr den Rest.

Weitere Vögel hassen auf ihn

Hoffentlich geht es auch weiter so! Aber ein Sperberweibchen streicht vorbei, ohne sich um den Dickkopf zu kümmern, und der Turmfalke, der plötzlich über dem Uhu rüttelt und durchdringend kickert, bleibt mit dem Schusse verschont, der reizende Mäusejäger und Maikäfervertilger. Sogar Hans scheint das zu wissen; er wirft ihm kaum einen Blick zu.

Auch der Raubwürger, der erst ein Weilchen über ihm herumflattert und dann auf der Krakel fußt und ihn ankreischt, soll leben bleiben. Er ist so hübsch und nützt viel mehr, als er schadet, und dann wird er mir die Krähen heranlocken. Da quarrt es schon heran, und bumms, hat Hans einen Stoß weg. Unwillig schüttelt er den Kopf und knappt und faucht, und befriedigt äugt er nach der Krähe hin, die dicht vor ihm in den Schotter plumpst. Die andere fehlte ich leider.

Hans glotzt lange nach der Krähe hin; dann läßt er sich zu Boden fallen, greift sie und schwingt sich mit ihr wieder auf, um sie erst zu rupfen und dann langsam und bedächtig zu kröpfen. Doch kaum ist er damit zur Hälfte fertig, da macht er sich ganz lang und dünn und äugt in die Weite. Es wird der Bussard sein, denn naht ein Habicht, so fängt der Uhu an zu trippeln und spreizt die Fittiche.

Der Gabelweih (jägersprachlich für Rotmilan) ist es, der herrliche Flieger, der fast ausgerottet ist bei uns zu Lande, obschon er so schön ist und fast nur von Mäusen und anderem Unzeuge lebt. Kaum ist er in der Ferne entschwunden, da krächt es wieder, und vier Krähen sausen in wildem Wirbel um den Uhu vorbei, der ärgerlich faucht, weil er beim Kröpfen gestört wird.

Mir gelingt ein Doppelschuß. Aber die übriggebliebenen Krähen gehören entweder zu den ganz dummen oder der ganz frechen Art, denn sie fußen auf dem Krakel und schreien von da aus Mordio. Es knallt noch zweimal, und auch mit ihnen ist es aus …

Der rüttelnde Turmfalke ließ Uhu „Hans“ kalt.

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