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Jagderlebnisse der Redaktion

Auf, auf zum fröhlichen Jagen

Die Gummistiefel stehen parat, der Rucksack ist gepackt, die Jagdklamotten sind herausgelegt. Früh morgens darf man nicht viel Zeit verlieren. Denn es beginnt die Jagdzeit auf Rehwild. Einige Jäger gehen traditionell auf den Frühansitz. Doch ist es nicht alleine der Ansitz, der die Vorfreude steigen lässt.

Im Frühjahr erwacht die Natur aus ihrem Winterschlaf. Nun prägt ein saftiges Grün die Landschaft. Bäume und Sträucher treiben aus. Das Gras auf den Wiesen wächst. Die ersten Blumen blühen und setzen farbige Akzente. Das Gezwitscher der Vögel begleitet das Ganze. Mit viel Glück kann man bereits die ersten gesetzten Kitze oder eine Bache mit Frischlingen beobachten.

Welche Erlebnisse das Team des Niedersächsischen Jägers in den ersten Wochen der Rehwildjagd gemacht hat, ob die Kolleginnen und Kollegen Waidmannsheil hatten, berichten diese auf den folgenden Seiten. Daneben schildert auch eine Jagdscheinanwärterin ihre Erfahrungen ihres ersten Maiansitzes in Begleitung des Chefredakteurs.

Borstiges Waidmannsheil

Maibock kann ja jede(r)

Traditionell nehme ich am 1. Mai an einer Weinwanderung in Niederösterreich teil. Dieses Jahr hat sich mir wegen Corona die Frage „Wein oder Wild?“ nicht gestellt. So sehnte ich den Wonnemonat herbei. Seit Tagen verfolgte ich das Wetter, überprüfte die Windrichtungen und schwankte mit meiner Entscheidung zwischen zwei Kanzeln, die beide für einen Morgenansitz geeignet wären. An beiden Stellen hatte ich, dank ausgiebiger Reviergänge, passende Böcke bestätigt. Und auch das ein oder andere Schmalreh. Die Revierarbeiten waren erledigt: Hochsitze und Kanzeln sind kontrolliert und freigeschnitten, die Waffe ist eingeschossen, das Glas geputzt und die Jagdkleidung zurechtgelegt. Alles war bereit für den Aufgang der Bockjagd.

Noch bevor der Wecker klingelte, war ich raus aus den Federn. Fix angezogen, rein ins Auto und ab ins Revier. Dank des gefegten Pirschwegs kam ich lautlos zur ausgewählten Kanzel. Ich richtete mich noch in der Dunkelheit ein. Die erste Stunde war es mucksmäuschenstill. Wie immer begannen die Rotschwänzchen mit ihrem Gesang, dicht gefolgt von Amsel und Kuckuck. Ein Fuchs schnürte vorbei.

Mit einsetzender Morgendämmerung war es noch einmal kalt geworden, doch meine Sinne waren bis aufs Äußerste konzentriert. Ganz deutlich zog etwas in meine Richtung. Mein Maibock schien nur noch wenige Meter entfernt zu sein, dachte ich. Ich machte mich vorsichtig bereit – und ging zumindest mit dem Fernglas in Anschlag, um das Stück ansprechen zu können. Dann kam der Langersehnte endlich aus den Brombeeren und mir wurde klar: „Das mit dem Maibock wird heute wohl nichts.“

Anstatt eines Bocks, streckte ich mein erstes Stück Schwarzwild.

Jetzt musste es schnell gehen. Ich atmete tief durch, ging in den Anschlag und ließ die Kugel fliegen. Ein Überläufer lag im Knall. Ich blieb auf meinem Hochsitz einige Minuten sitzen, schloss kurz die Augen und genoss den fortgeschrittenen Sonnenaufgang. Das ist Jagd! Man kann eben nicht alles planen – und genau das macht den Reiz aus. Ich freute mich wahnsinnig über mein erlegtes Stück. Es war mein erstes Stück Schwarzwild. 

Stefanie Wagner

Heide-Bock

Gemeinsam erfolgreich

Schon immer konnte ich mich mehr über die Jagderfolge meiner Mitjägerinnen und Mitjäger erfreuen, als über die meinigen. Vor allem, wenn man mit engen Freunden oder Familienmitgliedern waidwerken darf. Dieses Mal durfte ich meinen Schwager Nicolai auf seinen ersten Rehbock in der Lüneburger Heide führen. Die Freigabe vom Jagdherrn Christian Teppe war wie immer sehr großzügig: „Du kannst erlegen, woran Du Freude hast.“ Und so zogen wir los.

Abgesetzt hatte ich Nicolai an einer kleinen Wiese, an die ein großer Erlenbruch und auf der anderen Seite weite Feldflur anschließt. An diesem Platz tritt so gut wie immer Rehwild aus. Die Abende zuvor hatten Christian und ich beim Pirschen in diesem Revierteil einige unterschiedlich starke Böcke bestätigt. Nach einem letzten Regenguss an diesem Abend standen die Chancen sehr gut, dass es zumindest mit ausreichend Anblick klappen sollte.

Kurz vor Ende des Büchsenlichts dann die „erlösende“ Nachricht vom Schwager: „Habe Bock beschossen. Deutlich gezeichnet, aber noch in den Bestand abgesprungen“, so die knappe Information. Sofort begab ich mich auf den Weg, das Jagdfieber hatte jetzt auch mich gepackt. Nicolai wartete brav am Anschuss.

Nach erster Begutachtung war sofort klar, dass der Bock tödlich getroffen sein muss: reichlich Lungenschweiß. Eine perfekte Übung für den jungen Drahthaar-Rüden „Kuno“, der uns souverän nach etwa 50 Gängen zum Stück brachte. Der Gehörnte hatte die Kugel Tiefblatt, wie wir schon vermutet hatten.

Nico mit „Kuno“ und seinem wohl mehr als vierjährigen Sechser.

Voller Freude und nicht weniger Stolz durfte ich Nicolai mit „Bock tot“ zu mir und dem Vierbeiner rufen. Gemeinsam wurde geborgen, aufgebrochen und versorgt, ehe es zum gemütlichen Teil überging.

Was dann folgte, können Sie sich, lieber Leserinnen und Leser, vermutlich denken. Vor allem, wenn man dazu noch weiß, dass nicht nur das Tottrinken waidgerecht zelebriert werden wollte, sondern auch noch, weil es den gemeinsamen Vatertag, Nicolais Geburtstag und sein erfolgreich abgeschlossenes Medizinstudium zu würdigen galt. Nochmals ein kräftiges und umso herzlicheres Waidmannsheil zu diesem braven Bock aus der Heide, lieber Nico.

Benedikt Schwenen

Gemeinsam auf Jagd

Ein lehrreicher Ansitz

Da war er nun – der Mai. Voller Spannung erwartet, denn dieser Monat sollte endlich wieder mit Praxisunterrichtsstunden gefüllt sein. Wer will schon meckern, wenn er den Chefredakteur als Jagdprinzen hat. Der Nachmittag schien ewig. Ob es der Nervosität geschuldet war, da es abends mit dem Chef auf Ansitz gehen sollte? Der Blick aus dem Fenster machte jeden Landwirt froh. Die Jagdschülerin in mir haderte jedoch. Genug Klamotten für die Arbeitswoche bei norddeutschem Wetter hatte ich wohlweislich dabei.

„Mohrinski, Rechner aus. In zehn Minuten ist Abfahrt!“, kam das Kommando aus dem Nebenzimmer. Fix schlüpfte ich in meine Gummistiefel – diese niedersächsische Lebenseinstellung hatte ich inzwischen verinnerlicht – und zog einen Bundeswehrparka vom Chef an.

„Was bist Du so still?“, fragte Benedikt während der Fahrt ins Revier, „Angst vorm Aufbrechen?“. Ich schwieg. „Was ist, wenn ich noch mal …“, setzte ich an. „Dann hältst Du den Hintern ins Gebüsch. Aber mit dem Wind“, lautete lachend die Antwort.

Lehrprinz und Jagdschülerin auf dem gemeinsamen Maiansitz.

Am Hochsitz im wendländischen Niedersachsen angekommen richtete sich mein Lehrmeister ein, während ich zufrieden und dankbar den Anblick genoss. „Sag an“, kopfnickend nach vorn, wurde mir signalisiert, wohin ich meine Aufmerksamkeit richten sollte. „Reh, weiblich“, antwortete ich. „Und?“, hakte Benedikt nach. Unsicher sagte ich: „Eine tragende Geiß“. „Eine was?“, fragte er bestimmend. „Das Schmalreh steht aber eng bei der beschlagenen Ricke“, verfeinerte ich meine Aussage. Ricke und Schmalreh waren nervös, wechselten mehrmals ein und aus. War es der Bock, der hinter der Hecke zog? Oder die nahe Bundesstraße?

Eine für das Geheck beutesuchende Fähe zog mich anschließend in ihren Bann, dass ich gar nicht bemerkte, wie dunkel es inzwischen geworden war. Zeit zum Abbaumen. Meine Frage, warum das Rehwild so schreckhaft war, wurde mir wie folgt beantwortet: „Wenn der Wind jagt, soll der Jäger zuhause bleiben.“ Eine Jägerweisheit, die mir einen einprägsamen Maiabend beschert hat.

Manja Mohrinski

Waldbock

In der Fichtendickung

Der 1. Mai schien mir nicht gewogen. Immer wieder hatte ich mir an diesem besonderen Datum schon den Hintern platt gesessen. Morgens und abends. Das Ergebnis war aber immer das gleiche: Nichts. Entweder hatte ich gar keinen Anblick, oder das Böcklein drehte mir wie zum Hohn nur den Spiegel zu. Trotzdem wollte ich die erneute Einladung zum Ansitz im Forst am 1. Mai nicht verstreichen lassen.

Den Sitz, eine hohe Kanzel an einer Rückegasse mit Salzlecke hatte mir der Förster bereits am Vortag gezeigt. Also bezog ich den Ansitz am nächsten Morgen mit wenig Hoffnung. Doch schon kurz nachdem ich mich eingerichtet hatte, zeigte sich die erste Bewegung. Eine Ricke, eindeutig hochbeschlagen. Das Stück machte einen sehr unbekümmerten Eindruck und tat sich längere Zeit an der Salzlecke gütlich. Selbst als mir durch eine unbedachte Bewegung mein Fernglas (ein Erbstück) auf den Kanzelboden krachte, zeigte sie sich unbeeindruckt. Ganz im Gegensatz zum Glas. Dieses war anschließend nicht mehr zu gebrauchen.

Mit dem Förster hatte ich abgemacht, am Morgen nicht zu lange sitzen zu bleiben und es im Zweifelsfall lieber am Abend noch einmal zu versuchen. Kurz vor 7 Uhr ein letzter Kontrollblick, bevor ich meinen Rucksack zusammenpacken wollte. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich eine Bewegung. Am Rand der Rückegasse schob sich ein Stück Rehwild aus der Buchendickung.

Selbst ohne mein kaputtes Fernglas erkannte ich die Stangen zwischen den Lauschern. Der Blick durchs Zielfernrohr bestätigte dies. Die Freigabe war großzügig und so zögerte ich nicht lange. Der Bock zeichnete deutlich, verschwand aber mit einigen Sätzen in der Fichtendickung auf der anderen Seite der Gasse.

Der Maibock hat seinen Platz an der Wohnzimmerwand gefunden.

Der herbeigerufene Förster ließ sich von mir zum Anschuss einweisen, fand dort aber bis auf Schnitthaar zunächst nichts. Also blieb uns nichts übrig, als ein Nachsuchengespann anzufordern.

Der erfahrene Hund hatte später keine Mühe damit, den Bock nur etwa 20 Meter in den Fichten aufzuspüren. Ob wir ihn ohne den Bayerischen Gebirgsschweißhund gefunden hätten? Die Dickung erwies ihrem Namen alle Ehre. Erleichtert nahm ich mir vor, dem nächsten 1. Mai unvoreingenommener entgegenzutreten.

Sascha Bahlinger

Im Frühjahr kann man – mit Bedacht – auch auf Überläufer jagen.

Sauenalarm vom Landwirt

Das Schweinchen auf dem Acker

Mein Maierlebnis begann mit einem Anruf vom Landwirt und etwas Pech von meinem Vater – aber der Reihe nach. Am Nachmittag meldete sich ein bekannter Landwirt: Er habe in den vergangenen Tagen immer wieder Sauen gesehen, u.a. auch in unserem Revier, wo die unsteten Schwarzkittel mal da und dann wieder länger weg sind. Nun habe er dort gerade frischen Mais gelegt und einfach so ein Gefühl und nunja, ob wir den Acker nicht mal „bewachen“ könnten?

Also nach dem Abendessen gemütlich richten – Sauen sind ja später dran – und ab ins Revier. Wenn da der Bauer so eine Ahnung hat, kann das ja auf keinen Fall schaden! Ich hatte mich gedanklich schon auf einen längeren Ansitz eingestellt und noch plaudernd hängten sich Vater und ich am Auto die Ausrüstung um.

Ein paar Schritte weiter war ein guter Platz, um einmal die Felder abzuglasen – zu unserer großen Überraschung waren bereits dunkle Klumpen auf dem Acker. Und das auch noch genau an beschriebener Stelle!

Die Sauen konnten es offensichtlich gar nicht erwarten, an die frisch vergrabenen Leckerbissen zu gelangen. Ab hier ging alles nur noch im flüsternden Zischton. Es wurde vereinbart, der Vater sollte sich dicht am Boden in eine bessere Schussposition heranarbeiten, ich dicht dahinter beobachten. Gesagt, getan. Doch so richtig waren die Schwarzkittel nicht in die Optik zu kriegen und kurz darauf verschwand die Rotte, ohne besondere Störung, vorerst wieder im Wald.

Das Aufbrechen ging am neuen Aufbrechgalgen fix von der Hand.

Wir vereinbarten, dass ich mich auf eine nahe Kanzel setze, mein Vater würde auf der anderen Seite des Wäldchens Ausschau halten. Und tatsächlich: Nach kaum zehn Minuten zog die Rotte wieder auf den Acker. Nun war es an mir, aus den durcheinander laufenden Schwarzkitteln eine Wutz ins Visier zu bekommen.

Endlich stand eine auf knapp 90 Meter frei von den anderen und ich konnte die 7x65R fliegen lassen. Großes Getrappel und leere Platte – bis auf den kleinen dunklen Fleck an Ort und Stelle, wodurch sich bei mir sofort Beruhigung und Freude einstellten. Das Aufbrechen ging am nur Tage zuvor neu gebauten Aufbrechbock bestens von der Hand. Ein toller Start in das Jagdjahr.

Christian Liehner

Zeit für etwas Neues

Andere Perspektive

Feierabend! Ich schloss meinen Laptop. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich noch genügend Zeit hatte. Zeit, um etwas Neues auszuprobieren. Seit Längerem besitze ich einen Klettersitz, hatte diesen bislang jedoch nicht ausprobiert. Eine Lärche mit dicker Borke war nun mein Ziel. Rechts von ihr ist eine kleine Freifläche entstanden. Ein Hochwald mit Fichtenverjüngung zur Linken. „Hier muss doch ein Reh durchwechseln“, dachte ich, während ich meine Ausrüstung wie ein Packesel zum Baum trug.

Nachdem ich das Fuß- und Sitzteil am Stamm angebracht hatte, kletterte ich diesen entlang – oder versuchte es zumindest. Meter für Meter kämpfte ich mich hinauf. „Wahnsinn! Das ist eine völlig neue Perspektive“, dachte ich mir. Mein Blick schweifte quer durch den Wald. „Aber, ob nach der Aktion noch was austritt?“ Meine Kletterversuche waren doch etwas lauter als zuerst gedacht.

Die Zeit verging, Wild kam nicht in Anblick. Doch dann – ein lautes Krachen hinter mir. „Was war denn das?“, schoss es mir durch den Kopf. Das Knacken passte nicht zu dem Geräusch, welches Rehwild beim Anwechseln verursacht. Dieses war deutlich kraftvoller. Vorsichtig versuchte ich über meine rechte Schulter zu blicken.

Dort – ein einzelnes Stück Rotwild. Vorsichtig änderte ich meine Position. Mit dem Gewehr im Anschlag sprach ich das Stück mithilfe des Zielfernrohrs als Schmalspießer an. Dieser äste an einem frisch abgebrochenen Ebereschen-Ast.

Die Freude über den gefundenen Schmalspießer war groß.

Da ich auf einjährige Stücke Rotwild bereits im Mai waidwerken durfte, wartete ich auf einen passenden Moment. Ein Schussknall in weiter Entfernung ließ den Spießer mit hohem Haupt verhoffen – Schuss. Er zeichnete deutlich und flüchtete in den angrenzenden Bestand.

Da ich nur die Eingriffe am Anschuss fand, kontrollierte ich diesen mit unserer Bayerischen Gebirgsschweißhündin „Jana“. Sie verwies wenige Meter weiter Lungenschweiß. Also ließ ich sie die restliche Fährte ausarbeiten. Am gefundenen Stück war die Freude groß. Meinen ersten Klettersitz-Ansitz beendete ich doch noch mit einem Waidmannsheil.

Eva Grun

Die ersten warmen Sonnenstrahlen begleiten die Ansitze im Mai.

Gemeinsame Zeit

Zusammen unterwegs

Meine Schwester hat eine Blume an der Jacke. Keine Rose wie bei einem schmierigen Gigolo. Eine vom Hasen, als Erinnerung an ihr erstes erlegtes Stück Wild. Mehr Blumen oder Gehörne von ihr hängen weder an Hemd oder Wand, weil mehr hat Sie bisher nicht erlegt. Als Sie Ende Mai fragte: „Kann ich mitkommen?“, war die Freude deswegen bei mir groß: Unser erster gemeinsamer Ansitz. Wenn ich es richtig mache, ist vielleicht bald ihr Finger am Abzug der Büchse genauso zuhause wie an dem ihrer Flinte. Gegen Abend huschte ich aufgeregt hin und her und kratzte meine Ausrüstung zusammen.

Ziel war ein schwacher Bock in der Jugendklasse. Als wir uns gerade auf dem Hochsitz an der Buschbürste eingerichtet hatten, mussten wir auch schon wieder runter. Der passende Bock äste 300 Meter weiter, parallel zu einer Reihe Schwarzpappeln. Ein Siel trennte uns, deswegen blieb nur die Kriecherei.

Pirschen in der Wesermarsch ist Bodensport. Als wir an der Reihe Schwarzpappeln angekommen sind, trennten uns noch 150 Meter zum Bock. Machbar, aber ich zauderte. Dieser Bock sollte todsicher liegen.

Plötzlich wechselte ein Jungfuchs an. Ich hob den Bergstutzen aus dem Schießstock und lobte mich innerlich selbst für den Kauf. So ein .22 WMR Lauf hat doch seine Funktion. Als der Jungfuchs sein Haupt hob, drückte ich ab – und erlegte den Boden vor dem Fuchs. Der Bock ignorierte den Knall und äste weiter. Die Sonne ging unter, wir standen noch immer unter den Schwarzpappeln. Dann war es meiner Schwester zu viel: „Schießt du auch mal?“, zischte sie mir ins Ohr. Ich hatte keine Ausrede mehr für mein Zögern.

Der Rehbock stand auf 300 m, eine spannende Pirsch sollte folgen.

Als der Bock breit stand, drückte ich wieder ab. Er zeichnete und brach in sich zusammen. Am Bock fragte ich meine Schwester begeistert: „Der Hammer, oder? So eine Pirsch?“ Sie nickt. Zurück am Auto sagte sie mir: „Ich bleibe bei der Flinte, aber im Sommer bin ich wieder mit dabei.“

Erst war ich traurig. Aber dann wurde mir klar, dass die Jagd nur Nebensache für Sie war – es ging um die gemeinsame Zeit. Ich weiß, ein elender Standardsatz säuselnder Jagdbelletristik. Aber glauben Sie mir: Es fühlt sich gut an, den Standard selbst zu erleben.

Fokko Kleihauer

Kalte Füße

Die erste Beute

Verpennt! Eilig springen Ferdi und ich aus dem Bett und rein in die Jagdklamotten. Um 5.27 Uhr erklimmen wir trotz Büchsenlicht ungesehen die Hochsitzleiter. Die Atmosphäre ist friedlich, nichts zu sehen. Nach einer Weile bemerke ich Ferdinands vorwurfsvollen Blick. Mist, ich habe seine Decke im Auto vergessen. Die beschauliche Stimmung ist in ernster Gefahr. Ich beschwöre ihn flüsternd, erkläre ihm den Trick mit dem Zehenbewegen in den (ungefütterten – Rabenmutter, ich weiß!) Gummistiefeln und nach einer Weile wird sein Kopf schwer auf meinem Schoß.

Mit meinem Kind im Arm genieße ich die um mich herum erwachende Natur. Da tritt unverhofft ein Schmalreh auf 20 Meter aus der Hecke auf die Gerste aus. Jetzt aber schnell – und leise! Das Stück äugt trotz gutem Wind misstrauisch zu uns hoch. Vorsichtig wecke ich meinen Sohn und erläutere ihm flüsternd die Situation. Aus dem Schlaf gerissen handelt Ferdi dennoch sofort wie besprochen. Er macht mir Platz, presst die Finger in die Ohren und hält mucksmäuschenstill.

Ich habe das Schmalreh im Glas, doch kurz vorm Abdrücken trollt es los. Da pfeife ich leise, das Reh rammt die Schalen in die Fahrgasse und wirft auf: Allerletzte Chance! Ich komme sauber ab. Das Schmalreh knickt ein, wirft sich um 180 Grad herum und ich sehe den hellroten Ausschuss kurz hinterm Blatt.

Nachdenklich legt Ferdinand seine Hand auf das Haupt des Rehs.

Ich repetiere, sichere und gebe Ferdi ein Zeichen. Der nimmt die klammen Finger aus den Ohren und blickt mich strahlend an. „Wir haben ein Reh geschossen“, jubelt er. Unser erstes gemeinsames. Ich kann ihn nicht ganz die obligatorische „Zigarettenlänge“ auf dem Hochsitz halten. Schon flitzt er, flink wie ein Wiesel, die Leiter hinunter und erreicht das verendete Stück wenige Sekunden später.

Er blickt zu mir zurück und streckt seinen Daumen in die Höhe. Schön. Ich entlade, packe zusammen und gehe ihm nach. Am Stück angekommen, kann ich ihn nun doch zu einem Moment der Stille ermahnen und wir genießen die Morgensonne, das Vogelgezwitscher und unsere Beute. Zuhause stoßen wir mit Kaffee und Kakao an – natürlich mit links.

Helena von Hardenberg

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