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Biogasanlagen droht die Insolvenz

Dunkle Wolken über der Biogasanlage: Pläne zur Erlösabschöpfung sorgen für schlechte Stimmung in der Biogasbranche. Über die Höhe wird immer noch diskutiert und gestritten.

Die Bundesregierung hat nach den Plänen der EU-Kommission ihre Vorschläge für eine Abschöpfung von Strommarkterlösen vorgelegt, die insbesondere Biogasanlagen hart treffen würde. Im Gegensatz zu den im Oktober bekannt gewordenen Überlegungen des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK) wird die Höhe der Obergrenze, ab der ein Bioenergieanlagenbetreiber nahezu alle aus der Stromproduktion erzielten Erlöse abgeben muss, offengelassen.

Eine rückwirkende Abschöpfung ist jedoch weiterhin vorgesehen. Das Bundeswirtschaftsministerium entfernt sich bei der rückwirkenden Abschöpfung von Zufallsgewinnen von seinen ursprünglichen Plänen. Die Zufallsgewinne der Stromerzeuger sollen nun erst ab November abgeschöpft werden. Das geht aus einem acht Seiten umfassenden Konzept des Ministeriums hervor, das dem „Handelsblatt“ vorliegt.

Heftige Branchenkritik

Nach einem ersten Konzept des Ministeriums, das Mitte Oktober publik geworden war, sollte die Rückwirkung ab März 2022 gelten. Später war dann von September die Rede. Die Branche übt seit Wochen heftige Kritik an der geplanten Abschöpfung, insbesondere an der Rückwirkung. Den aktuellen Überlegungen zufolge soll die Abschöpfung von Zufallsgewinnen über eine technologiespezifische Erlösobergrenze erfolgen. Das Eckpunktepapier spricht insoweit von einem sog. „Treppenansatz“.

Zusätzliche Sicherheitszuschläge sollen dazu beitragen, unbillige Härten zu vermeiden. Anders als in der EU-Notfall-Verordnung (EU) 2022/1854 vorgesehen, soll es damit nach dem Willen der Regierung keine allgemeingültige Obergrenze von 180 Euro je MWh geben. Damit drängt sich die Frage auf, ob die vorgesehene technologiespezifische Umsetzung überhaupt europarechtskonform wäre.

Zur konkreten Höhe sowohl der technologiespezifischen Obergrenzen wie auch der Sicherheitszuschläge schweigt das Eckpunktepapier derzeit. Soweit aus der Presse bekannt, gingen die internen konzeptionellen Überlegungen zunächst von einem Sicherheitszuschlag von 3 ct/kWh aus. Die technologiespezifische Obergrenze sollte bei geförderten EE-Anlagen dem anzulegenden Wert entsprechen. Hierzu scheint es jedoch regierungsintern bislang keine Einigung zu geben.

Von den Erlösen, die oberhalb der berechneten Abschöpfungsbeträge liegen, sollen 90 Prozent abgeschöpft werden. Die restlichen zehn Prozent sollen beim Erzeuger verbleiben, damit dieser einen Anreiz erhält, den Strom trotz Erlösabschöpfung möglichst gewinnbringend zu vermarkten.

In Zeiten mit niedrigen Preisen an der Strombörse kann das Biogas auf der Anlage dann zwischengespeichert werden.

Fast alle sind betroffen

Betroffen hiervon sind, neben Kernenergie, Braunkohle, Mineralöl und Abfall, grundsätzlich alle Erneuerbaren Energien. Als Ausnahmen nennt das Eckpunktepapier lediglich Biomethan und „Sondergase“. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand wird man daher wohl davon ausgehen müssen, dass auch Biogasanlagen, trotz ihrer besonderen Kostenstruktur – von der Abschöpfung betroffen sind.

Viele Anlagenbetreiber haben in große Gasspeicher investiert, um ihre Anlage dann flexibel fahren zu können.

„Unter den aktuell diskutierten Vorgaben ist es für Betreiber von Biogasanlagen ökonomisch sinnvoller, keinen Strom zu erzeugen“, brachte es der Präsident des Fachverbandes Biogas, Horst Seide, bei der digitalen Pressekonferenz zum Start der Biogastagung auf den Punkt.

Denn neben der allgemeinen Inflation sind in diesem Jahr auch die Substratpreise gestiegen und damit die Kosten für die Stromproduktion.

Über die Details verhandeln die beteiligten Kreise derzeit intensiv hinter den Kulissen. Nach Planungen der Regierung soll ein darauf basierendes Strompreisbremsgesetz noch im November 2022 vom Kabinett beschlossen werden und schon wenige Tage später in das parlamentarische Verfahren gehen, sodass noch vor Weihnachten der Beschluss im Bundesrat erfolgen kann.

Sandra Rostek, Leiterin des Hauptstadtbüro Bioenergie, kommentiert: „Die Vorschläge der Bundesregierung lassen die entscheidende Frage offen: Wie viel der Strommarkterlöse darf ein Anlagenbetreiber behalten? In den vergangenen Jahren sind die Kosten für technische Komponenten und Betriebsstoffe stark gestiegen und insbesondere seit Beginn des Ukrainekriegs kam es zu weiteren starken Preissteigerungen bei landwirtschaftlichen Rohstoffen und Holz.“

Bei den BMWK-Überlegungen wäre absehbar, dass die meisten Anlagen ihre gestiegenen Kosten nicht mehr decken könnten und ihre Stromerzeugung deutlich zurückfahren oder sogar den Betrieb vollständig einstellen würden. „Damit würden gerade im kommenden Winter große Mengen des so dringend benötigten erneuerbaren Stroms und Wärme fehlen. Dass die Frage nach der Höhe der Obergrenze offengelassen wird, zeigt, dass die Bundesregierung sich in diesem Punkt nicht angreifbar machen möchte, aber nicht, dass der Bioenergiebranche die nötige Luft zum Atmen gelassen wird“, kritisiert sie. Die Stromerzeugung aus Biomasse müsse deshalb vollständig von der Erlösabschöpfung ausgenommen werden.

Daneben dürfe es auf keinen Fall zu einer rückwirkenden Abschöpfung von Erlösen kommen. Viele Anlagenbetreiber hätten die gestiegenen Erlöse bereits reinvestiert bzw. zur Deckung gestiegener Betriebs- und Einsatzstoffkosten ausgegeben. Eine Rückwirkung wäre ein Vertrauensbruch erster Güte und würde die Investitionsbereitschaft der Bioenergiebranche für Jahre beeinträchtigen, die Energiewende würde noch weiter ins Stocken geraten.

Bereits die Ankündigung einer rückwirkenden Abschöpfung im Oktober hat nach einer Umfrage des Fachverband Biogas e.V. dazu geführt, dass allein in der Biogasbranche Aufträge mit einem Investitionsvolumen von rund 400 Mio. Euro eingefroren oder ganz storniert wurden und für 2023 geplante Investitionen in Höhe von mindestens 500 Mio. Euro neu überdacht werden.

Übergewinnsteuer?

Auch der Ansatz, 90 Prozent aller Erlöse abzuschöpfen, die Anlagen durch eine flexible Fahrweise zusätzlich erzielen können, sei aus energiewirtschaftlicher Sicht völlig kontraproduktiv und unsinnig. Es seien jene Preisanreize, die die Verlagerung von Strom- und Wärmeerzeugung auf Stunden anreizen, in denen sonst Erdgasturbinen betrieben werden müssen. „Jede flexibel eingespeiste Kilowattstunde senkt direkt den Bedarf an fossilen Alternativen und vor allem den Verbrauch von teurem Erdgas“, betont Rostek.

Als Alternative zur Erlösabschöpfung schlägt der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) eine Übergewinnsteuer für erneuerbare Energien vor. Ein bei der Kanzlei Raue in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten kommt zu dem Ergebnis, dass das mit geltendem EU-Recht vereinbar wäre. „Eine Steuer ist die gerechtere und auch deutlich einfachere Lösung. Sie wäre auch das wesentlich effizientere Instrument zur kurzfristigen Beschaffung von Finanzmitteln als die bisher vorgesehenen hochkomplexen, überbürokratischen Planungen zur Strompreisbremse”, kommentiert BEE-Präsidentin Dr. Simone Peter.

Der BEE appelliert an den Gesetzgeber, jetzt den Empfehlungen des Gutachtens zu folgen und die Regelung zur Übergewinnabschöpfung effizient und verfassungskonform zu gestalten. „Was für Mineralölkonzerne auf EU-Ebene als Solidaritätsbeitrag vorgesehen ist, kann auch für erneuerbare Energien umgesetzt werden. Sie wären dann nicht schlechter gestellt“, so Peter.

FAZIT

  • Unter den aktuell diskutierten Vorgaben ist es für Betreiber von Biogasanlagen ökonomisch sinnvoller, keinen Strom zu erzeugen, so Horst Seide, Präsident des Fachverbandes Biogas.
  • Es darf auf keinen Fall zu einer rückwirkenden Abschöpfung von Erlösen kommen.
  • Als Alternative zur Erlösabschöpfung schlägt der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) eine Übergewinnsteuer für erneuerbare Energien vor.

    Gaul
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