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AUS DER PRAXIS

Technik im Stall, wo immer es geht

Familie Maatmann und Team (v. li.): Azubi Laurenz Leloux, Mitarbeiter Robin Timmerhuis, Jannes, Gerald, Hilke und Henrik Maatmann, Mirko Pazdera, Jürgen Walkotte, Gerda, Jan und Enno Maatmann.

Der Landwirt dreht den Wasserhahn auf, um das Kälbertaxi zu befüllen. In den zehn Minuten Wartezeit macht er schnell etwas anderes – und plötzlich sind 20 Minuten vorbei und 100 Liter Wasser weg. Er vergisst, nach einer Behandlung das Fressgitter zu öffnen und die Kuh steht die ganze Nacht am Futtertisch und kann weder liegen noch zum Melkroboter. Mitarbeiterin A denkt, dass Mitarbeiter B die Kälber gefüttert hat und umgekehrt, während die Kälber einen halben Tag fasten.

So oder so ähnlich ist es wahrscheinlich jeder Landwirtin und jedem Landwirt schon ergangen. Für Gerald Maatmann sind solche Erlebnisse oft Auslöser für eine neue Idee. „Wenn wir auf ein Problem stoßen oder sehen, dass wir irgendwo zu viel Zeit brauchen, suchen wir eine technische Lösung“, erzählt der Milchviehhalter aus Osterwald in der Grafschaft Bentheim. Wenn er anfängt, alle technischen Hilfsmittel auf seinem Hof zu zeigen, ist man eine ganze Weile unterwegs und entdeckt in fast jeder Ecke des Betriebes ein Beispiel dafür, wie Technik die tägliche Arbeit erleichtern und Fehler vermeiden kann.

Für jedes Problem eine technische Lösung

Die oben beschriebenen Pannen sind in Maatmanns Stall Geschichte: Hier gibt es eine programmierbare Steuerung am Wassereinfluss für das Kälbertaxi. Über eine Speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) lässt sich der Wassereinfluss starten und die Wassermenge einstellen, bei der der Wasserfluss automatisch endet. Über je einen Schalter kann Maatmann fünf Liter Wasser addieren oder das Wasser abstellen. Nach dem gleichen Schema nutzt er eine SPS, um die Pflanzenschutzspritze zu befüllen oder den Wassereinlauf in den Futtermischwagen zu steuern.

Der Wassereinfluss für das Kälbertaxi wird über eine SPS gesteuert: Über Schalter lässt sich der Wasserfluss starten und die Menge einstellen, bei der der Wasserfluss automatisch endet.

Die Fressgitter sind mit Sensoren ausgestattet. Ist ein Gitter länger als 45 Minuten geschlossen, erhält Maatmann eine Push-Nachricht aufs Handy.

Vergessene Arbeitsschritte gibt es dank einer weiteren Idee ebenfalls kaum noch: Vor rund zwei Jahren hat der Landwirt einige Drucktaster für erledigte Arbeiten installiert. An verschiedenen Stellen im Betrieb, zum Beispiel an den Tränkeautomaten oder für die Boxenpflege, gibt es Schalter mit einer roten Lampe, die alle acht Stunden beginnt, rot zu leuchten. Ist die entsprechende Arbeit erledigt, wird der Schalter gedrückt und das Licht geht aus. Leuchtet das Licht mehr als neun Stunden, beginnt es zu blinken. Die Lichter sind so positioniert, dass man beim Gang über den Hof sieht, was noch ansteht oder vergessen wurde. Programmiert hat Maatmann sie über Arduino, eine Entwicklerplatine, für die man dem jungen Landwirt zufolge relativ unkompliziert Programme schreiben kann.

Verschiedene Drucktaster zeigen, ob Arbeiten erledigt wurden: Die Lampe beginnt alle acht Stunden zu leuchten. Ist die Arbeit erledigt, wird der Schalter gedrückt und das Licht geht aus.

Verschwundene oder unleserliche Zettel gibt es auf seinem Betrieb ebenfalls nicht mehr. Stattdessen führt der Weg zum Milchviehstall an einem Laufschriftdisplay vor dem Jungviehstall vorbei. Hier laufen zum Beispiel die Nummern der brünstigen Tiere durch, um den Besamungstechniker zu informieren, der die Erstbesamungen übernimmt, oder, damit die Lehrlinge wissen, welche Tiere sie zum Besamen fixieren sollen. Das Display ist an einen Entwicklungsplatinencomputer angeschlossen. Der Lauftext wird am Smartphone eingegeben und per WLAN auf das Display übertragen.

Keine Angst vor Technik oder dem Lötkolben

Maatmann war schon immer technikbegeistert und hat selbst viel an technischen Lösungen gebastelt. „Wir haben hier keine Angst vor Technik oder vor einem Lötkolben“, betont er. Dementsprechend erweitert er die Lösungen in seinem Stall permanent – „immer, wenn etwas stört.“ Viele Ideen hat er gemeinsam mit seinem Freund Mirko Pazdera umgesetzt, der an der Berufsschule Nordhorn Mechatronik unterrichtet. Pazdera kommt einmal im Jahr mit seiner Klasse auf den Betrieb, um die Melkroboter und die selbstprogrammierten Lösungen im praktischen Einsatz zu zeigen.

Der Milchviehstall als Smart Home für Kühe

„Das sind alles Lösungen, die man leider nicht von der Stange bekommt“, schildert Maatmann. „Oft sind es Kleinigkeiten, aber in Summe spart das enorm viel Zeit.“ Auch die gesamte Stalltechnik steuert er über eine Eigenbaulösung: Er nutzt seit rund zehn Jahren ein Smart Home-System, dessen Funktionen er kontinuierlich erweitert hat. Das gleiche System hatte er zuvor für sein Wohnhaus angeschafft und dazu einen Einführungskurs belegt, ergänzt durch Youtube-Videos und „learning by doing“. Gesteuert werden über das System die Curtains, die Lüfter mit einer stufenweisen Leistungssteigerung, die Wasserverneblung an den Lüftern, die Wasserheizung, die Stalltore oder das Licht. Es greift auf die Temperatur (Mittelwert aus vier Messwerten im und außerhalb des Stalles), die Daten von Licht- und Windsensoren sowie den Wetterbericht zu. Durch die Einbeziehung des Wetterberichts fahren die Curtains schon hoch, bevor Gewitter oder Starkregen den Betrieb erreichen.

Über eine Benutzeroberfläche lassen sich laut Maatmann verschiedenste Ein- und Ausgänge verknüpfen und individuell Aktionen planen. Ein Beispiel ist das „Luke-Programm“, benannt nach dem ehemaligen Auszubildenden, der die Idee dazu geliefert hat. Ein Dreifachklick auf einen bereits vorhandenen Schalter aktiviert das Lüftungsprogramm zum Kalken der Liegeboxen: Für fünf Minuten fahren die Curtains hoch und die Lüfter laufen auf minimaler Umdrehung, sodass der Kalk beim Einstreuen von einem weg in die Bucht weht und der Seitenwind nicht stört.

Lüfter, Curtains und viele weitere Stalltechnikelemente werden auf dem Betrieb über ein Smart Home-System gesteuert.

Die Fressgitterüberwachung läuft ebenfalls über das Smart Home-System, genau wie die Überwachung des Mittels zur Zwischendesinfektion beim Melkroboter: Der Kanister steht auf einer Waage. Unterschreitet sein Gewicht einen bestimmten Wert, erhalten Maatmann und seine Mitarbeiter eine Push-Nachricht aufs Handy. Eine weitere Nachricht folgt, wenn der Wert weiter sinkt oder der Kanister wieder aufgefüllt ist. Als Reaktion auf ein kürzlich aufgetretenes Problem an den Kraftfuttersilos soll bald noch eine weitere Funktion hinzukommen: Eine Push-Nachricht, wenn die Laufzeit der Motoren eine bestimmte Zeit überschreitet.

Zu den Vorteilen des Smart Home-Systems zählt Maatmann nicht nur die Möglichkeit, beliebig viele betriebsindividuelle Lösungen zu finden, sondern sogar eine Kostenersparnis: „Es fließt natürlich Arbeitszeit rein, aber das System war weit billiger als für Lüfter, Curtains oder Licht jeweils eine eigene Steuerung anzuschaffen“, ist er überzeugt.

Kuhortung und Kontrolle des Wiederkauens

Um Kühe zur Besamung schnell zu finden, nutzt Maatmann eine elektronische Ohrmarke mit Ortungssystem, Wiederkaukontrolle und Brunsterkennung. Brunsterkennung und Kuhortung funktionieren dem Eigenbestandsbesamer zufolge fantastisch und sparen täglich Zeit. Die Kontrolle des Wiederkauverhaltens sei für ihn ursprünglich nur ein positiver Nebeneffekt gewesen, habe sich aber zur Krankheitsfrüherkennung bewährt: „Es ist Wahnsinn, wie schnell man ist, wenn man auf den Wiederkaualarm reagiert: Bei einer Euterentzündung kommt er schon ein paar Stunden, bevor man an den Leitwerten etwas sieht“, berichtet er.

Durch das Kuhortungssystem kann Maatmann vor der Besamung unkompliziert prüfen, wo die entsprechenden Kühe gerade sind.

Darüber hinaus hat er zur Tierkontrolle Kameras im Selektionsbereich und bei den Melkrobotern sowie im Jungvieh- und Abkalbestall installiert. Sie sind zoombar und um 360 Grad drehbar. „Zur Geburtsüberwachung sind die Kameras genial. Man kann die Tiere beobachten, ohne ständig hinzulaufen und sie zu stören – das bläuen wir auch den Auszubildenden von Anfang an so ein“, schildert Maatmann. Weitere einfache Kameras hängen zur Überwachung im Tankraum sowie an Stallbüro und Medikamentenschrank.

Datensicherheit ist ein Risiko für Betriebe

Trotz aller Vorteile hat die Technik leider auch eine Kehrseite: „Die Datensicherheit ist ein Risiko und sicher in vielen Betrieben ein unterschätztes Problem“, ist Maatmann sicher. Um seinen Betrieb diesbezüglich bestmöglich zu schützen, nutzt er zwei Router mit Firewalls und zwei getrennte WLAN-Verbindungen für wichtige Daten beziehungsweise für Haushaltsgeräte und ähnliches. Der Zugriff auf die Smart Home-Steuerung und die Kameras, die Tiere zeigen, ist zudem nur auf dem Betriebsgelände möglich. Von allen Rechnern wird jede Nacht automatisch ein Backup erstellt.

Noch mehr Vernetzung der Programme nötig

Wünschenswert wäre für Maatmann, dass sich verschiedene Programme besser miteinander vernetzen lassen und kommunizieren können. Wenn eine Kuh kalbt, muss er das in drei Programme eingeben: Das Herdenmanagementprogramm, das Programm zum Melkroboter und das zur elektronischen Ohrmarke. „Da suchen wir immer noch nach einer ganzheitlichen Lösung“, erklärt er.

Im Großen und Ganzen ist Technik auf seinem Betrieb nicht mehr wegzudenken. Das Motto „Technik, wo immer es geht“ vermittelt er auch seinen Auszubildenen vom ersten Tag an. Maatmann legt viel Wert darauf, dass jeder, der auf dem Hof arbeitet, Zugang zu allen Programmen und Daten hat und die Auszubildenden lernen, die technischen Lösungen zu nutzen, weiterzuentwickeln und zu erkennen, wie viel Potenzial darin liegt. „Technik spart einfach enorm viel Zeit und macht mega viel Spaß.“ Praktische Beispiele dafür gibt es auf dem Betrieb Maatmann mehr als genug.

Betriebsspiegel

Hof Maatmann in Osterwald – Betriebsspiegel und Management

  • 116 Hektar Fläche (je 50 Hektar Mais und Gras, Rest Getreide)
  • 130 Milchkühe plus Jungvieh
  • Milchleistung: 11.200 Liter (3,62 % Fett, 3,4 % Eiweiß)
  • bisher Sauenhaltung mit 100 Sauen (stattdessen künftig Elterntierhaltung mit Partner)
  • Arbeitskräfte: Betriebsleiter Gerald Maatmann mit Ehefrau Hilke und Eltern Jan und Gerda Maatmann, ein Angestellter, ein bis zwei Lehrlinge

Gerald Maatmann stieg 2010 in den elterlichen Betrieb mit Sauen- und Milchviehhaltung ein. Nach seiner Ausbildung stand für ihn fest, dass er den Rinderbereich übernehmen wollte.

2012 erweiterte die Familie den Liegeboxenlaufstall von 1991 um einen Selektionsstall und einige Liegeboxen. Die Zahl der melkenden Kühe stieg von 45 auf 130 und der Melkstand wurde durch zwei Roboter ersetzt. Eine dritte Roboterbox rüstete Maatmann 2016 nach. Wartung und Reparaturen übernimmt er in der Regel selbst. Ersatzteile bestellt er über den örtlichen Händler oder stellt sie mit seinem 3D-Drucker her.

Die Kälber werden in den ersten drei Wochen in Einzeliglus gehalten und dreimal täglich mit dem Kälbertaxi versorgt. Die weibliche Nachzucht zieht Maatmann komplett auf – ab der vierten Woche in Zehnergruppen mit Tränkeautomaten. Die Bullenkälber vermarktet er als Fresser.

Jungvieh und Trockensteher stehen auf Stroh. Die tragenden Jungrinder (etwa 50) gehen auf einen gepachteten Nachbarbetrieb, wo sie ein Partner, Jürgen Walkotte, versorgt. Kurz vor der Kalbung kommen sie zurück, genauso wie rund 50 zugekaufte Tiere des Pachtbetriebes, die angemolken und über Auktionen verkauft werden.

Für die Kühe sind Gerald Maatmann und seine Frau Hilke verantwortlich. Unterstützt werden sie von ein bis zwei Auszubildenden und einem ehemaligen Auszubildenden, der jetzt neben seiner Fachschulausbildung im Betrieb mitarbeitet. Die Sauenhaltung haben Gerald Maatmanns Eltern Jan und Gerda Maatmann bisher weiter betrieben. Nun will die Familie sie einstellen und gemeinsam mit einem Partner in die Elterntierhaltung einsteigen.

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