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HAUS & HOF

Klasse statt Masse

Beim Zerlegen eines Rindes: Der 28-jährige Michael Wolters ist Schlachtermeister in der dritten Generation.

Zu Besuch in der Landschlachterei der Familie Wolters im kleinen Martfelder Ortsteil Loge (Kreis Diepholz). An diesem Morgen liegen frisch blanchierte Kohlblätter bereit, um per Hand zu traditionellen Kohlrouladen gewickelt zu werden. Schräg dahinter reift im Spezialschrank Dry Aged-Fleisch über Wochen zu edlen Gourmetstücken heran, im Kühlraum nebenan duftet es nach deftigen Rauchwürsten und Schinken. Das Besondere: Der Großteil der Tiere, die hier geschlachtet, zerlegt und verarbeitet werden, ist im Stall oder auf der Wiese nebenan aufgewachsen.

Regionalität und gute Haltungsbedingungen gehören bei Wolters jedoch nicht erst seit der Tierwohl-Initiative zum Geschäftsmodell. Firmengründer Adolf Wolters hatte schon Mitte der 60er Jahre für sich entschieden: „Immer mehr und immer billiger für Supermärkte zu produzieren, dieses Preisdumping wollte ich nicht mitmachen.“ Der heute 83-Jährige setzte auf Klasse statt Masse und vermarktete seine Produkte selbst auf Wochenmärkten. „Mit einem VW-Bulli und einer Verkaufs-Bude habe ich auf dem Markt in Bremen damals angefangen“, erinnert er sich. Heute beliefern vier moderne Wolters-Verkaufswagen fünf Bremer Standorte, außerdem Wochenmärkte in Verden, Rotenburg, Hoya und Achim.

Drei Generationen Schlachter (v.li.): Oliver Wolters und Frau Inge, Michael Wolters, sein Bruder Hendrik und Firmengründer Adolf Wolters vor dem 24-Stunden-Verkaufsautomat. 

Hoher Qualitätsanspruch

Sohn Oliver Wolters (56), ebenfalls Fleischermeister, und Ehefrau Inge übernahmen 1993 den Betrieb und die Philosophie, dass für einen hohen Qualitätsanspruch auch die Tiere unter guten Bedingungen aufwachsen müssen – und setzen sie mit der eigenen Aufzucht um. „Uns ist es wichtig, dass es den Tieren gut geht“, sagen Oliver und Inge Wolters.

Mittlerweile ist in Loge mit Michael Wolters bereits die dritte Generation am Start. Der 28-Jährige wird den Betrieb irgendwann übernehmen: „Für mich war ziemlich schnell klar, dass das hier mein Ding ist.“ Nach erfolgreicher Ausbildung in der Schlachterei „Becker“ in Vilsen – wo schon Vater Oliver gelernt hatte – ging es zielstrebig weiter, und seit 2015 hat der Junior den Meistertitel in der Tasche. Auch Michaels langjährige Freundin Julia Beck ist seit fünf Jahren im Betrieb tätig: Als ebenfalls gelernte Fleischereifachverkäuferin steht die 28-Jährige damit voll in der Familientradition.

Für die Aufzucht der rund 200 Pietrain-Mastschweine und etwa 45 Schafe mit Nachzucht ist Michael Wolters bereits jetzt verantwortlich. Den Stall hat er vor Kurzem umgebaut, es gibt keine Spaltenböden mehr, die Schweine stehen nun auf Stroh, außerdem haben sie einen Frischluftaußenbereich am Stall. Tiere, die die Landschlachterei zukauft, stammen in gleicher Qualität aus der Nachbarschaft: „Wir bekommen noch von der Familie Schwecke aus Schierholz und der Familie Bischof aus Wechold Strohschweine dazu.“ Die haben aber auch nur einen Anreiseweg von nicht mehr als sechs Kilometern hinter sich.

„In Strohhaltung wachsen die Schweine etwas langsamer und werden fetter, das ist gut für die Fleischqualität“, so seine Erfahrung. Vielversprechend laufe bei ihm auch ein Versuch mit einigen Duroc-Schweinen an. Gefüttert wird eine spezielle Mischung, unter anderem Raps und Sonnenblumenschrot. „Da haben wir mit unserem Lieferanten lange ausprobiert, bis es unseren Vorstellungen entsprach“, sagt der junge Fleischermeister. Die Schafe für die Schlachtung wachsen auf Wiesen neben dem Haus in Loge auf.

Hausschlachtungen

Klar, dass diese Haltung teurer ist. Vater Oliver zahlt ihm für die Schweine und Schafe deshalb mehr als den Marktpreis. „Nur so können wir unsere Produkte in der Qualität herstellen, wie ich es möchte“, sagt der Betriebsinhaber. Das gleiche gilt für den Ankauf der Rinder, die Wolters von den Familien Meyer aus Martfeld und Röpke aus Morsum beziehen. „Dass wir für unsere Schlachttiere mehr Geld ausgeben, sorgt regelmäßig für Diskussionen mit den Finanzbehörden, aber das stehen wir durch“, sagen die Wolters.

Im Durchschnitt werden pro Woche 20 Schweine, zwei bis drei Großtiere, drei Schafe, gelegentlich auch ein Kalb geschlachtet. 22 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehören zum Team, darunter fünf festangestellte Fleischerfachkräfte. Zum Bedarf für die eigenen Produkte kommen noch die sogenannten Hausschlachtungen hinzu. „Dann verarbeiten wir für Landwirte und Direktvermarkter in der Region deren Tiere fertig zerlegt und vakuumiert zum Abholen“, erklärt Michael Wolters. Weil es nur noch wenige gibt, die diese Dienstleistung anbieten, sind die Hausschlachtungen voll ausgebucht. „Wir kommen kaum hinterher mit der Nachfrage“, sagt Inge Wolters, die sich neben dem Verkauf auf den Märkten auch um Termine und Koordination kümmert. „Und seit die großen Schlachthöfe Kapazitäten runtergefahren haben, klingeln noch zusätzlich viele Mäster an, die bei uns Schweine loswerden wollen.“

Doch die passen weder in den Zeitplan und noch zur Betriebsphilosophie: Schweine, die bei Wolters zu Fleisch- und Wurstspezialitäten verarbeitet werden, gehen nur einmal quer über den Hof vom Stall in die Schlachtung: „Und auch das ganz in Ruhe, die Tiere sollen keinen Stress haben“, betont Oliver Wolters. Wert legt der Betrieb auch darauf, anschließend alles vom Tier zu verwerten: Knochen werden z. B. noch für Brühe und Eintopf ausgekocht.

Die Wochenmarktbesucher, ganz überwiegend Stammkunden, wissen Herkunft und Qualität zu schätzen: „In manchen Familien kaufen schon die Kinder und Kindeskinder bei uns ein“, sagt Inge Wolters. Interessierte fahren nach einem Gespräch am Marktwagen auch schon mal zum Stallbesuch nach Martfeld raus. „Wissen, wo es herkommt“, lautet das Motto! „Die Leute können gerne angucken, wie unsere Tiere aufwachsen“, sagt Michael Wolters. Nach vielen Jahren als reine Marktbeschicker haben die Wolters 2009 zusätzlich einen kleinen Hofladen eingerichtet, der dreimal pro Woche geöffnet ist. Ein weiterer Vermarktungsweg ist seit zwei Jahren der Verkaufsautomat vorm Laden: Klassische Wurstspezialitäten und Saisonales wie Grillfleisch, Knipp oder Kohlwurst sind dort rund um die Uhr verfügbar – nicht nur in Coronazeiten eine gern genutzte Einkaufsmöglichkeit.

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