Harzer Originale
Wer auf die Hofstelle nahe Clausthal-Zellerfeld fährt, vorbei an Harzer Bergwiesen, auf denen Kühe grasen, ist erst einmal verblüfft. Heiner Schulte hatte Anfang September zum Richtfest seiner neuen Halle eingeladen, die im Winter seine Mutterkuhherde beherbergen soll. Doch Kuhstall ist nicht die richtige Bezeichnung für das neue Bauwerk – eher der „nach der Clausthaler Marktkirche vermutlich größtemassive Holzbau im Oberharz“. So drückte es zumindest Christian Schulz vom Forstamt Clausthal aus. Er freut sich über das Projekt aus original Harzer Fichtenholz, das aus dem Nationalpark und aus dem Forstamt stammt. Die Halle misst 50 × 35 m im Grundriss und rund 20 m in der Höhe, insgesamt verbaute Heiner Schulte darin rund 360 Fm Holz.
Holzbau aus Harzer Fichte
„Die Idee ist aus der Situation geboren“, berichtete er. Auf dem Platz stand bereits ein ehemaliger Kuhstall, den er nur noch als Party- und Lagerraum genutzt hatte. Er rissihn aber ab, weil an gleicher Stelle ein Neubau entstehen sollte. Für das Bauvorhaben hatte Schulte schon zwei Jahre zuvor Fichtenholz gelagert. Soweit der Plan.
Seine Mitarbeiter, die tagtäglich in der Holzernte mit der Kalamität im Harz konfrontiert sind, sprachen ihn eines Tages nach der Arbeit an: „Wir schneiden die schönen alten Fichten für China in Container. Weißt Du nicht was Besseres?“ Die Vorstellung, dass so viel Fichten-Starkholz ins Ausland abfließt, ließ Schulte nicht los. Irgendwann fällte er die Entscheidung, für die Halle ausschließlich den Rohstoff vor Ort zu nutzen.
Zunächst informierte sich Schulte über Fördermöglichkeiten. Doch in Zeiten, in denen scheinbar alles und jedes gefördert wird, musste der Bauherr in spe feststellen, dass er den Neubau alleine schultern musste – denn für Nebenerwerbslandwirte gibt es keine Unterstützung. Und das obwohl sich die Haltungsbedingungen und somit das Tierwohl deutlich verbessern, und Schultes Kühe durch die Bergwiesen-Pflege wertvolle Naturschutzarbeit leisten. Auch der Niedersächsische Umweltminister Olaf Lies, der sich das Projekt vor dem Abriss anschaute, konnte offenbar nichts bewirken. „Gerade die bäuerliche regionale Landwirtschaft möchte die Politik fördern, aber die gibt es fast nur noch im Nebenerwerb. Da müsste wirklich ein Umdenken einsetzten“, findet Schulte.
Eigenleistung
Trotzdem ließen sich er und seine Familie davon nicht entmutigen. Ohne Förderung war eben mehr Eigenarbeit nötig. Als im letzten Jahr im Nationalpark ein alter Fichtenwald nahe dem Forstamt Clausthal aufgrund Borkenkäferbefalls geräumt wurde, kaufte Schulte mit seinen Mitarbeitern Dutzende 160-jährige Fichten. Im April 2020 schälten sie die Stämme per Hand und brachten sie mit einem Langholz-Lkw zu einem mobilen Sägewerk. Ein Sägewerk, das die 17,80 m langen und noch dazu dicken Stämme schneiden konnte, musste allerdings erst einmal gefunden werden. Fündig wurden sie bei Thomas Lühring aus Neustadt, der sein mobiles Sägewerk für solche Spezialaufträge verlängern kann.
„Wir haben ein Stück Harzer Wald gerettet.“
Er schnitt die Stämme und Bretter im Herbst ein. Nebenbei ging bei den Schultes der normale Betrieb weiter, das bedeutete viele Stunden Einsatz am Feierabend und an den Wochenenden. „Wir haben auch große Unterstützung aus der Nachbarschaft erfahren“, blickt Schulte zurück. „Wir hatten 30 Paletten mal 85 Bretter nur für das Dach, das sind über 2 500 Bretter. Die Kinder der Nachbarn und Mitarbeiter haben ebenfalls geholfen. Zusammen mit meinem Vater haben sie Tausende von Stapellatten zwischen die Bretter gelegt.“ Die eigene Familie unterstützt das Projekt ohnehin. Bruder Christian Schulte und seine Frau Imke, beide Architekten in Braunschweig, erarbeiteten die Entwürfe und reichten zusammen mit dem Statiker den Bauantrag ein.
Teamleistung
Zusätzlich zu den fast 18 m langen Vollholz-Ständern wurden im Dach 18 Rundhölzer (17,60 × 55 cm) verbaut. Die längsten eingesetzten Kanthölzer messen 14 m. Natürlich braucht es bei einer Halle mit solchen Ausmaßen noch viele weitere Fachleute. „Die Betonarbeiten habe ich vergeben, ebenso weitere Gewerke. Besonders die örtlichen Zimmerleute waren regelrecht begeistert“, berichtete Schulte.
Am Ende war er mit der Arbeit der Handwerker hundertprozentig zufrieden. Es war eben sehr hilfreich, dass er das Holz schon hatte und nicht mehr einkaufen musste. Der nächste Arbeitsschritt ist der Außenverschlag.Je nach Arbeitsfortschritt werden die Kühe vielleicht schon diesen Winter einziehen, aber auf jeden Fall im nächsten.
„Wir haben die Halle für das Tierwohl gebaut, nicht aus wirtschaftlichen Gründen. Da ist viel Herzblut dabei“, betonte Schulte beim Richtfest. Nach dem traditionellen Schnaps mit den Zimmerleuten wurde in der neuen Halle zünftig mit selbstgebrautem Bier gefeiert.
Im Harz verwurzelt
Heiner Schulte ist in der dritten Generation im Harz tätig. Sein Großvater gründete einen landwirtschaftlichen Betrieb und führte nebenbei in Lohnarbeit mit Pferden verschiedene Tätigkeiten aus, wie die Unterhaltung der Gräben für die Preussag oder Holzrückearbeiten im Winter. Sein Vater erweiterte den Betrieb, neben der Waldarbeit blieb die Milchviehhaltung lange ein Schwerpunkt des Betriebes. Seit 2005 leitet Heiner Schulte das Familienunternehmen, dessen Schwerpunkt heute in der Forstwirtschaft liegt. Er selbst ist gelernter Landwirt und arbeitete zunächst im elterlichen Betrieb. 1998 wechselte er als Maschinenführer zum Forstamt Lauterberg, machte zusätzlich die Forstwirtprüfung und besuchte verschiedene Lehrgänge. Das Ziel blieb aber immer die Übernahme des väterlichen Betriebes, den er konsequent neu ausrichtete.
Mit drei festangestellten Mitarbeitern ist er für die Niedersächsischen Landesforsten und den Nationalpark tätig. Für die Holzernte und Holzrückung setzt Schulte zwei HSM-Schlepper und eine HSM-Kombimaschine, den Kurzstrecken-Seilkran Ritter KSK und einen Seilschlepper ein, dazu ein Wegepflegegerät R2005. Seine Frau Kerstin leistet die Büroarbeit für den Betrieb. „Sie hält mir den Rücken frei. Wir sind wirklich ein Familienbetrieb, auch mein Vater und meine Kinder in den Semesterferien helfen mit“, betont Schulte.
Vor Jahren stellte Schulte aus der eigenen Milch noch Käse her. Die Milchvieh-Haltung hat er zwar eingestellt, aber ganz von Kühen konnte Schulte nicht lassen. Mit seiner Mutterkuh-Herde pflegt er heute die Harzer Bergwiesen. Im neuen Stall ist jetzt über den Winter mehr als genug Platz für die 20 Kühe und ihre Kälber. Die Halle kann auch für andere Zwecke genutzt werden, zum Beispiel als Maschinenhalle. So werden die alten Fichten jetzt hoffentlich mindestens weitere 100 Jahre im Harz stehen. Nachhaltiger geht es nicht.
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