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Den Blick weiten

Seniorentagesstätte auf dem Hof von Familie Zanklmaier in Niederbayern.

Vor über einem Jahr zeigte der Maschinenring Oberland mit weiteren Initiatoren und Organisatoren im Rahmen des Fachtages „Soziale Landwirtschaft als Chance! Erlebnis, Betreuung und Pflege: Zukunftsperspektive für landwirtschaftliche Betriebe“ in Eberfing (Lks. Weilheim-Schongau), wie sich Höfe diversifizieren und ihre Ressourcen erweitern können. Nun organisierte das Praxisnetzwerk Soziale Landwirtschaft eine Fortsetzung. Dieses Mal ging man der Frage auf den Grund, wie das Zusammenwirken von sozialen Diensten und Landwirtschaft gefördert werden kann.

„Immer wenn’s schneit“, komme man in Eberfing zusammen, musste Fachtag-Moderator Prof. Dr. Michael Spieker feststellen. Beim ersten Fachtag im Januar 2023 war der Ort in Watte gepackt, und nun segelten wieder Flocken auf den Gasthof zur Post. Im Saal fanden sich Vertreterinnen und Vertreter aus Landwirtschaft, Behörden, sozialen Vereinen und Gesellschaften sowie Studierende der Sozialen Arbeit zusammen. Darunter auch einige, die Soziale Landwirtschaft bereits betreiben beziehungsweise leben. Etwa Anni Hindelang. Ihren Hoimahof in Schöffau (Gemeinde Uffing, Lks. Garmisch-Partenkirchen) können Menschen mit und ohne Demenz tageweise erleben. Oder Gisela Elfinger. Auch ihren Wurzberger Erlebnishof in Reichling (Lks. Landsberg am Lech) können Menschen mit Demenz besuchen. Darüber hinaus ist Elfingers Familie eine geprüfte Pflegefamilie, und der Hof eine Inobhutnahmestelle und Kurzeitpflegestelle für Kinder und Jugendliche. Bei Sozialer Landwirtschaft gehe es „um etwas Uraltes“, das habe man eigentlich schon immer gemacht, sagte Spieker. Aber manchmal gehe Altes verloren. Spieker hoffte, dass man am Ende des Fachtages vielleicht Ideen habe, mit denen man an die Politik herantreten könne. Im Moment müsse sich jeder neu erfinden. Mit Impulsvorträgen ging es in den Tag hinein. Spieker glaubte, dass diese „uns auf das Gleis bringen werden“.

Prof. Dr. Egon Endres von der Katholischen Stiftungshochschule in Benediktbeuern referierte über die Frage, was Netzwerke eigentlich benötigen und wie diese erfolgreich sein können. Dabei wurde deutlich, dass für den Aufbau eines Netzwerkes nicht allein auf die starken Beziehungen eines näheren Umfeldes gesetzt werden sollte, sondern auch auf die schwachen Beziehungen, sodass strukturelle Netzwerklöcher überbrückt werden können. Endres betonte zudem, dass Netzwerkarbeit hohe Ansprüche an die Verantwortlichen stelle. Auch seien in einem Netzwerk Grenzgänger und Grenzgängerinnen wichtig, also Menschen, die „mehrere Sprachen sprechen“ und die „es schaffen, Überparteilichkeit zu leben“.

Moderator Prof. Dr. Michael Spieker (2. v. l.) und Stephan Palkowitsch (r.), erster Vorsitzender des Maschinenrings Oberland, mit Anni Hindelang (l.) und Gisela Elfinger (2. v. r.).

Von dem eher Abstrakten ging es dann mit Referentin Martina Rasch von der Fachstelle Maßstab Mensch ins Konkrete. Rasch, per Videoschalte zu sehen und hören, gab Einblicke in die Entstehung der Fachstelle, die inklusive Arbeits- und Lebensorte vermittelt, etwa auf landwirtschaftlichen Betrieben. Auf der einen Seite unterstützt die Fachstelle Höfe bei der Entwicklung von Angeboten, auf der anderen Seite berät diese Menschen mit Unterstützungsbedarf sowie deren An- und Zugehörige. Die Fachstelle arbeitet mit dem Grundsatz, dass Soziale Arbeit Landwirtschaft brauche, Landwirtschaft aber auch soziale Partner, um in kreativer und sozialraumorientierter Zusammenarbeit als Soziale Landwirtschaft inklusiv zu werden.

Rasch zeigte auch auf, welche Probleme hinderlich sein können. Eines davon: Soziale Arbeit finde in Einrichtungen statt. Ein Hof biete als Lebens- und Arbeitsort soziale Teilhabe und Beschäftigung, werde aber keine Einrichtung. Der Hof bleibe Hof.

Mit sieben Höfe im Raum zwischen Bremen und Hamburg kooperiert die Fachstelle bislang. Da wäre etwa der Eickedorfer Hof in Grasberg, ein Lebens- und Arbeitsort für mehrere Generationen. Soziale Arbeit habe auch Nebenwirkungen, was das Leben an einem Ort angeht, sagte Rasch. Der Eickedorfer Hof sei einst zwar noch ein Hof gewesen, aber kein Betrieb mehr. Nach Gründung einer Solidarischen Landwirtschaft werden inzwischen 60 Familien mit Gemüse, Fleisch und Eiern versorgt.

Im Rahmen eines World-Cafés versuchten die rund 40 Teilnehmenden zum Abschluss, zu eruieren, was es zum Gelingen Sozialer Landwirtschaft braucht, genau genommen, wie man Netzwerklöcher überbrücken kann. Dabei stellte man fest, dass eine Strategie und eine Plattform zum Austausch fehlen.

Auch die Themen Werbung und Öffentlichkeitsarbeit müsse man angehen, um Soziale Landwirtschaft bekannter zu machen. Und man müsse reden, nicht nur in landwirtschaftlichen Kreisen, auch darüber hinaus. „Nach dem Prinzip: Tue Gutes und rede darüber“, meinte eine Teilnehmerin des Netzwerktreffens. Stephan Palkowitsch, erster Vorsitzender des Maschinenrings Oberland, teilte die Idee, Partner aus anderen Bereichen zu finden, beispielsweise aus Kunst und Kultur. „Wir müssen vielleicht unseren Blick weiten.“

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