Verwilderten Katzen helfen
Wieder einmal klingelt das Telefon beim Tierschutzverein Landkreis Landshut – Cats & Dogs in Not e. V.: Eine besorgte Dame wendet sich an den Verein, denn sie hat auf dem verlassenen Nachbaranwesen eine verwilderte Katzenmutter mit ihren vier Jungen entdeckt. Die Kätzchen leiden an Katzenschnupfen, einer hochansteckenden Infektionskrankheit, die die oberen Atemwege und Augen befällt, ihre Mutter ist mager und ausgemergelt. Das Team des Tierschutzvereins ist sofort zur Stelle und rückt mit mehreren Lebendfallen an, um die scheue Katzenfamilie zu sichern.
Kurze Zeit später werden die Katzen aufgrund des schlechten Allgemeinzustandes der Jungtiere in tierärztliche Obhut übergeben. Erst nach einer knappen Woche intensiver tiermedizinischer Betreuung befinden sich die Kätzchen auf dem Weg der Besserung und können einige Zeit später in ein passendes neues Zuhause vermittelt werden. Ihre scheue Mutter wird behandelt, kastriert und an der Fundstelle wieder frei gelassen. Kein Einzelfall.
Immer mehr wild lebende Katzen in Bayern
Deutschlandweit gibt es laut Deutschem Tierschutzbund geschätzt 2 Mio. Streunerkatzen. Diese sind für die Bevölkerung jedoch oft unsichtbar, da sie sich besonders in ländlichen Regionen aufhalten und landwirtschaftliche Betriebe, leerstehende Anwesen, Ställe, Firmengelände sowie Schrebergärten als Unterschlupf nutzen. Meist handelt es sich bei diesen Katzen um entlaufene beziehungsweise ausgesetzte und sich selbst überlassene Hauskatzen, die in Folge zunehmend verwildern. Durch die frühe Geschlechtsreife und hohe Reproduktionsrate (zwei bis drei Würfe pro Jahr mit durchschnittlich zwei bis fünf Jungtieren pro Wurf) erhöht sich die Anzahl der Katzen unter Umständen binnen weniger Jahre rapide und gerät schnell außer Kontrolle.
In derart schnell wachsenden Katzenkolonien kommt es zur Verbreitung von ansteckenden und oft tödlich verlaufenden Krankheiten sowie zu einem schwerwiegenden Parasitenbefall. Wild lebende Katzen haben durch Mangelernährung, fehlende tiermedizinische Versorgung und Inzucht eine geringe Lebenserwartung, die Sterblichkeit ist besonders bei Jungtieren sehr hoch. Weiterhin stellen diese Katzen oft ein Ärgernis für Anwohner und Landwirte dar, da sie Sandkästen, Beete und Futtermittel durch ihre Hinterlassenschaften verunreinigen und besonders unkastrierte Kater ein ausgeprägtes Territorial- und Markierverhalten zeigen. Außerdem fallen Studien zufolge allein in Deutschland bis zu 200 Mio. Vögel pro Jahr Freigängerkatzen zum Opfer und auch Reptilien und Kleinsäuger werden in ihren Beständen bedroht.
Auf menschliche Fürsorge angewiesen
Die romantisierte Vorstellung vom Leben verwilderter Hauskatzen entspricht also keineswegs der Realität. Diese Katzen sind keine Wildtiere, sondern domestizierte Hauskatzen und deshalb auf die Fürsorge des Menschen angewiesen.
Was mit ein paar zutraulichen Katzen anfängt, endet schnell in einer unüberschaubaren Überpopulation und Verwilderung. Verpasst man die bei Jungtieren so wichtige Prägephase bis zu einem Alter von acht Wochen, z. B., wenn die Mutterkatze einen schwer zugänglichen Platz zum Werfen ausgesucht hat, werden diese Kätzchen wahrscheinlich nie mehr echtes Vertrauen in den Menschen fassen und scheu bleiben.
Ein paar Monate später gibt es den nächsten Nachwuchs von diesen halbscheuen Tieren, der dann ein Schattendasein ohne direkten menschlichen Kontakt führt und nicht selten abwandert. Katzenhalter und Hofbesitzer sollten deshalb Verantwortung übernehmen und ihre Tiere sowie zugelaufene Streuner kastrieren lassen. Nur so lässt sich die unkontrollierte Vermehrung nachhaltig stoppen.
Tierschutzvereine versuchen seit vielen Jahren, die Flut an Katzen durch Unfruchtbarmachung einzudämmen und so die Populationsdichte zu reduzieren. Bei Kastrationsaktionen werden Futterstellen eingerichtet sowie anschließend alle Katzen einer Kolonie mit Hilfe von Lebendfallen eingefangen und zum Tierarzt gebracht. Dort werden die Tiere medizinisch versorgt, kastriert und mittels Mikrochip oder Tätowierung gekennzeichnet.
Jungtiere, die zu jung für eine Kastration sind und noch gut an den Menschen gewöhnt werden können, werden in privaten Pflegestellen aufgezogen, geimpft und gekennzeichnet, um sie dann als verschmuste Haustiger in ein neues Zuhause zu vermitteln. Erwachsene wild lebende Katzen sind in der Regel nicht mehr zähmbar und werden – nachdem sie sich von der Kastration erholt haben – wieder vor Ort freigelassen und über die Futterstelle weiterhin mit Nahrung und Wasser versorgt.
Der Mythos, dass eine kastrierte Katze, die gefüttert wird, keine Mäuse mehr fängt, stimmt nicht. Der angeborene Jagdtrieb ist nach der Kastration weiterhin vorhanden. Jedoch sind diese Tiere zugänglicher für menschlichen Kontakt, bleiben in der Regel ortstreu und werden somit weniger in Verkehrsunfälle verwickelt.
Freigänger und Streuner kastrieren
Die Arbeit der Vereine hat gezeigt, dass nur durch flächendeckende Kastration der stetig wachsenden Population von verwilderten Katzen tierschutzgerecht und wirksam begegnet werden kann. Tierschutzvereine wünschen sich deshalb eine ganzheitliche Lösung. Da jahrzehntelange Bemühungen in Form von Kastrationsaktionen und Aufnahme hilfebedürftiger Tiere die Problematik nicht entschärfen konnten und eine enorme finanzielle Belastung für die Vereinskasse darstellen, kämpfen die Vereine bayernweit für die Einführung einer Kastrationspflicht.
2013 wurde zum Schutz freilebender Katzen der §13b in das Tierschutzgesetz eingeführt, welcher sich mit dem Erlass von Katzenschutzverordnungen befasst. Kurz zusammengefasst schreibt eine derartige Verordnung die Kastration von Katzen im unkontrollierten Freigang sowie deren Kennzeichnung und Registrierung in einem Haustierregister vor.
Wo Katzenschutzverordnungen in Kraft sind, konnte bereits eine Reduzierung der oftmals kranken und verwahrlosten Katzen erreicht werden. Die bessere Rückverfolgbarkeit entlastet Tierheime, Gemeinden und Steuerzahler. Auch besteht Rechtssicherheit, wenn unkastrierte, nicht gekennzeichnete Tiere aufgegriffen werden.
Hilfe holen
Haben sich wilde Katzen bei Ihnen eingenistet und vermehrt oder ist Ihnen ein Streuner zugelaufen? Dann können Sie sich bei einem lokalen Tierschutzverein melden. Dieser unterstützt beim Einfangen und übernimmt in der Regel einen Großteil der Kosten für die Kastrationen und Kennzeichnung.
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