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Interview

„Es hat mir immer Spaß gemacht“

Gemeinsam mit Claudia Garrido blickt Peter Rosenkranz auf die letzten 40 Jahre zurück.

Peter Rosenkranz und ich kennen uns schon seit über 20 Jahren. Entsprechend informell haben wir uns unterhalten.

Erzähl doch mal: Wie bist du eigentlich zu den Bienen gekommen?

Ich habe während meines Studiums in Tübingen einen Bienenkurs gemacht – für mich einer der besten Kurse. Eine tolle Atmosphäre und sehr angewandt. Am Ende bekamen wir vom Imkermeister der Universität zwei Mini-Ableger. Meine wissenschaftliche Karriere wurde dadurch gefördert, weil ich als erster in der Region Varroa hatte. Die erste Doktorarbeit in Tübingen zu dem Thema wurde mit „meinen“ Milben gemacht. Ich bin so erst zur Diplom- und später zur Doktorarbeit gekommen. Ich bin also über die Imkerei zur Forschung gelangt. Mit einem Freund hatten wir neben unseren Diplomarbeiten eine Nebenerwerbsimkerei.

Wann war das?

Ich bin seit 1982, also 40 Jahre, Imker und in irgendeiner Form in der Wissenschaft.

Wenn du auf diese 40 Jahre zurückblickst – gab es irgendeinen Höhepunkt?

Das lässt sich schwer sagen. Ich hatte Glück, eine Stelle in dem Bereich zu finden, der mich fasziniert hat. Außergewöhnlich war die Zeit in Brasilien. Die Freundschaften, die ich geschlossen habe, die Arbeit mit den afrikanisierten Bienen - das hat mich sicher in meiner Art zu arbeiten geprägt.

Welchen Einfluss hatte die Varroa?

Sie hat es einen ziemlichen Schub für die Bienenforschung gebracht, die vorher nicht so viel Anerkennung hatte. Man brauchte Leute, die angewandt arbeiten können und schnell Lösungen erarbeiten. Die Imkerei hat es ziemlich umge- krempelt. Die Verbände, Beratung und Institute sind enger zusammen gerückt, und es hat viel Dynamik in diesen Bereich gebracht.

Und nach 40 Jahren ist die Varroa immer noch das vorherrschende Thema.

Meine Vorträge heißen jetzt: „40 Jahre Varroa-Forschung, und warum haben wir das Problem noch nicht gelöst?“ Es hat sich aber viel geändert. Am Anfang standen die Imker verzweifelt vor 80 Prozent Völkerverlusten und sahen keine Perspektive. Die Imkerei ist heute vielleicht schwieriger, aber wir haben Behandlungsmöglichkeiten. Die sind getestet, wir kennen die Schwachstellen und können damit umgehen. Das ist mehr, als man bei anderen Krankheiten oder Parasiten sagen kann.

In den 40 Jahren gab es ja viele Entwicklungen, wie zuletzt die Einführung des neuen Tierarzneimittelgesetzes – wie siehst du denn sowas?

Bestimmungen gab es auch früher, sie haben nur niemanden interessiert. Als ich anfing, war es Standard, jedes Frühjahr mit Fumidil gegen Nosema zu sprühen. Das war nie zugelassen! Das Bewusstsein, dass wir naturnahe Lebensmittel produzieren, ist besser geworden. Da muss die Qualität stimmen. Andererseits ist nicht einzusehen, warum in einigen Ländern der EU Oxalsäure verdampft werden darf und bei uns nicht. Dazu kommt, dass man die Kosten der Zulassung kaum stemmen kann. Der Markt gibt es einfach nicht her. Das führt dazu, dass kaum neue Mittel entwickelt werden und teilweise Mittel sogar wegfallen. Das muss politisch gelöst werden.

Was fällt denn darunter?

Zum Beispiel, dass die Standardzulassungen weggefallen sind. Da hatten wir Institute an den teuren Zulassungen vorbei etwas Sinnvolles für die Imker getan. Da müssen die Verbände deutlich mehr Forderungen stellen. Ich verstehe nicht, dass viele sagen, wir bräuchten keine neuen Mittel. Es gibt regelmäßig varroabedingte Winterverluste. Dann sind entweder die Imker nicht gut ausgebildet oder unsere Maßnahmen sind nicht ausreichend. Da muss man in meinen Augen vorsichtig sein, sich Optionen zu verbauen.

Was würdest du jungen Wissenschaftlern raten, die sich auf dieses Abenteuer einlassen wollen?

Momentan gehe ja nicht nur ich, sondern auch andere Kollegen in Rente. Da gibt es für junge Wissenschaftler eine Perspektive. Es ist aber schwer, Bienenforscher zu finden, die auch imkerlich sattelfest sind. Fangt also an mit der Imkerei! Ihr lernt was, und es macht Spaß. Wenn man das schon während der Masterarbeit und Promotion macht, steht man anders da. Wenn es einen nicht begeistert, sollte man das auch nicht als Job machen.

War das früher anders?

Varroa hat viele Kollegen an die Bienen- institute gebracht, die privat Imker waren. Momentan bilden wir kaum noch solche Leute aus, darauf weise ich schon lange hin. Es wird selbst international schwierig, solche Leute zu finden.

Da geht es ja durchaus um Glaubwürdigkeit.

Ja genau. Man braucht in Arbeitsgruppen zumindest einen, der Ahnung von der Praxis hat. In Projektanträgen merkt man genau, ob die Leute Erfahrung haben.

Du warst ja jahrelang Vorsitzender der Arbeits- gemeinschaft der Bieneninstitute. Welche Rolle spielt die AG?

In dem Bereich wissenschaftliche Ausbildung und Promotion könnte die AG noch aktiver werden. Ich komme aus einem entwicklungsphysiologischen Lehrstuhl, der mit angewandter Bienenforschung erstmal nichts zu tun hatte. Ich habe dort Varroa-Forschung gemacht. Das ginge heute auch, wenn der Chef solche Arbeiten spannend findet. Kurz gesagt: Wir brauchen mehr universitäre Einrichtungen, an denen man mit angewandten Bienenthemen promovieren kann. Die AG kann da durch Netzwerken viel erreichen.

Du hast ja viele Leute ausgebildet …

Wenn man mal auflistet, wie viele Leute an der Landesanstalt gearbeitet haben und betreut wurden, ist das schon gigantisch. Das befriedigt mich im Rückblick schon. Es war fast immer eine tolle Zusammenarbeit und zu beiderseitigem Nutzen.

Welche Rolle spielen Kooperationen?

Als ich Doktorand war, haben die Bieneninstitute sich teilweise abgekapselt. Wir jungen Wissenschaftler haben schnell gelernt, dass Kooperation sinnvoll ist. Es gab so viele offene Fragen, dass es für jeden genug zu forschen gab. Aus diesem Geist ist auch die „EurBee“ aus einer kleinen Gruppe engagierter Wissenschaftler entstanden. Es fing in Udine klein an und ist inzwischen die größte Bienentagung in Europa geworden. Daraus entwickelten sich auch die ersten europäischen Kooperationen. Die zwei EU-Projekte, an denen ich beteiligt war, sind auch persönliche Highlights meiner Forschung. Auch für meine Studenten war das toll.

Heute sind solche Projekte und Kooperationen viel größer, da kennt nicht mehr jeder jeden.

Ja, damals war die Gruppe noch überschaubar, wir wollten Lösungen, haben gemeinsam Ansätze entwickelt und Erfahrungen gesammelt. Heute sind die Projektteams größer und meist nicht mehr eine kleine verschworene Gruppe, in der Ideen auch mal abends nach dem dritten Bier geboren werden. Das muss man hinnehmen.

Zurück zur Wissensvermittlung. Vieles ist komplexer, als man es gerne hätte. Wie kann man das rüberbringen?

Mein Standardspruch ist: Wissenschaft vermittelt keine Wahrheiten, da muss man in die Philosophie oder Religion gehen. Wissenschaft präsentiert Erkenntnisse und interpretiert sie. Sie lebt davon, dass viele Puzzleteile zusammenkommen und mit Glück ein Gesamtbild sichtbar wird. Wenn man Pech hat, wird das Gesamtbild verändert, wenn es nach fünf Jahren neue Methoden gibt. Wenn wir mit den Imkern sprechen, müssen wir erklären, was eine Studie bedeutet. Es gibt keine wahren oder falschen Ergebnisse, sondern gute oder schlechte Studien. Dann kann man akzeptieren, dass die Interpretationen unterschiedlich ausfallen. So ist eben Wissenschaft. Das muss man der Öffentlichkeit vermitteln, um sachlich zu argumentieren. Gerade bei so emotionalen Themen wie Pestizide oder Biodiversität.

Dazu gehören Wissenschaftler, die Fehler eingestehen.

Als kleiner Doktorand habe ich eine Theorie zum Thema „Juvenilhormon und Varroa-Fortpflanzung“ widerlegt. Auf einer Tagung kam Prof. Ruttner – damals der „Bienenpapst“ – zu mir und sagte, ich hätte ihm das auch früher sagen können. Jetzt hätte er gerade sein Buch fertig und könnte diesen Aspekt nicht mehr korrigieren. Ich fand das beeindruckend, hatte ich doch die Ergebnisse seiner Gruppe widerlegt. Die Größe und Distanz muss man einfach haben.

Am Ende vielleicht doch noch eine Quintessenz?

Persönlich bin ich dankbar für das Privileg, dass ich eine Arbeit hatte, die mir immer Spaß macht. Ich glaube, dass ich viel richtig gemacht habe bei der Wahl der Themen. Varroa und später die Pestizide haben die Imker interessiert. Einiges konnte ich nicht umsetzen, aber damit kann ich leben. Ich halte nichts davon, sich Denk- mäler zu setzen. Es war einfach eine spannende, gute Zeit, und ich konnte mit vielen tollen Leuten zusammenarbeiten.

Autorin

Dr. Claudia Garrido

ist Biologin und berät Firmen und Institutionen bei Projekten zum Schutz von Bestäubern in der Landwirtschaft sowie bei der Zulassung von Varroamedikamenten. Ihre Webseite: www.bee-safe.eu

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