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„Wer Akzeptanz will, muss auch andere akzeptieren“

„Für Akzeptanz untereinander braucht es immer eine Beziehungsebene“, sagt Jakob Fritz im Interview mit agrarheute.

Warum ist es für uns Menschen so wichtig, von anderen akzeptiert zu werden?

Menschen sind von sich aus soziale Wesen. Es liegt in unseren Genen, dass wir auf die Meinung anderer angewiesen sind. Ein Blick in die Entwicklung jeder einzelnen Persönlichkeit zeigt, dass andere Menschen, andere Kulturen oder auch Regionen uns als Person maßgeblich prägen. Die positive oder auch negative Meinung anderer hat einen enormen Einfluss darauf, wie wir uns entwickeln.

Für ein starkes Selbstbewusstsein brauchen wir Zuspruch – von Berufskollegen, der Familie oder eben auch aus der Gesellschaft. Dadurch entsteht Motivation. Es reicht nicht, sich selbst zu sagen, dass man gute Arbeit leistet. Unser Gehirn braucht das Feedback anderer.

Stichwort „Bauern-Bashing“. Nehmen wir Lob und Kritik in gleichem Maße wahr?

Auf keinen Fall. Menschen differenzieren sehr stark, wenn es um die Meinung anderer geht. Bei Lob hinterfragen wir kaum, von wem es kommt. Positives nehmen wir einfach an. Bei Kritik hingegen ist es uns sehr wohl wichtig, wer sie geäußert hat und in welcher Form. Dahinter steckt ein psychologischer Mechanismus, der uns Menschen vor zu viel Kritik schützt. Das ist klassischer Selbstschutz. Sätze wie „Der hat doch sowieso keine Ahnung“ oder „Der Doofkopf übertreibt schon wieder“ sind ganz typische Beispiele der Abwehr. Ich mache jemanden klein, der mich bedrohen könnte. Damit setze ich mich aber mit der Person auf der Beziehungsebene auseinander anstatt mit der Kritik auf der Sachebene. Dadurch entferne ich mich noch mehr von meinem Gegenüber.

„Hinter jeder Kritik steckt auch ein Motiv. Das gilt es, zu erkennen.“

Also kann die eigene Einstellung und das eigene Verhalten die Akzeptanz anderer beeinflussen?

Ja, die Kunst liegt darin, eine für sich gesunde Mischung aus Selbstschutz und Offenheit zu finden. Dafür ist es wichtig, stabil zu sein. Das ist eine Grundvoraussetzung. Sich selbst zu fragen: „Wo stehe ich? Wie geht es mir?“. Nur wenn es mir gut geht, kann ich beurteilen, ob meine Reaktion und mein Handeln angemessen sind. Stehe ich unter Stress, weil ich als Landwirt neben der alltäglichen Arbeit die Bürokratie bewältigen muss oder gar – wie aktuell die Schweinehalter – um meine Existenz bangen muss, werde ich mich Kritikern gegenüber nicht souverän verhalten. In solch schwierigen Situationen schützt man sich eher selbst – verhält sich also instinktiv. Wir sind dann nicht mehr vorurteilsfrei. Deshalb ist Selbstfürsorge eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine souveräne Auseinandersetzung mit anderen.

Was versteht man unter Selbstfürsorge?

Selbstfürsorge bedeutet, dass man Dinge tut, die keine Energie verschwenden, sondern einfach Spaß machen und gut tun. Zum Beispiel Sport treiben, im Chor singen oder Freunde treffen. Jeder muss für sich selbst herausfinden, was er braucht.

Was wäre denn der wichtigste Tipp auf dem Weg zur gegenseitigen Akzeptanz?

Was sich jeder, dem Kritik entgegenschlägt, klarmachen muss: Hinter einer Meinung gibt es immer ein Motiv. Das sehen wir meistens nicht. Die Frage „Warum sagt mein Gegenüber das?“ ist enorm wichtig. Was will ein Hannes Jaenicke mit seinen provokanten Aussagen über die Tierhaltung in Deutschland? Vielleicht nutzt er die Provokation als rhetorisches Mittel? Vielleicht möchte er Aufmerksamkeit und damit etwas anstoßen? Oft stecken Ängste, Unsicherheiten oder Nichtwissen hinter einer negativen Haltung. Ein schönes Beispiel ist auch die Gentechnik. Es handelt sich um ein komplexes Thema, das nur mit viel Recherche von Nichtfachleuten verstanden werden kann. Deshalb sind die Menschen unsicher, konstruieren sich eine eigene Welt und lehnen Gentechnik erst mal ab. Es gibt aber eben nicht nur die eine Wahrheit. Jeder hat seine eigene Wahrnehmung und Perspektive. Es geht darum, die Perspektive des Gegenübers ohne Vorbehalte einzunehmen und seine Motive zu verstehen. Nur so werde ich selbst Akzeptanz erfahren.

Bei verhärteten Fronten ist das eine Herausforderung. Kann man den Perspektivwechsel lernen?

Generell lernen wir durch den Austausch mit anderen Menschen. Einigen fällt das besonders leicht, weil sie über eine hohe Ambiguitätstoleranz verfügen. Das bedeutet, dass sie mit uneindeutigen oder zwiespältigen Situationen besser umgehen können als andere und diese nicht ablehnen. Sie denken nicht in klassischen Schwarz-Weiß-Kategorien. Sie akzeptieren, dass es eine andere Meinung gibt, nehmen Kritik nicht persönlich. Sie können den Sachverhalt im Raum stehen lassen und profitieren sogar von der Verschiedenartigkeit der Menschen und Meinungen. Sie gehen mit Neugier und ohne Abwehr oder Vorurteile auch in schwierige Situationen.

Was können Landwirte konkret tun, um Kritikern einen Schritt näher zu kommen?

Für den Austausch zwischen Menschen braucht es immer eine Beziehung. Will man diese eigentlich gar nicht herstellen, kann es auch keine Akzeptanz geben. Für Landwirte bedeutet das konkret, dass sie Unsicherheiten und Unwissen beim Gegenüber aus dem Weg räumen müssen. Transparenz und Teilhabe sind dabei ganz wichtig. Viele Landwirte machen das genau richtig. Sie zeigen die Tiere im Stall, stellen ihre Wiese für Urlauber aus der Stadt für Wohnmobile bereit oder feiern Hoffeste mit Gästen aus der Region. Jetzt heißt es: Weitermachen – auch wenn es manchmal anstrengend ist! ●

Jakob Fritz

Leiter Personalentwicklung & Fortbildung bei Fröbel
E-Mail: jakob.fritz@web.de

   

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