Knappe Zeit gut einteilen
Auf den Punkt
- Imke Austermann-Cruel ist Ackerbäuerin, Produktmanagerin und Mutter zweier Söhne.
- Ihre Arbeitszeit muss sie sich gut einteilen. Dabei zählen hohe Effizienz und Schlagkraft.
- Weil sie die Dorfbewohner oft in ihre Arbeit einweiht, erntet sie gesellschaftliche Akzeptanz.
Das Handy klingelt. Imke Austermann-Cruel hält das Telefonat kurz. Kaum dass sie aufgelegt hat, startet die Betriebsführung. „Effizienz steht nicht nur für Schlagkraft, sondern auch für Nachhaltigkeit“, sagt die Betriebsleiterin aus dem westfälisch-lippischen Detmold-Vahlhausen gleich zu Beginn. „Dabei helfen moderne Maschinen und zuverlässige Betriebsmittel.“
Die Agraringenieurin hat den Ackerbau von Vater Friedrich-Wilhelm übernommen, der ihr noch mit Rat und Tat zur Seite steht. „Das komplette Management erledige ich. Mir macht Ackerbau einfach Spaß.“
Dabei ist es ambitioniert, 100 ha mit einem zweiten Beruf zu kombinieren. Wer sich dafür entscheidet, verlagert seine Feld- und Büroarbeiten meist in die Zeit, in der andere ihrem Hobby frönen oder einfach nur die Seele baumeln lassen. Zwei Jobs, das klappt nur, wenn Freude und Engagement die Triebfedern sind.
Davon bringt die 41-Jährige viel mit. „Wichtig ist aber, dass die Work-Life-Balance stimmt“, schiebt sie schnell nach, als es über den Hof geht. Schließlich ist da noch die Familie. „Die Arbeit darf nicht ausufern.“
Vor allem Effizienz zählt
Dieses Motto zieht sich wie ein roter Faden durch die Betriebsentwicklung. Im Hauptberuf ist die Landwirtin bei einem mittelständischen Pflanzenzüchter angestellt. Weil der die Arbeiten im Feld kennt, lässt er der Produktmanagerin genug Freiraum, die Teilzeitarbeit flexibel zu regeln. Analog zu den Erfordernissen des Hofs arbeitet Imke im Frühjahr und Sommer weniger und gleicht dies im Winter aus. Aktuell ist die Mutter zweier Söhne in Elternzeit.
Ihr Ehemann Malte Cruel unterstützt sie nach Kräften. Er hat maßgeblichen Anteil daran, dass die Arbeiten oft nach Feierabend und an Wochenenden schlagkräftig erledigt werden. Der Maschinenbauingenieur hat einen Blick für die Technik. Das wirkt: In jedem Jahr seit der Betriebsübernahme vor sieben Jahren wurde eine Maschine angeschafft. Fast jeder erwirtschaftete Euro floss seitdem in den Betrieb, um alle Abläufe immer effektiver zu machen. „Das kostet viel Geld, spart aber knappe Arbeitszeit und teure Betriebsmittel“, sagt Imke. „Am Ende ist es einfach nachhaltiger.“
Hinzu kommt der Arbeitskomfort. Bestes Beispiel ist der Schlepper. Vor drei Jahren musste der betagte 145-PS-Allradtraktor dem modernen 160-PS-Modell weichen. „Der ist nicht nur bequemer“, sagt Imke, als sie auf den Trecker steigt. ,,Auch weniger Dieselverbrauch und elektronische Helfer für präzise Arbeit waren unschlagbare Argumente für den Tausch.“
Ein anderes Beispiel ist die Feldspritze, die im Jahr 2015 ersetzt wurde. Vom Schleppersitz zeigt Imke, wie sich damit Pflanzenschutzmittel exakt dosieren und sparsamer ausbringen lassen, ökonomisch und ökologisch sinnvoll. Auch hier zählt der Komfort. Für das Entriegeln der Spritzgestänge etwa muss sie nun nicht mehr absteigen.
Der letzte Kauf war die Sämaschine. „Einstellen und Abdrehen gehen viel schneller und exakter als vorher“, so Austermann. Wie zum Beweis öffnet sie den Tank und erklärt den Kornfluss. Die Kornablage sei dank Präzisionstechnik exakter als bei der alten Drille. „Das Saatfeld ist homogener.“
Bewusster Betriebsmitteleinsatz
Die Saat zeigt, dass Effizienz auch die Messlatte bei den Betriebsmitteln ist. Hier setzt Imke voll auf Z-Saatgut. „Diese Beizqualität und Reinheit bekäme ich mit eigenem Nachbau nicht hin, zumal ich keine Aufbereitung habe.“ Zwischen Ernte und Saat will sie sich zudem keine Zusatzarbeit aufhalsen.
Am Scheunentor wirbt sie für regelmäßigen Saatgutwechsel. „Ich möchte am Zuchtfortschritt neuer Sorten teilhaben.“ Schon wegen ihrer Arbeit beim Züchter weiß sie, wovon sie spricht. Sie bestellt ihre Sortenfavoriten zügig. „Wer zu spät ist, für den kann es auch mal knapp werden.“
Nur wenn unsere Arbeit wertgeschätzt wird, können wir erfolgreich wirtschaften.
Jetzt holt Imke wieder ihr Handy hervor. Mit dem Taschenrechner ist die Saatmenge schnell ermittelt. Tausendkorngewicht und Keimfähigkeit seien bekannt, die Fläche stehe fest, den Rest erledige ihr Rechner. „Da bleiben keine Reste“, sagt die Lipperin. Entscheidungsbasis für ihre Sortenwahl sind die Sortenversuche der Kammer und eigene Erfahrungen. „Dabei mache ich durchaus Zugeständnisse beim Ertrag“, so die Agraringenieurin. Konkret heiße das: „Ertragsstabilität geht vor Spitzenertrag.“ Weitere Auswahlkriterien seien Gesundheit, Standfestigkeit und Qualität.
Sie holt das Saatgut lose vom Landhandel ab. Vom Anhänger kommt es per Förderschnecke in die Sämaschine. „Das schaffe ich mühelos allein.“ Es gebe kein Hantieren mit Säcken und kein Rangieren mit Bigbags. Auch hier sind die Abläufe sehr effizient.
Nur Nicht nach „Schema F“
Das gilt auch für die Bodenbearbeitung. Dabei steht alles unter dem Diktat des ackerbaulich Nötigen. In der Halle glänzt der neu angeschaffte Grubber. Daneben zeigt Imke den Pflug. „Wir sind froh, ihn nicht verkauft zu haben.“ Bei zunehmendem Ackerfuchsschwanzdruck nutzt sie ihn regelmäßig. Im Jahr 2021 wurde außer vor Raps alles gepflügt. „Trotzdem überlegen wir bei jeder Fläche genau, ob die Pflugfurche nottut.“
Sie wendet ihren Blick zur Hoftankstelle. Die rasant steigenden Energiepreise schärfen ihren Blick für alle Feldarbeiten. „Spielraum“ sieht sie beim Düngen, wobei der im Jahr 2002 gekaufte Streuer gute Dienste leiste. „Ich will weg vom Schema F, mir mehr Gedanken über Effizienz und Genauigkeit machen.“ Das gelte für die mineralische wie für die organische Düngung.
Die Ackerbäuerin präferiert ein Zusammenspiel aus beiden Varianten. Mit standardisierter Ware, wie Kalkammonsalpeter zu Getreide und Raps, schwefelsaurem Ammoniak zu Raps oder Diammonphospat zu Mais, ließen sich die Bestände exakt führen. Mit eigener Technik sei sie da sehr flexibel.
Die organische Düngung mit Rückfluss aus der Biogasanlage, die Imke mit ihrem Mais beliefert und deren Gärreste der Lohnunternehmer ausbringt, verbessere die Humusbilanz. „Gärreste sind bei explodierenden Preisen für Mineraldünger günstiger.“
Optimierungspotenzial sieht Imke in der Sensortechnik, um teilflächenspezifisch „nahezu quadratmetergenau“ zu wirtschaften. „Precision farming weist den Weg in eine noch effizientere und nachhaltigere Zukunft bei Düngung und Pflanzenschutz.“
Jetzt geht Imke zur Feldspritze. Beim Mitteleinsatz gehe sie eher extensiv als intensiv vor. Die Einsätze basieren auf den regionalen Empfehlungen der Kammer. Parallel dazu begutachtet die Landwirtin ihre Bestände intensiv, zählt Unkräuter, wertet Gelbschalen aus und orientiert sich an Schadschwellen. „Klinisch reine Bestände“ sind nicht ihr Ziel. Ihr Ackerbau sei eher ein Vorzeigebetrieb für Naturschutz und Nachhaltigkeit. Integriert zu arbeiten bedeute, so „viel wie nötig, so wenig wie möglich“. Weil Imke am Pflanzenschutz eher knausert, legt sie bei der Fruchtfolge etwas mehr drauf. Sie macht beim Agrarumweltprogramm zum Anbau vielfältiger Kulturen mit. Mindestens fünf Früchte sind vorgegeben, jede mit mindestens 10 und maximal 30 Prozent Anteil. Getreide wird auf höchstens 66 Prozent begrenzt. Zudem sind 10 Prozent Leguminosen Pflicht.
Vielfältige Fruchtfolge mit Bohnen
Das Eingliedern der Ackerbohne in die Fruchtfolge bereut Imke nicht. „Die Bohne bereichert den Anbau und ist eine hervorragende Vorfrucht für Winterweizen.“ Hinzu kommen Zwischenfrüchte, besonders ein Senf-Ölrettich-Gemenge vor Mais, das über den Winter abfriert. Auch Gemenge mit Phacelia, Rauhafer und Ramtillkraut, die den Humusgehalt fördern, setzt Imke ein. Davon profitiert die Ackerkrume. „Das Bodenleben aktiviert sich, Nährstoff- und Wasserhaltevermögen werden spürbar verbessert.“
„Und das klimaschädliche Gas Kohlendioxid wird fixiert“, nennt Imke eine weitere Umweltleistung. Für das Greening jedenfalls benötigt sie die Zwischenfrüchte nicht. Dafür hat der Betrieb genügend Feldrandstreifen, Brachen und Blühflächen.
Durch die Vorgaben des Programms muss sie mehr als vorher rechnen und „jonglieren“, bis am Ende der Anbauplan steht. Das liegt auch am eigenen Anspruch, eine Flächenaufteilung hinzubekommen, „die nur wenige Umbauten der Geräte beim Schlagwechsel nötig macht“. Obwohl der Betrieb vollständig arrondiert ist, wird hier das Letzte an Effizienz herausgekitzelt.
Am Ende steht eine Fruchtfolge aus Silomais/Ackerbohnen, Weizen, Raps, Triticale. Die vergangenen Jahre blieb Gerste wegen der Flächengröße außen vor. Imke nennt Dinkel als eine Option für die Zukunft.
Flexibilität heute und in Zukunft
Nicht so recht ins Bild der Effizienz passt der 35 Jahre alte Mähdrescher, auf den Imke nun klettert. „Den hätten wir gut verkaufen können“, so die Betriebsleiterin, doch damit bleibe sie flexibler. Wenn es bei der Ernte wetterbedingt eng wird und der Lohnunternehmer keine Zeit hat, drischt sie damit das Getreide selbst. „So haben wir vergangenes Jahr die Triticale in einigen Etappen geradezu vom Feld gestohlen“, sagt die Landwirtin. Auch ihre Mutter Bärbel fährt den Drescher in der Ernte mit Freude übers Feld. Die Wetterextreme der zurückliegenden Jahre ließen die Erträge aber stark schwanken. „Die Bilanz 2021 ist in Ordnung.“ Ein Teil der Getreide- und die gesamte Raps- und Bohnenernte gehen direkt nach dem Drusch per Lkw an den Landhandel. Der A-Weizen wandert ins knapp 200 t fassende Lager, wo die Betriebsbesichtigung endet.
Unter dem Strich zeigt der Hof Austermann-Cruel ein in sich stimmiges Konzept, das auf Effizienz und Nachhaltigkeit setzt. Doch wie geht es weiter angesichts der intensiv geführten Debatte um die Zukunft der Landwirtschaft? „Wir müssen registrieren, was Gesellschaft und Politik von uns erwarten“, sagt Imke, die sich auch im örtlichen Bauernverband engagiert. „Nur wenn unsere Arbeit akzeptiert und wertgeschätzt wird, können wir erfolgreich sein.“ Auch deshalb suche sie oft das Gespräch mit den Dörflern, etwa wenn sie mit der Spritze aufs Feld fährt, oder sie kündigt „frische Landluft“ an, wenn die Gärreste ausgebracht werden.
Für den Ackerbau als Standbein neben dem Beruf formuliert Imke Austermann-Cruel einige „lockere Ideen“: Vielleicht werde man sich künftig mit Berufskollegen intensiver zusammentun. Auch Ökoanbau sei eine Option. Am wichtigsten aber sei die Freude an der Arbeit. „Solange es uns Spaß macht, ackern wir weiter.“ (kb) ●
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