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Kinder glücklich machen als Betriebszweig

Tiere streicheln, im Heu toben und Neues entdecken: Für Kinder sind Bauernhöfe ideale Lernorte.

Auf den Punkt

  • Bauernhofbesuche sind bei Familien mit kleinen Kindern sehr beliebt.
  • Katharina Mayer hat aus Kinderevents ein Standbein für ihren Betrieb entwickelt.
  • Zusätzliche Events und Kurse für Erwachsene sollen das Programm alsbald ergänzen.

Es ist dieses Strahlen in den Augen, dieser besondere Moment, den jedes Kinder irgendwann hat bei unseren Bauernhofnachmittagen“, sagt Talisa Haas. „Das ist es, was mir zeigt, wie wichtig unsere Arbeit ist.“ Die 32-jährige Erzieherin betreut bis zu dreimal die Woche Kinder und ihre Eltern, die sich zu den „Bauernhofzwergen“ angemeldet haben: ein Nachmittag auf dem Bauernhof mit Tiere streicheln und füttern, backen, toben, Abenteuer erleben. Auch jetzt gerade ist eine Gruppe von 25 Kindern da. Die Kleinsten können gerade auf den eigenen Beinen stehen, die ältesten sind sechs bis sieben Jahre alt. Neben Talisa Haas kümmern sich zwei Praktikantinnen um die Gruppe, zeigen ihnen den Rinderstall und wie sie die Tiere mit Heu füttern können.

Was für die Kinder ein unvergesslicher Nachmittag ist, bedeutet für die Veranstalter eine straffe Organisation. „Wir haben jedes Jahr zwischen 2.000 und 4.000 Kinder bei uns auf dem Hof“, erklärt Katharina Mayr. Die 34-Jährige ist die Chefin der Direktvermarktung und des Eventbereichs auf dem Moirhof in Hirblingen.

Katharina Mayer bietet seit 15 Jahren Bauernhofbesuche und Kinderevents an.

Der Bioland-Betrieb der Familie Mayer ist breit aufgestellt: Auf etwa 125 ha baut Landwirt Herbert Mayer Dinkel, Weizen und Kartoffeln an. Rund 90 Färsen und Ochsen werden in den großzügig angelegten Laufställen gemästet. Direkt gegenüber halten die Mayers 23 schwäbisch-hällische Muttersauen zusammen mit einem Pietraineber in einem Offenstall. Die Ferkel können, sobald sie groß genug sind, ebenfalls im Offenstall mitlaufen oder sich in einen separaten Bereich zurückziehen. Eine kleine Schafherde, ein paar Hasen, Hühner sowie Esel und Pferde runden das Bild ab.

Von der Idee zum Gewinnmodell

Neben der Landwirtschaft hat die Familie noch zwei weitere Standbeine entwickelt: zum einen die Direktvermarktung über den Hofladen, der mit einer eigenen Backstube und Metzgerei schon fast die Ausmaße eines kleinen Vollversorger-Supermarkts erreicht. Zum anderen – und das ist das besondere Steckenpferd von Katharina Mayer – bietet der Moirhof Events für Familien und Kinder, Kindergärten und Schulklassen an.

„Wir haben stark in diesen Bereich investiert“, erklärt Katharina Mayer. Um sie herum teilt sich die Besuchergruppe auf. Die Hälfte der Kinder geht mit den Eltern zu den Gittern mit den Schweinen, die andere Hälfte verschwindet im Stallgebäude. Fröhliches Quietschen von drinnen verkündet, dass die inder gerade die wenige Tage alten Ferkel unter der Wärmelampe entdeckt haben. Im Anschluss dürfen die Kinder noch zu den größeren Ferkeln in die Box. Die Neugierigsten unter den Tieren lassen sich sogar anfassen – ein Erlebnis, von dem die Kinder wahrscheinlich noch tagelang erzählen werden.

Seit mehr als 15 Jahren können Familien hier auf dem Hof Landwirtschaft hautnah erleben. „Die Idee dazu kam mir aufgrund der Nachfrage. Es wurden immer wieder Bauernhofnachmittage angefragt, aus dem Ort, für die Nachbarskinder. Ein paar Mal habe ich das zum Spaß gemacht, als Hobby, ohne Konzept oder Druck.“ Dann stapelten sich die Anfragen. Katharina Mayer tat, was sie immer tut, wenn sie eine Idee hat. „Ich habe mich an meinen Rechner gesetzt und eine Excel-Liste geschrieben. Mit der habe ich ganz sachlich durchkalkuliert: Welche Investitionen stehen an? Wie viel Arbeitskraft stecke ich rein? Welche Kosten muss ich ansetzen und kann oder muss ich jemand dafür einstellen?“ Am Ende stand ganz unten in der Liste eine Zahl, und die war schwarz. Auf dem Moirhof war ein neuer Betriebszweig geboren.

Katharina Mayer machte ihre Zertifizierung zur Erlebnisbäuerin und legte los. „Ich habe sämtliche Kosten mit durchgerechnet, vom Stundensatz für meine Arbeitskraft über die Tätigkeiten, die ich outsourcen kann, bis hin zu meiner Krankenversicherung als Unternehmerin“, erläutert Katharina Mayer ihre Rechnung. „Viele Bäuerinnen machen solche Events nebenher als Familienarbeitskraft, so wie das berühmte Eiergeld, aber das ist falsch. Es ist ein Unternehmen wie jedes andere auch. Man muss es wirtschaftlich betrachten, nicht emotional, auch wenn die Arbeit mit den Kindern etwas ganz Besonderes ist.“

Mittlerweile sind die Zwergerlnachmittage, wie sie hier heißen, ein Selbstläufer. Es gibt sogar ein Jahresabo für Familien, die häufiger kommen möchten. Versichert sind die Teilnehmer ganz regulär über die Betriebshaftpflicht des Hofs. 2,5 Stunden dauert ein Event. Die Kosten liegen bei 30 Euro für ein Kind mit einem Erwachsenen als Begleitperson. Zusätzliche Personen kosten extra. Dafür gibt es ein vielfältiges Programm, einen Nachmittagssnack und ein Andenken für Zuhause. Viele Eltern nutzen die Gelegenheit, noch schnell im Hofladen etwas einzukaufen. „Dieser Synergieeffekt ist in der aktuellen Lage sehr wertvoll“, so Mayer. „Bei den aktuellen Lebensmittelpreisen hat es der Hofladen schwer. Dabei geben wir gar nicht alle Aufpreise an unsere Kunden weiter.“ Sie nutzt die Events, um Werbung für den Laden zu machen. „Ich habe zum ersten Mal seit Jahren sogar Flyer drucken lassen. Es sind schwere Zeiten für alle im Lebensmittelhandwerk.“

Je nach Saison finden pro Woche mehrere Events für Familien auf dem Moirhof statt..

„Als ich die ersten Events angekündigt habe, bekam ich einen bitterbösen Anruf“, erinnert sich Katharina Mayer. „Das sei viel zu teuer. Ärmere Familien könnten sich das gar nicht leisten.“ Sie überlegt kurz, dann sagt sie: „Aber ich muss meine Kosten schon irgendwie reinbekommen.“ Für die Erzieherin als qualifizierte Fachkraft zahlt sie einen entsprechend hohen Stundensatz. Für die Organisation und die Abrechnung setzt sie, je nach Größe des Events, 20 eigene Arbeitsstunden an für Anmeldung, Kontaktdatenerfassung und Abrechnung.

Zumindest den Schreibkram ist sie demnächst los: In einigen Wochen wird die Anmeldung vollautomatisch über die Webseite laufen und auch die Abrechnung wird dann per PayPal oder Kreditkarte deutlich vereinfacht, eine große Erleichterung, denn eigentlich bleibt der Bäuerin im Moment nur wenig Zeit für die Kinderevents. „Ich versuche, alle Kurse selber zu sehen, aber ich schaffe das nicht immer, da ich gerade zusätzlich meinen Metzgermeister mache.“

Hinter ihr wuseln die Kinder ins Hühnergehege. Die Hühner gackern empört, aber eher halbherzig – sie sind den Kinderbesuch mittlerweile gewöhnt. Als letztes dürfen die Kinder noch die dicken Stallhasen streicheln, dann ist es halb sechs und die Familien verschwinden nach und nach. Es wird ruhig auf dem Moirhof. Nur ein paar vereinzelte Kunden kaufen im Hofladen noch Brot und Wurst fürs Abendessen ein.

Kein Idealismus

Katharina Mayer ist schon wieder auf dem Weg an ihren Computer. Ihre nächste große Herausforderung sind Kurse für Erwachsene. Backseminare und Grillkurse hat sie bereits im Programm, außerdem Junggesellenabschiede. „Die mag ich sehr. Wenn gewünscht, muss der Bräutigam zusammen mit mir ein halbes Schwein zerlegen", lacht Mayer. Aber auch Firmenevents und Schulungen zur Mitarbeiterführung hat die findige Landwirtin, die 2016 den CeresAward in der Kategorie Unternehmerin gewonnen hat, im Programm.

Viele Bäuerinnen machen solche Events nebenher. Aber es ist ein Unternehmen wie jedes andere auch.

Katharina Mayer, Moirhof

„Meine Ideen entstehen daraus, was mir die Leute erzählen. Der Markt schreit nach neuen Formaten“, schließt Katharina Mayer. „Bislang habe ich mich noch nie verkalkuliert. Wenn ich eine tolle Idee habe, setze ich mich an meine bewährte Excel-Liste und rechne sie durch. Zahlen würde ich mir niemals schönreden. Wenn ich es gerechnet habe und sehe, es wird eine Nullnummer, dann lasse ich es. Ich mache das nicht aus Idealismus.“ ●

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