Die Versorgung muss sicher sein
Worauf sind Sie bei ihrem nationalen Strategieplan besonders stolz?
Dass wir es gemeinsam geschafft haben, mit den Bundesländern, allen Interessensvertretern sowie dem grünen Koalitionspartner einen gemeinsamen Weg aufzuzeigen, wohin es für unsere Bäuerinnen und Bauern geht. Wir müssen sehr weitreichende EU-Vorgaben umsetzen – etwa zur Umverteilung – was für uns eine große Herausforderung war. Gleichzeitig müssen wir die veränderten gesellschaftlichen Wünsche erfüllen und der Landwirtschaft eine wirtschaftliche Perspektive bieten. Das ist uns gelungen.
Bei den Direktzahlungen gehen im Durchschnitt 80 €/ha verloren. Durch Ausgleichszulage, ÖPUL [„2. Säule“, Anm. d. Red.] und stärkere Förderung für die ersten Hektare können das viele Betriebe ausgleichen. Aber hat der klassische Ackerbaubetrieb in Österreich noch Zukunft?
Absolut. Wir legen darum im ÖPUL einen noch stärkeren Fokus auf den Ackerbau als früher und haben etwa die Prämie für die Maßnahme Umweltgerechte und biodiversitätsfördernde Bewirtschaftung von 45 auf 70 €/ha erhöht. Wie gesagt mussten wir jedoch auch EU-Vorgaben umsetzen und das ist uns besser gelungen als in manch anderem Land. In Deutschland soll die durchschnittliche Flächenprämie auf 150 €/ha zurückgehen.
Liegt die Zukunft der österreichischen Landwirtschaft in der Nische? Trotz Förderung für den Ackerbau ist die Unterstützung für kleine Betriebe in schwieriger Lage wesentlich höher.
Die betriebliche Ausrichtung ist die Entscheidung der Bäuerinnen und Bauern. Ich will, dass in Österreich weiterhin Lebensmittel produziert werden und die Versorgungssicherheit gerade bei Grundnahrungsmitteln aufrecht erhalten bleibt.
In Deutschland gibt es den Kompromiss der Zukunftskommission Landwirtschaft, wonach die Gelder in der ersten Säule mittelfristig ganz verschwinden sollen und dafür an anderer Stelle ein Ausgleich stattfindet. Was halten Sie davon?
Die Details der Umsetzung muss man sich sehr genau anschauen. Direktzahlungen sind überlebensnotwendig für die Landwirtschaft. Ich kann nicht nachvollziehen, dass Agrarminister Cem Özdemir dafür plädiert, diese abzuschaffen. Lebensmittel werden nie über den Marktpreis zur Gänze das erwirtschaften, was Bäuerinnen und Bauern zum Leben brauchen. Dafür hängt die Landwirtschaft von zu vielen unwägbaren Faktoren ab, angefangen beim Wetter. Was wir brauchen ist ein Anreizsystem für betriebliche Entwicklung – so wie unser ÖPUL.
Anders als in Deutschland gibt es bei Ihnen nur vier Eco-Schemes, wodurch mehr Geld pro Maßnahme zur Verfügung steht. Werden alle vier gleich populär sein?
Alle Eco-Schemes waren vorher Teil des ÖPUL, wir haben jetzt vor allem die Prämien angepasst. Deswegen gehe ich von hoher Akzeptanz aus. Bei uns ist für jeden Betrieb etwas dabei.
Der neue Strategieplan bringt auch regulatorische Veränderungen. Unter anderem werden als Teil des Kriteriums 9 für guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand knapp 200.000 ha Almflächen neue Bewirtschaftungseinschränkungen erhalten. Warum?
Mit dieser Ausweitung wollen wir das vor zehn Jahren aufgeworfene Problem der Flächenidentifikation von Almflächen praktikabel und sicher lösen. Naturflächen sicher zu kontrollieren ist sehr schwierig und folgt leider nicht der bürokratischen Logik der EU-Kommission.
Bleiben wir beim Thema Naturflächen: Was erwarten Sie von den jüngsten Ankündigungen der EU-Kommission, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich wegen mangelndem Schutz bzw. Ausweisung von Natura 2000-Gebieten einzuleiten?
Die Ausweisung von Natura 2000-Flächen fällt in Länderkompetenz. Wir unterstützen die Länder auf Bundesebene nach Kräften, etwa mit Mitteln aus dem Waldfonds.
Ein wichtiges Thema in ihrem Strategieplan ist die Einhaltung der NEC-Richtlinie zur Luftreinhaltung. Glauben Sie, dass die EU-Kommission hier ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich einleiten wird?
Genau wie alle anderen EU-Staaten stehen wir vor großen Herausforderungen, die NEC-Richtlinie umzusetzen. Wir haben unserer Förderung massiv aufgestockt, die Bäuerinnen und Bauern bei der Anpassung zu unterstützen. In den Jahren 2021 und 2022 stehen dafür allein 60 Mio. Euro zur Verfügung. Wir rechnen damit, dass heuer bereits 5 Mio. Kubikmeter Gülle bodennah ausgebracht werden. Ich bin zuversichtlich, dass die EU-Kommission unsere Leistungen anerkennen wird.
Planen Sie weitere Maßnahmen nach 2023 mit Hinblick auf die Zielerreichung der NEC-Richtlinie für 2030? Der Strategieplan macht diesbezüglich Andeutungen.
Wir haben noch nicht alles ausformuliert, weil unsere Forschung hier sehr aktiv ist. Gülleabdeckung stärker zu unterstützen wäre eine Möglichkeit. Aber auch die Kompostierung von Festmist wird hier einen Beitrag leisten.
Teil des Strategieplans ist die Ausweitung des Bioanbaus, den auch der Green Deal der EU fordert. Österreich ist Bio-Europameister, doch viele ihrer Exporte gehen in andere EU-Staaten. Wie realistisch ist es, dass die Bioproduktion in Europa wächst, wenn die wichtigsten Absatzmärkte für Bio-Erzeuger schrumpfen?
Wir haben unseren hohen Bio-Anteil über 25 Jahre aufgebaut – nicht mit Planwirtschaft, sondern durch Marktorientierung. Viele der Pläne der EU-Kommission zum Biomarkt klingen erst einmal gut, stellen die Bio-Betriebe aber vor gewaltige Herausforderungen. Wenn es mehr Bioprodukte gibt, fällt der Preis, wenn die Nachfrage – im In- oder Ausland – nicht steigt. Das ist nicht im Interesse der Biobäuerinnen und -bauern.
Die EU-Kommission will bei ihrer Absatzförderung künftig weniger auf Fleisch und tierisches Eiweiß setzen. Wie beurteilen Sie das, angesichts der Notwendigkeit der Schaffung neuer Märkte insbesondere für Ökolandwirte?
Bei der EU-Kommission weiß sehr oft die linke Hand nicht, was die rechte tut. Green Deal und Farm to Fork folgen hohen Zielen aber gleichzeitig sollen über ein Mercosur-Abkommen Fleischimporte mit niedrigeren Umweltstandards ermöglicht werden. Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans schreibt sich Artenvielfalt und Klimaschutz auf die Fahne und blendet gleichzeitig komplett aus, dass es einen globalen Preiswettbewerb um die billigsten Lebensmittel gibt, der hohe Standards zunichtemacht.
Was halten Sie von einer verpflichtenden Herkunftskennzeichnung auf EU-Ebene?
Sie ist ganz entscheidend. Eine Strategie, Lebensmittel vom Acker zum Teller, wie die EU-Kommission sie vorgelegt hat, funktioniert ohne verpflichtende Herkunftskennzeichnung nicht. Wir führen diese Kennzeichnung darum in Österreich im ersten Quartal 2022 für verarbeitete Produkte und die Gemeinschaftsverpflegung ein. Dann können die Konsumenten wirklich entscheiden, was sie wollen.
Was halten Sie von einer verpflichtenden Haltungskennzeichnung?
Wir sind in Österreich beim Tierwohl weltweit führend, bei einer Haltungskennzeichnung hätten wir nichts zu verbergen. Aber die Kennzeichnung unterschiedlicher Haltungsformen bringt den Konsumenten kaum Mehrwert, da die meisten von ihnen die Details tierischer Produktion nicht kennen, geschweige denn einordnen können.
Kommen wir zur österreichischen Steuerreform. Die Einführung der CO2-Bepreisung soll für Landwirte durch eine Steuerrückvergütung auf Dieselkraftstoff komplett ausgeglichen werden. Das freut die Bauern, aber ist es aus ökologischer Sicht richtig?
Ja, denn wir müssen abwägen, ob wir die Lebensmittelproduktion in Österreich behalten oder in andere Länder abgeben wollen. Die Landwirtschaft braucht zur Produktion fossile Energieträger. Es wäre kurzsichtig und nicht ökologisch, die Energie für Landwirte so zu verteuern, dass sie ihre Betriebe zusperren müssen.
Bei der EU-Kommission weiß sehr oft die linke Hand nicht, was die rechte tut.
Ein weiterer Teil der Steuerreform soll die regionale Bepreisung von Lebensmitteln sein. Was erhoffen Sie sich dadurch für die Landwirtschaft in Österreich?
Ich möchte, dass Produkte die regional hergestellt werden, bessergestellt werden als Importe, die zu viel geringeren Standards produziert wurden. Es ist doch absurd, wenn Fleisch, das einmal um die Welt verschifft wurde, im Supermarkt weniger kostet als hochwertiges heimisches Fleisch.
Wie ist der Stand der Umsetzung? Bis wann kommt ein Gesetzesvorschlag?
Wir müssen uns an EU-Vorgaben halten und prüfen gerade die Umsetzung. Ich hoffe, dass wir in den nächsten Monaten einen Vorschlag vorlegen können.
Demnächst soll eine Ombudsstelle für Streitfälle zwischen Landwirten und Lebensmittelhandel starten. Was erwarten Sie sich von dieser Stelle?
Fairness – die EU-Richtlinie zu unlauteren Geschäftspraktiken beschäftigt mich schon seit rund zehn Jahren. Die Bäuerinnen und Bauern sollen damit eine Möglichkeit bekommen, sich gegen die Übermacht des Handels und gegen unfaire Geschäftspraktiken zu wehren. Lippenbekenntnisse des Handels gibt es viele aber was unsere Landwirte brauchen, ist ein fairer Anteil an der Wertschöpfung.
Welche Strafen kann die Ombudsstelle verhängen, wenn sie Verfehlungen des Handels feststellt?
Wenn ein Unternehmen Auskünfte verweigert, drohen Strafen bis zu 25.000 €. Bei Vergehen kann das Kartellgericht eine Geldbuße bis zu 500.000 € verhängen. Die Ombudsstelle soll aber nicht nur Strafen verhängen. Sie soll Transparenz ermöglichen und Beratung schaffen, um die Position der Landwirte in der Lebensmittelkette zu verbessern.
Kommen wir zum Wolf. Das Land Kärnten hat Ende Januar eine Wolfsschutzverordnung erlassen, die Abschüsse von auffälligen Tieren deutlich erleichtert. Sehen Sie hier ein Modell für ganz Österreich und für andere Länder im Alpenraum?
Ich begrüße den Weg des Landes Kärnten sehr. Wölfe sind Raubtiere, eine Koexistenz mit Nutztierhaltung in offener Landschaft gibt es nicht. Wer flächendeckende Bewirtschaftung haben will, muss das Problem der Schäden für die Bäuerinnen und Bauern lösen.
Erwarten Sie Kritik von der EU-Kommission? Umweltverbände warnen bereits, dass die Kommission die Verordnung nicht akzeptieren wird.
Klagemöglichkeiten gibt es immer. Ich denke aber, dass es auch seitens der EU-Kommission ein Umdenken braucht. Die Situation ist nicht mehr wie vor 30 Jahren, als Wolfssichtungen nur vereinzelt vorkamen. 2021 hatten wir so viele Risse wie noch nie in Österreich.
Zum Ende eine Frage zur Zukunft: In Deutschland wird diskutiert, ob wieder eine CMA [Vermarktungsorganisation für Agrarprodukte, Anm. d. Red.] geschaffen werden soll. Haben Sie dazu eine Empfehlung, aus Ihrer Erfahrung mit der AMA Marketing? Hilft den Bauern so eine Einrichtung?
Die AMA Marketing ist eine Erfolgsgeschichte. Was wir jetzt bei der Herkunftskennzeichnung machen, basiert auf dem AMA Gütesiegel. Im Bewusstsein der Verbraucherinnen und Verbrauchern hat das sehr viel bewegt. Ich kann so eine Einrichtung nur empfehlen.●
Interview: simon.michelberger@agrarheute.com
✔ Immer und überall verfügbar
✔ Artikel teilen
✔ Zusätzliche digitale Inhalte gegenüber der gedruckten Ausgabe
✔ Artikel merken und später lesen