Kirche als Verpächter: Viel Land in Gottes Hand
Die Kirchen gehören in Deutschland zu den größten Verpächtern von Agrarland. Mehr als eine halbe Million Hektar Acker befinden sich sozusagen in Gottes Hand. Das sind fast 10 Prozent des insgesamt verpachteten Ackerlandes. Der Einfluss der Kirchen auf die Pachtpreise und auf die Auswahl der Pächter ist also groß.
In der Vergangenheit haben sich die beiden großen Kirchen oft wenig Gedanken über die Verpachtung und die Höhe der Pachtpreise gemacht. Das hat sich in den letzten Jahren aber geändert. Mittlerweile wird über die Auswahl der Landwirte und die Höhe der Pachtpreise heftig gestritten. Das Resultat: Die religiösen Grundeigentümer spucken den Bauern öfter mal in die Suppe.
Auf den Punkt
- Die Kirchen sind in Deutschland einer der größten Verpächter von Agrarland.
- Die Pachtpreise für Kirchenland bewegen sich nicht selten am oberen Ende der Skala.
- Ein Problem für Landwirte ist die mangelnde Transparenz bei der Flächenvergabe.
„Ärger gibt es immer, wenn die Kirche Land verpachtet“, sagt Maren Heincke, Referentin für den Ländlichen Raum der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). Der Grund: „Die Landwirte brauchen das Land. Wenn ein Pachtvertrag nicht verlängert wird, verstehen die Bauern das auch als Kritik an ihrer Arbeit.“
Die Vergabekriterien sind aber auch unter den kirchlichen Verpächtern umstritten. Dabei geht es meist darum, ob soziale vor wirtschaftliche Kriterien gestellt oder ob Biobetriebe und kleine Höfe gegenüber größeren konventionellen Betrieben bevorzugt werden sollen.
Aus diesem Grund hat die EKHN einen Leitfaden zum Umgang mit landwirtschaftlichen Flächen und deren Verpachtung entwickelt. „Darin ist ein Punkteverfahren zur Vergabe von Pachtland an Landwirte enthalten“, erläutert Maren Heincke. Musterverträge sollen für Transparenz sorgen. Verpflichtend sind diese Vorgaben aber nicht.
Kirche als Preistreiber?
„Die Auswahl der Pächter erfolgt in den verschiedenen Landeskirchen sehr unterschiedlich“, sagt Dirk Hillerkus, Mitverfasser einer Handreichung zur Kirchenlandverpachtung und Referent für nachhaltige Landwirtschaft in der Evangelischen Kirche von Westfalen. In Westfalen, im Rheinland und in Hessen-Nassau sind die Kirchengemeinden auch Eigentümer des Pachtlandes.
Dagegen wird das Pachtland in der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland (EKM) zentral verwaltet. „Die Kirchenpacht liegt hier oft über dem Durchschnitt der Region. Die EKM hat deshalb unter Landwirten den Ruf als Preistreiber. Das fällt negativ auf die Kirche zurück“, sagt der Landwirt Reiko Wöllert aus dem thüringischen Haina.
In Mitteldeutschland erwirtschaftet die EKM mit rund 80.000 ha Pachtland jährlich etwa 20 Mio. Euro. Das entspricht einem durchschnittlichen Pachtpreis von etwa 250 Euro/ha. Damit liegt die EKM als Verpächter deutlich über den ortsüblichen Pachtpreisen für Ackerland in Thüringen und Sachsen mit jeweils rund 190 Euro /ha.
Dennoch sind die kirchlichen Pachtpreise im Osten meist niedriger als im Westen. Diese richten sich in aller Regel nach den regionalen Marktpreisen – und da gibt es zwischen Ost und West noch immer recht große Unterschiede.
Widersprüchliche Vorgaben
Die Evangelische Kirche in Hessen-Nassau hat ihren Gemeinden 2017 empfohlen, einen Pachtpreis anzustreben, der 10 bis 20 Prozent unter der ortsüblichen Pachthöhe liegt. Doch die Umsetzung dieses Vorschlags ist schon deshalb schwierig, weil diejenigen Landwirte beim Vergabeverfahren mehr Punkte bekommen, deren Angebote über der Mindestpacht liegen.
Manche Bauern denken sich deshalb laut Maren Heincke: „Aha, der Kirche ist also das Geld am wichtigsten“. Deshalb wirbt sie bei den Bauern für Verständnis: „Geld ist zwar nicht das alles entscheidende Kriterium, aber die Kirche muss auch wirtschaftlich denken.“
Die Pachtdauer sollte zwölf Jahre betragen. Zur Mitte der Vertragslaufzeit kann der Pachtzins aber angepasst werden, empfiehlt die EKHN. Für Maren Heincke ist es bei Pachtänderungen wichtig, dass die Bauern lange vor Pachtende informiert werden. Für die meisten Landwirte zählt aber etwas anderes mehr: nämlich Transparenz bei der Vergabe und bei der Festlegung des Pachtzinses.
Der Markt entscheidet mit
Dass sich die kirchlichen Pachtpreise am regionalen Marktpreis orientieren, sieht man im Nordwesten. „Im Landkreis Vechta müssen die Bauern für Kirchenland Pachtpreise von bis zu 1.200 Euro/ha zahlen und im Landkreis Cloppenburg sind es bis zu 950 Euro“, sagt Susanne Imholte, die in der dortigen Offizialatsverwaltung für Liegenschaften für das Pachtland zuständig ist. „Jede Pfarrgemeinde im Oldenburger Land kann selbst entscheiden, wie sie die Verpachtung an Landwirte organisiert“, berichtet Imholte. Das heißt konkret: entweder durch öffentliche Ausschreibung oder mit festgelegten Pachtpreisen, die sich an den sehr hohen regionalen Marktpreisen orientieren.
Das Bistum Münster fordert seine Pfarrgemeinden deshalb auf, die Pachtpreise nur maßvoll zu erhöhen. Ulrich Oskamp, Referent beim Katholischen Landvolk, beobachtet dennoch einen weiteren Anstieg der kirchlichen Pachtpreise.
Bonuspunkte für Soziales
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), in der vor allem kleine Familienbetriebe und Biolandwirte organisiert sind, fordert von der EKM seit Längerem, dass sie bei der Landvergabe soziale und vor allem ökologische Kriterien stärker berücksichtigen soll. „Auf diese Forderung hat die Synode bereits reagiert“, sagt Mortimer von Rümker, selbst Landwirt und Mitglied im Kirchenausschuss für Klima, Umwelt und Landwirtschaft der EKM.
Als eine der ersten Landeskirchen hat die Evangelische Kirche Mitteldeutschland die Kriterien für die Pächterauswahl offengelegt: „Neben der Höhe des Pachtpreisangebotes kann der Bewerber mit einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung, mit seiner regionalen Herkunft und mit seiner Kirchenzugehörigkeit punkten. Bei sozialem Engagement – wie zum Beispiel einer hohen Zahl an Ausbildungsplätzen – gibt es einen zusätzlichen Bonus“, sagt Judith Königsdörfer, Agraringenieurin und Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses bei der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland.
Keine Agrarpolitik betreiben
„Soziale und wirtschaftliche Aspekte bei der Auswahl des Pächters sind in Ordnung, aber ökologische Kriterien sind ein großer Knackpunkt“, moniert Jörn Ehlers, Vorsitzender des Landvolk-Kreisverbandes Rotenburg-Verden. Ehlers ist überzeugt: „Die Kirche sollte lieber über die gesellschaftliche Diskussion Einfluss nehmen und den Landwirten nicht vorschreiben, wie sie den Boden zu bearbeiten haben.“
Mortimer von Rümker ist ebenfalls der Meinung, dass die Kirche nicht Partei ergreifen sollte für eine bestimmte Wirtschaftsweise oder Betriebsform. „Da ist man schnell mit Begriffen wie Massentierhaltung und industrieller Landwirtschaft dabei. Aber wir dürfen mit den Vergabekriterien als Kirche keine Agrarpolitik betreiben, sondern das Land den Betrieben geben, die es am besten bewirtschaften“, sagt der Landwirt. Deshalb wurde dem Punktekatalog der EKM kein Kriterium für ökologischen Anbau hinzugefügt.
Wunsch nach Bilderbuchidyll
Auch Gerhard Beha vom Erzbischöflichen Ordinariat (EBO) in Freiburg lehnt es ab, Ökobetriebe gegenüber konventionellen Höfen als Pächter zu bevorzugen. Er sagt: „Wenn man konventionelle Betriebe ausgrenzt, trifft das jene Bauern, die unsere Kulturlandschaft geschaffen haben und bis heute im Wesentlichen erhalten.“ Beha ist überzeugt: „Eine pauschale Bevorzugung der ökologisch wirtschaftenden Betriebe kann nicht die Lösung sein.“
Doch die Diskussion in der Kirche ist offenbar noch lange nicht am Ende. Maren Heincke von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau: „Auch wir beobachten eine Entfremdung zwischen einem großen Teil der Bevölkerung und der Landwirtschaft. Manche Kirchenvorstände halten eine Bilderbuchidylle der Landwirtschaft hoch und werden den Bauern damit überhaupt nicht gerecht. Manchmal ist auch eine ökobewegte Szene in Kirchenvorständen präsent. Denen muss man sagen, dass wir auch konventionelle, gut geführte Betriebe brauchen, die oft längst Elemente des Biolandbaus übernommen haben.“
Die Kirchenvertreterin sieht deshalb in der Pachtvergabe eine Chance, dass sich die Bevölkerung und die Landwirte begegnen und miteinander reden. „Das ist für alle Seiten ein Gewinn“, ist Heincke überzeugt. Ihr Wort in Gottes Ohr. ●
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