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Lebensmittelkennzeichnung: Das Über-Lebenszeichen

Verbraucher sollen künftig bei jeder Fleischart erfahren, ob die Ware aus Deutschland stammt.

Wann wird das Herkunftszeichen „Gutes aus Deutscher Landwirtschaft“ starten?

Derzeit bereiten Handel und Industrie gemeinsam mit den Verpackungsherstellern die praktische Einführung des Siegels vor. Das ist ein mehrstufiger Prozess. Ich könnte mir vorstellen, dass die Verbraucher Ende des ersten Quartals die ersten Produkte mit dem Zeichen im Regal finden werden.

Gibt es einen festen Zeitplan?

Einen fixen Zeitplan gibt es nicht. Der Handel hat jedoch großes Interesse an einer zügigen Einführung und arbeitet daran.

Interviewpartner

Peter Jürgens

Geschäftsführer der Zentrale Koordination Handel Landwirtschaft eV (ZKHL)

Welche Produkte werden das Zeichen tragen?

Beim Fleisch sind Rind- und Kalbfleisch, Schweinefleisch und Geflügel abgedeckt. Wir setzen dabei bereits bei der Geburt des Tieres an. Das klammert Schweinefleisch von importierten Ferkeln von der Zeichennutzung aus. Die Hoffnung ist, dass über die bessere Sichtbarkeit der deutschen Herkunft die Nachfrage nach deutschen Ferkeln gestärkt wird. Eier, Obst und Gemüse, Kartoffeln und Milch können ebenfalls gekennzeichnet werden. Für die Auszeichnung von Eiern beginnen wir ab dem Legebetrieb, da die deutschen Brutkapazitäten durch die Regeln zum Kükentöten fast vollständig zum Erliegen gekommen sind. Ab 2025 wollen wir aber auch den Schlupf und die Junghennenaufzucht als verbindliches Kriterium für die Kennzeichnung vorsehen. Im Moment wäre das noch unrealistisch.

Wird das Herkunftszeichen nur auf verpackter Ware zu sehen sein?

Nein. Die Kennzeichnung wird nicht nur für verpackte Ware, sondern auch für lose Ware möglich sein. Der Verbraucher wird auch an der Fleischbedienungstheke eine eindeutige, gut lesbare Herkunftskennzeichnung vorfinden.

Wie sehen die Regeln für Obst und Gemüse sowie Milch aus?

Bei Obst und Gemüse müssen Erzeugung und Verpackung in Deutschland erfolgen. Milch und bestimmte Milchprodukte können ebenfalls mit dem Siegel gekennzeichnet werden. Teile der Milchindustrie sind allerdings nicht wirklich begeistert von der Initiative.

Woran liegt das?

Der Rohstoff Milch wird auch grenzübergreifend erfasst und verarbeitet. Eine Kennzeichnung zum Beispiel von Trinkmilch, Quark oder Joghurt als in Deutschland erzeugt, erfasst und verarbeitet ist nicht ohne weiteres möglich. Grenznahe Molkereien müssen, wenn sie teilnehmen wollen, eine getrennte Erfassung und Verarbeitung der deutschen Rohmilch sicherstellen. Das verursacht unter Umständen einen zusätzlichen Aufwand.

Eine Massenbilanzierung der Milchströme reicht nicht aus?

Mit Blick auf die Glaubwürdigkeit gegenüber dem Verbraucher erwarten wir die Nämlichkeit der Ware. Es gibt Milchverarbeiter, die das können und wollen. Andere beobachten noch, welche Forderungen der Handel stellt. Am Ende entscheidet der Markt. Die Teilnahme am System ist freiwillig.

Kann deutscher Käse das Siegel tragen?

Aktuell bieten wir die Auszeichnung für Produkte der sogenannten weißen Linie an. Die gelbe Linie ist noch außen vor – genauso wie zum Beispiel auch Fleischzubereitungen und Wurstwaren momentan nicht im Fokus stehen. Wir wollen es zu Beginn nicht zu kompliziert machen, sondern uns mit Monoprodukten im Markt etablieren. Dann haben wir die Chance, die Herkunftskennzeichnung nach und nach auszuweiten.

Zucker, Mehl und Rapsöl aus Deutschland werden nicht gekennzeichnet?

Diese Branchen sind bisher nicht an uns herangetreten. Wir würden uns freuen, wenn sie dazustoßen. 

Wie erfolgt der Nachweis der Herkunft?

Beim Rind ist die Herkunft des Tieres bei der Schlachtung durch die gesetzliche vorgeschriebene Kennzeichnung zweifelsfrei feststellbar. Bei Schwein ist die Lieferantenerklärung der Erzeuger im Markt etabliert und gibt dem Schlachtunternehmen die notwendigen Informationen. Für Obst, Gemüse und Kartoffeln reichen die gesetzlichen Regelungen aus. Bei der Milch müssen die Molkereien geeignete Systeme nachweisen.

Wird es Kriterien geben, die über die Herkunft hinausgehen?

Das ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorgesehen. Dafür gibt es auch bereits etablierte Systeme wie etwa QS und ITW.

Wie werden Verstöße sanktioniert?

Bei fortgesetzten schwerwiegenden Verstößen gegen die Zeichenkriterien sind Vertragsstrafen vorgesehen bis hin zum Entzug der Zeichennutzung. Darüber entscheiden kompetente Beiräte im Einzelfall innerhalb des gesetzten Rahmens. Dieses System hat sich unter anderem bei QS und Orgainvent bewährt.

Einige Handelsunternehmen haben bereits eigene nationale Herkunftssiegel. Werden diese auslaufen?

Das ist ein zentraler Punkt. Der Handel hat großes Interesse daran, seine individuellen Lösungen durch ein einheitliches deutsches Herkunftszeichen abzulösen. Die Erwartung ist, dass eine einheitliche Kennzeichnung durch den Verbraucher eher wahrgenommen wird. Darum haben die Initiatoren, das sind Aldi Nord, Aldi Süd, Edeka, Kaufland und Lidl sowie die Rewe Group, zugesagt, ihre eigenen Herkunftszeichen einzustellen. Das ist ein starkes Signal. Wir räumen auf bei den Kennzeichen, statt noch mehr einzuführen.

Folgt daraus, dass die Kennzeichnung bei den Handelsmarken starten wird?

Die Handelsmarken werden zu Beginn der Treiber sein. Es gibt aber auch einige Markenhersteller, unter anderem im Fleischbereich, die von Anfang an dabei sein werden. Wer als Hersteller einer Handelsmarke mit uns einen Lizenzvertrag unterzeichnet, kann das Zeichen selbstverständlich auch für seine Markenprodukte nutzen. Daher wird es in allen Bereichen, vom Obst bis zum Fleisch, Mehrfachnutzer geben.

Haben Sie untersucht, was eine Deutschlandkennzeichnung dem Verbraucher preislich wert ist?

Die Hochschule Osnabrück hat eine Untersuchung zu dem Zeichen selbst gemacht. Der Traktor auf dem stilisierten Acker in Schwarz-Rot-Gold ist das Ergebnis einer Verbraucherbefragung. Studien zur Preisdifferenzierung wurden nicht durchgeführt. Das wäre auch Fischen im Trüben. Wir wissen doch alle: In einer Umfrage antworten die Befragten anders, als sie sich in der konkreten Einkaufssituation entscheiden. Im Geschäft steht dann doch der Preis im Vordergrund.

Das heißt, es wird keinen Preisaufschlag geben?

ir erwarten keine preisliche Differenzierung. Die Landwirte werden für diese Erzeugnisse nicht mehr Geld erhalten. Wir wollen nachhaltige Wertschöpfung über nachhaltige Wertschätzung erzielen. Der Verbraucher soll über die Identifizierbarkeit der Ware eine Wertschätzung für sie entwickeln. Einen Preisaufschlag darf kein Erzeuger erwarten. Hier geht es aus Sicht der deutschen Landwirtschaft vielmehr um Existenzsicherung.

Wie wird für das Siegel geworben?

Die ZKHL hat kein Budget für eine breite generische Werbung zum Herkunftszeichen. Wir haben unsere Homepage, die ausgebaut wird, und wir werden die Einführung der ersten Produkte im Handel für die mediale Berichterstattung nutzen. Die wesentliche Werbung für das Zeichen wird der Handel über seine Handzettel, Flyer und Apps selbst betreiben.

Wird das Zeichen auch im Export eingesetzt?

Erfreulicherweise haben wir bereits Anfragen von Handelsunternehmen, die international tätig sind. Das betrifft sowohl das deutschsprachige Ausland als auch Osteuropa. Wir haben jedenfalls nichts gegen eine solche „Exportförderung“ für deutsche Produkte. So wie die französischen Geflügelerzeuger mit ihrem Label Rouge international erfolgreich sind, könnte das umgekehrt auch für deutsche Agrarprodukte gelingen.

Ist das Herkunftssiegel EU-rechtlich abgesichert?

Wir haben das Zeichen kartellrechtlich und markenrechtlich sehr intensiv geprüft. Das ist meines Erachtens maßgeblich. Mit geltendem EU-Recht sehen wir keinerlei Konflikt, weil die Kennzeichnung freiwillig ist und keine öffentlichen Gelder verwendet werden. Die Finanzierung erfolgt zu 100 Prozent aus dem Markt über die Lizenznehmer und über die Anschubfinanzierung der Initiatoren.

Wie ist das Verhältnis zur gesetzlichen Herkunftskennzeichnung?

Wir ersetzen das gesetzliche Kennzeichen nicht, sondern stehen nebeneinander. Allerdings wird unser freiwilliges Siegel deutlich prägnanter auf den Verpackungen erscheinen, sehr viel mehr Produkten umfassen und auch die Geburt der Nutztiere in Deutschland einbeziehen.

Auf welche Laufzeit ist das System angelegt?

Die Branchenvereinbarung reicht bis einschließlich 2026. Sind wir erfolgreich, bin ich sehr zuversichtlich, dass es eine Fortsetzung und höchstwahrscheinlich auch eine Ausweitung auf weitere Produktgruppen und Angebotsformen geben wird.

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