Immergrünes System: „Ein neues Level für den Boden“
Wie sind Sie auf das Thema Humusaufbau im Ackerbau gekommen?
Der starke Druck, den Boden so schnell wie möglich aufzubauen, ist durch den Betrieb, den wir vor fünf Jahren übernommen haben, gekommen. ZuHause haben wir durch die Vorarbeit meines Vaters einen Humusgehalt von 4 Prozent. Da weiß man, dass der Boden Wasser gut aufnimmt und, dass er Pflanzen gut mit Nährstoffen versorgen kann. Mit so einem Boden kann man Geld verdienen, wenn man nicht viel falsch macht. Bei dem Betrieb, den wir übernommen haben, ist das mit Humusgehalten um die 1,5 Prozent anders.
Wie haben Sie den Verpächter überzeugt?
Damals gab es noch kein fertiges Konzept, wie ich es jetzt habe. Ich bin mit dem Ziel zum Verpächter gegangen, den Boden aufzubauen. Der hat erkannt: Ein Boden, der 1 Prozent mehr Humus hat, ist mindestens 1 Euro mehr wert, und das ist in 10 bis 15 Jahren umsetzbar. Mittlerweile haben wir unsere langfristige Zusammenarbeit noch mal verlängert.
Welche Rolle spielt Kompost für den Bodenaufbau?
Das Ziel unserer Kompostanlage war immer auch der Humusaufbau. Kompost hat drei Facetten für den Humusaufbau. Die erste ist die direkte Humuswirkung des Düngers. Die ist gar nicht so groß, wie manche glauben. Der zweite Effekt ist die mikrobiologische Düngung, die Mikrobiologie, die man mit dem Kompost in den Boden bringt. Der Effekt ist aber: Wir bringen alle Nährstoffe zurück,die Pflanzen und Bodenleben benötigen. So können wir mehr Pflanzen- und Wurzelwachstum realisieren. Das bringt mehr Pflanzenreste in den Boden, die Humus werden können. Das ist nicht das einzige Ziel in der Landwirtschaft aber aus meiner Sicht der einzig richtige Weg zu einem „klima-fitten“ Boden.
Wie wichtig ist Kompost in ihrer Düngestrategie?
Schon bevor wir vor 15 Jahren auf Bio umgestellt haben, haben wir nur mit Kompost gedüngt und nicht mit mineralischer Ergänzung.
Wie stellen Sie den Kompost her und was sind die Unterschiede zu Deutschland?
Das Ziel ist es hochwertigen Kompost herzustellen. Die Rotte findet sehr kontrolliert auf kleinen Mieten statt, der Kompost wird belüftet, bewässert und der mikrobiologische Prozess wird genau überwacht. Die Rotte dauert auch ziemlich lange. Das heißt, der Kompost für die Landwirtschaft ist zumindest zehn, zwölf Wochen alt. In Deutschland sind die Mieten oft 4 bis 6 m hoch. Der Fokus liegt eher darauf, Abfall zu entsorgen.
Wie sehen Ihre Fruchtfolgen aus?
Eine richtig feste Fruchtfolge habe ich nicht. Da ich keine größere Viehhaltung habe, bin ich mit meinen Kulturen sehr flexibel und kann, je nachdem wie die Bodenverhältnisse sind, sehr spontan entscheiden, was ich auf der Fläche mache. Die wirtschaftlich wichtigsten Früchte sind Mais und Soja. Dazu kommt Hanf, der eine kleinere Rolle spielt. Zwischen diesen Sommerungen baue ich nach der Ernte – egal wie spät – immer noch etwas an. In der Regel sind das Gemenge aus Wicke, Weizen, Tritcale oder Roggen, aber auch Rübsen oder manchmal ein Winterraps. Ich nenne sie Optionsfrüchte. Je nach Marktlage, Zustand der Kultur und des Bodens entscheide ich im Frühjahr, ob ich die Winterungen als Gründüngung umbreche oder stehen lasse. Die Winterungen werden bei mir mit Direktsaat oder nur mit minimaler Bodenbearbeitung angebaut. Wenn ich das Gefühl habe, dem Boden würde es gut tun und die Fläche könnte ein Gemenge gebrauchen, dass viel Nährstoffe dalässt, dann nehme ich beispielsweise das Wicken-Getreide- Gemenge als Hauptkultur. Wenn ich Wickgetreide früh aussäen kann, bringe ich auch eine Untersaat mit aus, die schon im Herbst etabliert wird. Für mich ist das das Herzstück des Bodenaufbaus. Eine reine Leguminosen-Getreide-Winterbegrünung oder eine Untersaat im Mais bringen auch etwas, aber wirklich große Effekte für den Boden, sehe ich besonders bei einer Untersaat, die im Herbst zusammen mit dem Getreide etabliert wird. Das spürt man auch beim Ertrag der Folgekultur.
Woraus besteht die Untersaat?
Die Untersaat besteht aus einer Klee-Gräser-Mischung. Sobald die Hauptkultur abreift ist, startet sie durch und durchwurzelt den Boden sehr stark. Der Klee schließt außerdem noch Stickstoff auf. Das bringt den Boden wirklich auf ein anderes Level.
Schaffen es die anderen Kulturen, sich gegen die Untersaaten durchzusetzen?
Der Umbruch ist das Schwierigste an der Untersaat. Die Aussaat ist das einfachste. Dazu bringe ich im Herbst nur 2,5 kg Saatgut pro Hektar aus, die ich mit dem Feinsämereienstreuer ausbringe. Das kostet nur 10 Euro pro Hektar. Die Untersaat im Frühjahr abzutöten, war für mich ein größeres Problem. Deutsches Weidelgras ist ein Überlebenskünstler, weil es so viel Wurzelmasse hat. Pflügen wäre das Einfachste, aber was bringt es mir, wenn ich Untersaaten anbaue, ein top Bodengefüge habe und dann mit dem Pflug alles umdrehe? Mit meinem derzeitigen System, der Kettenscheibenegge bin ich sehr zufrieden.
Was überzeugt Sie an der Kettenscheibenegge?
Auf die Kettenscheibenegge bin ich im Internet gestoßen. Grundsätzlich geht es auch mit einer Fräse oder einem 6-m-Ultraflachgrubber, aber diese Techniken haben Nachteile. Die Fräse kostet viel Geld, weil sie wenig Flächenleistung hat, und Grubber haben keine Bodenanpassung. Die richtige Einstellung ist hier schwierig. Fährt man damit zu tief, werden große Gras-Wurzel-Horste aus dem Boden gerissen, die immer wieder anwachsen. Die Kettenscheibenegge ist dagegen primitiv und günstig. Zu beachten ist aber, dass man damit 12 m große Wenderadien fahren muss. Auch die Kettenscheibenegge muss so eingestellt werden, dass sie über die ganze Breite gleich tief arbeitet.
Gibt es Probleme mit Unkraut?
Unkräuter sind immer ein Thema im Bioackerbau. Bei mir spielen besonders die Lichtkeimer eine Rolle. Mais und Soja pflege ich mit einer mit Kamera und GPS gesteuerter Mulchsaat-Hack-Hacktechnik. So kann ich in engen Hackbändern und bei hohen Geschwindigeiten arbeiten. Wenn sich da trotzdem ein Lichtkeimer-Samenpotenzial aufgebaut hat, stelle ich die Fläche für 1 bis 2 Jahre auf Winterungen um. Auch die dauerhafte Bodenbedeckung und ein aktives Bodenleben helfen. Die Untersaat unterdrückt die Unkräuter und das Bodenleben baut die Samen ab.
Welche Erträge erreichen Sie mit dem System?
Beim Körnermais haben wir zuh Hause durchschnittliche Erträge von um die 10t/ha. Manchmal erreichen wir auch Spitzenerträge von bis zu 13 t/ha. Das ist nicht das Top Level der konventionellen Betriebe in meiner Region, aber auch nicht so weit weg. Beim Getreide liegen wir bei 3 bis 4 t und so als viehloser Bio-Landwirt deutlich unter den konventionellen Betrieben der Region. Als Biobetrieb haben wir trotz hoher Humusgehalten keinen schnell verfügbaren Stickstoff im Frühjahr. Diesen Nachteil wollen wir mit einer Biogasanlage für Reststoffe und Abfälle ausgleichen. Mit flüssigem Gärrest können wir auch bei den Winterungen 80 Prozent von dem, was die Konventionellen schaffen, erreichen. Das ist ökologisch ausgewogen, da wir als Bio-Betrieb auch weniger Betriebsmittel einsetzen. Wenn ich nur die halben Erträge der Konventionellen erzeuge, kann ich langfristig die Flächennutzung für den Bio-Getreideanbau nicht rechtfertigen.
Wie gehen Sie mit Bodenverdichtungen um?
Ab und an lockere ich auch den Untergrund mit einem Untergrundlockerer in lebenden Zwischenfruchbeständen. Das mache ich aber nur, wenn die Bedingungen perfekt passen. Manchmal stochere ich vorher lange mit dem Spaten herum und überlege, ob es von der Feuchte passt. Es darf weder zu feucht noch zu trocken sein. Außerdem brauche ich einen Pflanzenbestand, der schon da ist, um den gelockerten Unterboden mit seinen Wurzeln zu stabilisieren, sonst ist das Lockern kontraproduktiv. Der Untergrundlockerer hebt den Boden nur etwas an und dreht ihn nicht.
Welche Bedeutung hat Wirtschaftlichkeit für Sie?
Wirtschaftlichkeit ist für mich ein sehr wichtiges Thema. Wir zeichnen alles genau auf, von den Traktorstunden bis zur Werkstatt-Stunde. Arbeitsstunden bewerten wir im Schnitt mit 35 Euro. Damit ich weiß, ob ich auch auf einem wirtschaftlich nachhaltigen Weg bin, muss ich die Kosten genau erfassen. Letztes Jahr war wirklich gut für uns. Ich glaube, es sollte mög- lich sein, dass man mit dem Fokus auf Boden- aufbau abzüglich aller Kosten einen Gewinn von über 500/ha Euro erzielen kann, auch auf Flächen, die lange humuszehrend bewirtschaftet wurden. Und den Gewinn brauchen wir auch als Landwirte, die unternehmerische Risiken übernehmen und gesellschaftliche Leistungen erbringen.
Welche Erfahrungen haben Sie mit Mob Grazing?
Ich habe die Flächen ein Jahr lang mit Schafen beweidet. Das hat ein Dreivierteljahr super funktioniert, doch dann begannen sie, ständig auszubrechen. Wir werden deshalb künftig miteinem Landwirt zusammenarbeiten, der Angusrinder hält. Die sind allerdings viel schwerer als Schafe und verdichten den Boden mehr. Die Rinder werden wir überwiegend auf den Wiesen halten und im Sommer auf den Untersaaten weiden lassen, wenn die Witterung passt.
Was raten Sie Berufskollegen, die Bodenaufbau betreiben wollen?
Der einfachste Weg ist, das Feld immer grün zu halten. Untersaaten sind da eine effektive und kostengünstige Methode. Es kann aber auch eine ausgeklügelte Sommerzwischenfrucht oder eine winterharte Zwischenfrucht sein. Je nach Region können auch andere Konzepte besser passen. Nicht zu kompli- ziert denken, sondern einfach ausprobieren! Mit dem Spaten aufs Feld gehen und einfach schauen: Was hat mir das auf meiner Fläche gebracht? Was beim Humusaufbau am meisten bringt, ist so viel Pflanzenwachstum wie möglich auf der Fläche. Wenn ich noch den Humusabbau und die Zerstörung des Bodengefüges durch Bodenbearbeitung möglichst weit minimiere, bin ich auf einem guten Weg. Das kann jeder Betrieb. Gerade konventionelle Betriebe, die leichter mit Direktsaaten arbeiten können, haben hier gute Erfolge. ●
Interview: johanna.fry@agrarheute.com
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