Landwirtschaft braucht eine Stimme
Auf den Punkt
- Die Landwirtin Katja Ölberger wurde 2020 in den Kreisrat Neu-Ulm gewählt.
- Auf kommunaler Ebene macht sie sich für landwirtschaftliche Interessen stark.
- Ein wichtiges Thema auf ihrer politischen Agenda ist der landwirtschaftliche Flächenfraß.
„Entsorgung Silofolie“, der Tagesordnungspunkt sorgt für ein Raunen unter den Vorstandsmitgliedern des Maschinenrings Allgäu-Schwaben. An den Biertischen in der großen Maschinenhalle werden die Stimmen lauter. „2014 gab es schon das Wahlversprechen, dass es dafür eine Lösung gibt“, empört sich ein Landwirt. Seit diesem Jahr ist es nun amtlich: Die Bauern Neu-Ulms können ihre Silofolie nicht mehr einfach beim Müllheizkraftwerk Weißenhorn entsorgen, aber eine praktikable Alternative fehle, so der Tenor.
Katja Ölberger notiert sich in ihrem Notizbuch groß „Silofolie“ mit Fragezeichen. „Ich werde mich da mal schlau machen“, verspricht sie den Vorstandskollegen. Die 35-Jährige hat dafür die nötigen Kontakte, denn sie sitzt als Kreisrätin in wichtigen politischen Gremien. Die Kommunalpolitikerin ist die Stimme der Landwirte ihrer Region. Zusammen mit ihrem Mann betreibt sie selbst einen Betrieb mit Kartoffelanbau und Direktvermarktung im Gewerbegebiet Senden. Vor einigen Monaten zog sie als Kreisrätin in den Neu-Ulmer Kreistag ein.
„Ich wollte eigentlich gar nicht in die Politik.“ Andere sahen schon länger das Potenzial in ihr, drängten sie immer wieder, sich aufstellen zu lassen. Kein Wunder, denn Katja Ölberger brennt für den Erhalt der bäuerlichen Landwirtschaft, für die Zukunft ihres und anderer Höfe. Sie kann reden – keine heiße Luft, sie lässt auf Worte Taten folgen.
Junglandwirtin mit Idealen
Bereits mit 21 Jahren wird Ölberger zur Ortsbäuerin und fünf Jahre später in den Vorstand des Kreisbauernverbands gewählt. Beharrlich engagiert sie sich seitdem für die Belange der Bauern in der Region, deren Flächen von den wachsenden Bau- und Gewerbegebieten Neu-Ulms immer weiter aufgefressen werden. Sie organisiert Hoffeste und bringt Landwirte mit politischen Entscheidern an einen Tisch. Sie tanzt buchstäblich auf allen Festen, wenn sie das Gefühl hat: „Ich kann etwas bewegen.“ „Yes we can“ – das ist auch ihr Credo. Ob als Vorstandsmitglied des örtlichen Gewerbeverbands, der Maschinenringe, des Fördervereins „Einkaufen auf dem Bauernhof“ oder im Bauernverband: Sie will sich und der Landwirtschaft Gehör verschaffen.
Doch ein politisches Amt lag ihr zunächst fern. Es brauchte erst das Volksbegehren „Rettet die Bienen“, dessen Erfolg ihr den entscheidenden Stoß versetzte. „Da ist mir klar geworden, wir müssen uns politisch noch stärker einbringen. Wir Bauern brauchen auf politischer Ebene eine Stimme.“
Ölberger trat in die Junge Union ein und ließ sich als Kreisratskandidatin auf die Liste setzen. „Bei der Jungen Union spürte ich eine jugendliche Energie und ein Vorwärtsgehen.“ Das motivierte sie weiter. Chancen rechnete sie sich nicht groß aus. Nichtsdestotrotz packte sie den Wahlkampf an und warb an Neu-Ulms Haustüren für Stimmen. Viele Bürger kannten Ölberger schon aus Kinderzeiten, als sie zusammen mit ihrem Vater Kartoffeln an die Haustüre lieferte. Statt Kartoffelsäcke übergab sie diesmal ihre Visitenkarte mit ihrem Wahlkampfslogan: Innovativ, Regional, Engagiert. Am späten Wahlabend stand das Telefon nicht mehr still. Es regnete Glückwünsche. „Ich habe es bis zuletzt nicht geglaubt.“ Bis zur offiziellen Verkündung der Wahlergebnisse ein paar Tage später winkte sie Gratulationen ab. Doch Ölberger schaffte es auf den dritten Listenplatz und das im ersten Anlauf.
Stark gegen den Flächenfrass
Die frischgebackene Kreisrätin startet sofort durch. Sie weiß, was sie will: Einen festen Sitz im Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr. „Da hab ich schon ein bisschen die Ellbogen eingesetzt, denn ein Riesenthema ist für mich der Flächenfraß.“ Rund um Neu-Ulm fallen immer mehr landwirtschaftliche Flächen der Ausweitung von Bau- und Gewerbegebieten zum Opfer. Auch Ölbergers Kartoffelhof steht inmitten des Gewerbegebiets Senden Süd. Wo zu ihrer Kindheit noch Äcker und Wiesen waren, stehen jetzt Industrie- und Gewerbehallen. Ihr erklärtes Ziel, den Flächenverbrauch zu bremsen, verfolgt sie auch als Vorstandsmitglied des Gewerbeverbands. Als landwirtschaftliche Direktvermarkterin ist sie dem Verband beigetreten, denn die Landwirtschaft war dort kaum vertreten. „Auch da brauchen wir einen Fuß in der Tür.“
Es gehört zur Politik dazu, dass man klare Kante zeigt und auch mal aneckt.
Soll neu gebaut werden, erfährt sie es dort oft als Erste. Frühzeitig klinkt sie sich ein und wirbt für Alternativen zu Ausgleichsflächen wie zum Beispiel Ökopunkte. „So können die Landwirte ihre Flächen weiter bewirtschaften.“ Zusammen mit anderen Landwirten und dem örtlichen Bauernverband fordert sie im Landkreis die Einführung eines Ökopunktekontos als Ausgleich bei neuen Bauprojekten. Als Kreisrätin sitzt sie jetzt aber mit am Tisch der Entscheider und sie lässt nichts anbrennen. „Gleich in der allerersten Sitzung habe ich mich mit der Autobahndirektion angelegt.“ Auf der Agenda der Ausschusssitzung steht der Ausbau der A7. Im Rahmen des Autobahnausbaus soll zur Verkehrsentlastung Sendens eine Osttangente zur Ortsumfahrung gebaut werden.
Damit haben die hiesigen Landwirte ein Problem. „Die Osttangente kostet unnötig landwirtschaftliche Fläche“, erklärt Ölberger in der Sitzung. Sie hat sich gut vorbereitet und legt prompt einen Antrag zur Prüfung einer weiteren Autobahnauffahrt statt der geplanten Osttangente vor. Die Vertreter der Autobahndirektion winken ab, eine weitere Auffahrt sei schwierig umsetzbar. Doch Ölberger weiß, wie Politik geht. Sie hat sich durch Gespräche im Vorfeld Unterstützung für ihr Anliegen gesichert. Der Landrat und die Bürgermeisterin sind in dieser Angelegenheit bereits ihre Verbündeten und befürworten die Prüfung der Autobahnauffahrt. Die Autobahndirektion muss zerknirscht einlenken. Ihr erster Erfolg, doch damit macht sie sich nicht überall beliebt.
Voller Einsatz, klare Kante
„Es gehört zur Politik dazu, dass man klare Kante zeigt und auch mal aneckt. Das erwarten meine Wähler und das erwarte auch ich von Politikern. Ich bin nicht gewählt worden, um meinen Schnabel zu halten.“
Auch beim Politikum Silofolienentsorgung klemmt sich Ölberger sofort dahinter. Am Tag nach der Vorstandssitzung der Maschinenringe telefoniert sie mit dem Werksleiter des Müllheizkraftwerks. Dieser zeigt sich gesprächsbereit. Private Entsorger übernehmen das neu vorgeschriebene Recycling der Folien, Lieferzeiten und Kosten seien kommuniziert, heißt es. Dafür müssen die Bauern ihre Folie jetzt allerdings besenrein abgeben. Das bedeutet ein Mehraufwand. „Die meisten Bauern haben damit gar kein Problem, sehen den Umweltaspekt ein“, erfährt Ölberger in weiteren Gesprächen mit anderen Berufskollegen des Landkreises. „Manchmal wird auch einfach nur mal losgeschimpft.“ Das kennt sie schon. Ohne konkreten Verbesserungsvorschlag sieht sie erst mal keinen Handlungsbedarf. Trotzdem hat sie für jeden ein offenes Ohr, „Versprechen tue ich allerdings nichts. Aber ich setze mich immer ein.“ Das ist Ölbergers politischer Leitsatz. ●
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