„Frag doch mal die agrarfrauen!“
„Hilfe! Ich brauche Rat von Profis!“ schreibt Tea Hartmann in der agrarfrauen Facebook Gruppe. Das Problem: Ihr Kalb trinkt nicht. Die junge Bäuerin hat wenig Erfahrung, wie sie schreibt. Sie befürchtet, einen Fehler zu machen. Im Kommentarfeld blinken Pünktchen - das Zeichen, dass jemand antwortet. Ein Kommentar nach dem anderen erscheint unter ihrem Beitrag. Am Ende haben ein gutes Dutzend Frauen Tipps aus ihrer Praxis gegeben und der jungen Bäuerin Mut zugesprochen.
Viele der 3000 Mitglieder der agrarfrauen profitieren täglich von der Schwarmintelligenz der Facebook Community. „Es ist ein toller Austausch! Ich habe auch schon viele hilfreiche Tipps erhalten“, so Landwirtin Katharina Schilcher, die sich regelmäßig bei den agrarfrauen Rat holt.
„Frag doch mal die agrarfrauen“, sagt der Ehemann öfter mal, wenn er keinen Rat mehr weiß, berichtet ein anderes agrarfrauen-Mitglied. Ob Kälber richtig tränken, den Ehevertrag aufsetzen, Betriebshelfer finden oder die besten Handcremes bei rissigen Händen, die agrarfrauen wissen nicht nur Rat, sie machen sich auch gegenseitig Mut. Bei familiären Problemen wenden sich die Frauen gerne an die geschlossene Gruppe. Hier ist man unter sich, kann offen reden und trifft Frauen mit ähnlichen Erfahrungen.
Austauschplattform für Unternehmerinnen
Über 3.000 Frauen aus der Landwirtschaft haben sich bisher in der Facebook-Gruppe für agrarfrauen vernetzt. Die Community ist sehr aktiv: Pro Woche posten die Frauen rund 25 Beiträge. Dass die agrarfrauen Gruppe so ein Erfolg werden würde, hätten sich die Gründerinnen anfangs nicht träumen lassen.
Beim Feierabendbierchen kam den agrarheute Redakteurinnen die Idee für das Frauennetzwerk. Der Branche fehlte es an einer überregionalen Austauschplattform für Unternehmerinnen in der Landwirtschaft, da waren sich die Damen einig. „Frauen spielen für mich in der Landwirtschaft eine ganz besondere Rolle. Oft managen sie die Betriebe vor und hinter den Kulissen. Sie haben ein großes Bedürfnis nach speziellen Informationen und gegenseitigem Austausch. Und genau das wollten wir aufgreifen“, so Mitgründerin Anke Fritz.
Damit sich Frauen aus der Landwirtschaft überregional besser vernetzen und auf Veranstaltungen fachlich austauschen können, gründete agrarheute Anfang 2019 das agrarfrauen Netzwerk. Als erster Schritt sollte eine virtuelle Plattform auf Facebook entstehen, um so möglichst viele Frauen über die Regionen hinweg zu erreichen. Stichtag sollte der internationale Frauentag sein.
So ging am 8. März 2019, dem Weltfrauentag, die agrarheute Gruppe für agrarfrauen auf Facebook live. Es dauerte keine Stunde, da waren die ersten Mitgliedsanfragen eingetrudelt. Die Gruppen-Administratoren kamen mit den Genehmigungen kaum hinterher. Nach nur einer Woche waren bereits 500 Damen aus der grünen Branche Mitglied bei den agrarfrauen geworden.
Mitmachen
Mit dem agrarfrauen Netzwerk bietet agrarheute eine fachlich orientierte Plattform für Frauen aus der Landwirtschaft. Dazu zählt die geschlossene Facebook-Gruppe agrarfrauen, die von agrarheute-Fachredakteurinnen moderiert wird. Sie steht ausschließlich Frauen mit landwirtschaftlichem Bezug offen. Interessierte können hier einen Mitgliedsantrag stellen:
www.facebook.com/group/agrarfrauen
Zudem veranstaltet agrarheute für agrarfrauen-Mitglieder Netzwerk-Treffen zum persönlichen Austausch auf Messen und Höfen. Das nächste Netzwerk-Treffen findet am 22. April 2022 auf der agra Leipzig statt.
Auch zahlreiche Männer beantragten Zutritt. Eine Umfrage unter den agrarfrauen ergab, dass die große Mehrheit gerne unter sich bleiben mochte. „Schon am ersten Tag sind so viele persönliche Posts eingestellt worden. Ich glaube nicht, dass das möglich gewesen wäre, wenn auch Männer mit dabei gewesen wären. Da nehmen sich die Frauen doch eher zurück“, kommentierte agrarfrau Marianne Albersmeier die Debatte um den Männerzutritt.
Netzwerk-Treffen: Virtuell goes live
Seitdem wächst die Frauen-Facebook-Community von Tag zu Tag. Aber das agrarfrauen Netzwerk sollte nicht nur virtuell existieren, das war den Initiatorinnen wichtig. Persönliche Netzwerk-Treffen auf Messen und Höfen sollen den Frauen die Möglichkeit geben, sich persönlich kennenzulernen. So fand im August 2019 das erste agrarfrauen-Treffen auf dem Weinbaubetrieb der damaligen CeresAward Preisträgerin Cornelia Lehr statt. Trotz Erntestress fuhren 28 Frauen aus allen Himmelsrichtungen ins Taubertal nach Baden-Württemberg. Mit dem hofgekelterten Silvaner stießen die Damen auf die „agrarfrauen“ an und diskutierten bis spät in die Nacht.
Aber auch hinter den Kulissen vernetzen sich agrarfrauen, tauschen Kontakte aus und besuchen sich in der reellen Welt. In Ostfriesland trafen sich im selben Jahr 60 Frauen und gründeten die Regional-Gruppe „agrarfrauen Harlingerland“. „Ich stellte fest, dass die Frauen sich durch die Landvolkinfoabende nicht wirklich angesprochen fühlen“, so die Initiatorin Maren Ziegler, Geschäftsführerin beim Landvolk-Kreisverband Norden-Emden. Die agrarfrauen Gruppe Harlingerland soll laut Ziegler ein offenes Netzwerk sein und ergänzend zur Landfrauen- und Landvolkarbeit Anregungen speziell für Landwirtinnen bieten.
Frauen-Themen im Fokus
Angebote speziell für Landwirtinnen sind gefragt – ob Praxiskurse zum Führen von Landtechnik oder Themen, die sich etwa damit beschäftigen, wie man sich als Frau eines Landwirts finanziell absichert. Was die Frauen bewegt, zeigt ein Blick in die Facebook-Gruppe. Durch die agrarfrauen Community wissen die Redakteurinnen bei agrarheute stets, wo den Frauen der Branche der Schuh drückt und reagieren mit entsprechenden Inhalten. Dabei sind die agrarfrauen immer gerne bei der Recherche behilflich.
Mithilfe des Inputs der Community entstanden viele Fachartikel wie beispielsweise zum Trockenstellen, Stallkleidung waschen oder zur schnellen Verpflegung von Erntehelfern. Damit die Damen nichts verpassen, verschickt agrarheute seit einiger Zeit regelmäßig einen Newsletter mit Inhalten, die speziell auf die Leserinnen der Branche ausgerichtet sind. Zudem organisiert das agrarfrauen-Team hin und wieder Video-Chats mit Fachexpertinnen zu frauenspezifischen Themen, aber auch ein Landtechnikkurs speziell für agrarfrauen fand auf Wunsch der Community statt.
Es ist immer eine Win-Win-Situation, wenn sich Frauen für Frauen stark machen. In der Landwirtschaft ist das nicht überall selbstverständlich. Beim agrarfrauen Treffen in Markelsheim waren sich die Damen einig: Es braucht mehr Mentorinnen in der Landwirtschaft und mehr Lobkultur unter Frauen. „Aber wir stecken in einem Umbruch. Mit uns wächst eine Generation von Mentorinnen heran“, so agrarfrauen Mitglied Bettina Hanfstingl.
Bei den agrarfrauen finden Frauen wie Tea Hartmann, die als Stadtkind in die Landwirtschaft eingeheiratet hat, solche Mentorinnen, die ihr nicht nur mit fachlichem Rat zur Seite stehen, sondern ihr auch Mut machen, ihr Ding zu machen. Dafür ist Tea der Gruppe dankbar. Sie schreibt nach einigen Tagen unter ihren Facebook-Post: „Hallo zusammen, dem Kalb geht’s prächtig! Das Schwänzchen hat so stark gewedelt, so dass mein Herz aufgegangen ist. Danke an alle für die Ratschläge und lieben Worte. Ihr seid toll!“
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