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Landwirtinnen und Schwangerschaft

Gerade beim Umgang mit Rindern sollten schwangere Landwirtinnen vorsichtig sein, denn hier besteht ein hohes Verletzungsrisiko.

Schwangerschaft ist keine Krankheit. Wie stehen Sie dazu?

Dem stimme ich absolut zu. Allerdings kann man eine Schwangerschaft nicht pauschal betrachten, sondern jeden Fall einzeln. Während die einen mehr oder weniger problemlos bis zur Geburt des Kinds weiterarbeiten können, haben andere schon frühzeitig während der Schwangerschaft Einschränkungen, wie schnelles Ermüden und Übelkeit. Einfach zu sagen, eine Schwangere ist noch zu hundert Prozent leistungsfähig und kann alle Arbeiten auf dem Betrieb weitermachen wie bisher, das entspricht nicht der Realität.

Wie bekommen Landwirtinnen Schwangerschaft und Betrieb unter einen Hut?

Das hängt insbesondere davon ab, für welche Bereiche die Landwirtin auf dem landwirtschaftlichen Betrieb zuständig ist. Muss sie beispielsweise schwer heben oder lange stehen? Dabei ist es immer wichtig, dass jede Frau in sich hineinhorchen sollte, welche Arbeiten für sie auf dem Hof noch leistbar sind und welche nicht mehr.

Gibt es hierbei eine Orientierungshilfe?

Da empfehle ich zuallererst das Mutterschutzgesetz. Es gilt zwar nur für Beschäftigte in der Landwirtschaft und nicht für die landwirtschaftliche Unternehmerin oder die Ehefrau eines landwirtschaftlichen Unternehmers, kann aber durchaus als Orientierungshilfe dienen.

Wie lässt sich das Mutterschutzgesetz beispielsweise auf die Milchviehhaltung anwenden?

Schwangere sollten beispielsweise keine Melkeimer tragen, die über 5 kg wiegen. Diese Arbeit sollte entweder ein anderes Familienmitglied übernehmen oder die Eimer sollten sich mit einer Schiebevorrichtung transportieren lassen. Wegen erhöhter Verletzungsgefahr sollte die Landwirtin auch die Kühe nicht mehr selbst in den Melkstand treiben, denn es besteht immer die Gefahr, dass sie von einer Kuh angegriffen wird und schlimmstenfalls einen Tritt in den Bauch bekommt. Ein weiteres Problem während der Schwangerschaft ist langes Stehen, wie beispielsweise beim Melken im Melkstand.

Wie könnte man damit umgehen?

Eine Möglichkeit, hier Abhilfe zu schaffen, ist eine sogenannte Stehhilfe, auf die sich die Milchviehhalterin zwischendurch setzen kann. Auch regelmäßige Pausen sind wichtig. Eine weitere nicht zu unterschätzende Gefahrenquelle sind Leitern. Diese sollten Schwangere aufgrund von Sturzgefahr meiden.

Wie sieht es mit Krankheiten und Gefahrenstoffen aus? Gilt da besondere Vorsicht?

Auf jeden Fall. Sobald eine Kuh krank ist, darf die Frau keinen Kontakt mehr mit dem Tier haben. Möglicherweise liegt eine Infektionskrankheit vor, die auf den Menschen übertragbar ist und somit eine Gefahr für das Kind darstellen könnte. Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Gefahrenstoffe. Wenn im Melkstand beispielsweise Reinigungs- und Desinfektionsmittel eingesetzt werden, sollte die Landwirtin kontrollieren, ob das Mittel eine Gesundheitsgefährdung für Mutter und Kind darstellt. Das lässt sich anhand eines Gefahrstoffsymbols, wie beispielsweise einem Totenkopf auf der Verpackung, feststellen. Dann sollte sie sofort die Finger davonlassen. Es empfiehlt sich auch, immer die Sicherheitsdatenblätter der Hersteller zu lesen.

Was kann passieren, wenn man sich nicht schont?

Während der Schwangerschaft ist die Betreuung beim Frauenarzt recht engmaschig. Wenn der Arzt merkt, dass mit der Schwangeren oder dem Kind etwas nicht in Ordnung ist oder eine Risikoschwangerschaft besteht, wird er die Schwangere diesbezüglich auch intensiv beraten. Falls mögliche Komplikationen, wie die Gefahr einer Frühgeburt, drohen, dann weist der Arzt sie darauf hin, dass sie bestimmte Tätigkeit, wie beispielsweise viele Trage- und Hebetätigkeiten und langes Stehen, nicht mehr machen sollte. Daran sollte sich die schwangere Landwirtin auch unbedingt halten.

Wie bringe ich meiner Familie bei, dass ich nicht mehr voll einsatzfähig bin?

Als Erstes rate ich den Frauen, offen mit dem Thema umzugehen und auf die zu großen Arbeitsbelastungen hinzuweisen. Wichtig ist, dem Partner und der Familie zu sagen: „Der Frauenarzt hat gesagt, dass ich diese und jene Tätigkeit nicht mehr durchführen soll.“ Zudem empfehle ich auch gerne, den Partner mit zum Frauenarzt zu nehmen, da er dann aus erster Hand erfährt, was es zu beachten gibt. Zum Glück begleiten inzwischen schon viel mehr werdende Väter ihre Frau zum Frauenarzt.

Schwangere sollten schweres Heben und langes Stehen vermeiden.

Gibt es eine Art Checkliste, die mich auf mögliche Gefahren auf einem landwirtschaftlichen Betrieb hinweist?

Ja, die gibt es, und zwar die sogenannte Gefährdungsbeurteilung. Es ist sogar jeder Betriebsleiter gesetzlich dazu verpflichtet, sobald er Angestellte hat, egal ob weiblich oder männlich, eine Gefährdungsbeurteilung für seinen Betrieb durchzuführen. Anhand einer Checkliste muss er prüfen, wo mögliche Belastungen und Gefahrenquellen auf seinem Hof sind, die sich negativ auf den Schwangerschaftsverlauf, die Mutter oder das Kind auswirken könnten. Wenn eine Schwangerschaft vorliegt, muss der Landwirt zusätzlich noch eine anlassbezogene Gefährdungsbeurteilung durchführen.

Was deckt diese ab?

Es wird beispielsweise abgefragt, ob schwere Lasten gehoben werden müssen, Umgang mit Gefahrenstoffen oder Pflanzenschutzmitteln, eine Infektionsgefährdung durch Zoonosen etc. besteht. Wenn eine Gefährdung zutrifft, gilt es, entsprechende Schutzmaßnahmen abzuleiten. Die Checkliste kann natürlich auch die schwangere Landwirtin ausfüllen, am besten gemeinsam mit dem Partner und der Familie. Im Anschluss an die Gefährdungsbeurteilung sollte sich die Frau überlegen, welche Arbeiten sie im Rahmen der Schwangerschaft weiterhin machen kann und welche Aufgaben jemand anderes aus der Familie übernehmen sollte.

Kann man sich auch externe Unterstützung holen?

Auf jeden Fall. Landwirtschaftliche Unternehmerinnen und Ehefrauen von landwirtschaftlichen Unternehmern können die Hilfe einer Betriebs- und Haushaltshilfe in Anspruch nehmen. Sie kann die Schwangere für einen gewissen Zeitraum während der Schwangerschaft unterstützen. Dafür müssen allerdings einige Voraussetzungen erfüllt werden.

Wie sinnvoll ist es, sich eine Hebamme zu nehmen?

Das rate ich jeder Erstgebärenden. Eine Schwangere sollte sich frühzeitig eine Hebamme suchen, die sie während der Schwangerschaft betreut und begleitet. Auch die Hebamme erinnert sie vielleicht das ein oder andere Mal daran, etwas kürzer zu treten und sich etwas zurückzunehmen, und sie ist im Gegensatz zum Frauenarzt vor Ort. Zudem kann die Landwirtin auch hier Unterstützung bei der Landwirtschaftlichen Krankenkasse (LKK) beantragen (siehe Kasten „LKK-Leistungen für werdende Mütter“ weiter oben). ●

Ina Siebeneich

Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG)

So schützen Sie sich und ihr Kind

Obwohl das Mutterschutzgesetz nur für Frauen gilt, die in einem Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis stehen, und nicht für selbsständige Unternehmerinnen oder Ehefrauen eines selbständigen Unternehmers, kann es dennoch als Orientierungshilfe dienen

Arbeitszeiten

  • nicht über 8,5 Stunden täglich arbeiten (wobei als Arbeitszeit die Zeit von der Abfahrt an der Wohnung bis zur Heimkehr zählt)
  • nicht in der Nacht arbeiten (in den ersten vier Schwangerschaftsmonaten zwischen 22 Uhr und 6 Uhr, danach zwischen 20 Uhr und 6 Uhr)
  • nicht an Sonn- und Feiertagen arbeiten

Vorgaben Heben und Tragen

  • es dürfen keine Lasten von mehr als 5 kg regelmäßig (mehr als zwei- bis dreimal pro Stunde) oder von mehr als 10 kg gelegentlich (weniger als zweimal pro Stunde) ohne mechanische Hilfsmittel von Hand gehoben, bewegt oder befördert werden

Physikalische Einwirkungen wie Lärm und Erschütterungen

  • kein Tages-Lärmexpositionspegel größer als 80 dB
  • keine unerwartete Impulse mit über 40 dB Anstieg in 0,5 Sekunden (unzulässige Lärmspitzen)

Längeres Stehen

  • nach Ablauf des fünften Schwangerschaftsmonats keine Arbeiten, bei denen die Schwangere in der Summe täglich mehr als vier Stunden „ständig stehen“ muss

Risiken für Schwangere auf landwirtschaftlichen Betrieben

  • Gefahrenstoffe wie Pflanzenschutzmittel
  • von Tieren übertragbare Krankheiten wie Toxoplasmose und Clamydien, die vor allem von Katzen und Schafen übertragen werden. Auch Geflügel kann Chlamydien-Erreger tragen.
  • physikalische Einwirkungen (Strahlungen, Erschütterungen, Vibrationen und Lärm sowie Hitze, Kälte und Nässe)
  • eine belastende Arbeitsumgebung mit sauerstoffreduzierter Atmosphäre
  • körperliche Belastung durch eine mechanische Einwirkung oder Tätigkeiten mit vorgeschriebenem Arbeitstempo
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