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Baum des Jahres 2023: Die Moorbirke

Abb. 1: Typischer Habitus der Moorbirke ohne lang herabhängende Zweige (Usedom am Achterwasser)

Schneller Überblick

  • Die Moorbirke ist der Baum des Jahres 2023
  • Die Wahl fiel auf diese Baumart, um auf die dramatische Situation der ehemaligen Moorstandorte in Deutschland hinzuweisen
  • In Deutschland sind vor allem zwei Birkenarten verbreitet: die Moor- und die Sandbirke
  • Die Unterscheidung der beiden Birkenarten fällt nicht immer leicht
  • Tatsächlich sind die meisten Birken, die in den Mooren Deutschlands vorkommen, Sandbirken, keine Moorbirken

Auch die noch nicht von dieser direkten, lokalen, anthropogenen Trockenlegung betroffenen, verbliebenen anmoorigen Standorte und Moorstandorte verändern sich in jüngerer Zeit durch den Klimawandel infolge Erwärmung und Häufung von extremeren Trockenperioden, aber auch durch die schon länger erhöhten Stickstoffeinträge.

Die Zersetzung von Torfschichten ehemaliger Moore trägt maßgeblich zur Treibhausgasemission bei. Es sollen über 7 % sein (vgl. www.umweltbundesamt.de). Daher werden nun mit der im November 2022 von der Bundesregierung verabschiedeten „Nationalen Moorschutzstrategie“ eine Reduktion der Treibhausgase aus Moorgebieten und die moorspezifische Biodiversität gefördert. Die Moorbirke soll und kann insofern als Weiserbaumart für intakte, nährstoffarme Moore auf diese Situation und Strategie hinweisen.

Charakteristika und Erkennungsmerkmale

Das auffälligste Merkmal an den Birken ist wohl ihre Rinde, woran sie selbst Kinder und Baumlaien erkennen: Sie erstrahlt in der Jugend und in mittlerem Alter auch in der dunkleren Jahreszeit in hellem Weiß (Abb. 1 und Abb. 2). Durch ihre helle Rindenfarbe kann die Birke als Baum der Freiflä-chen die Oberflächentemperatur ihrer Rinde deutlich verringern, da das Weiß die auftreffende Strahlung zu einem erheblichen Anteil reflektiert und so eine Überhitzung des empfindlichen Zellteilungsgewebes im Kambium direkt unter der Rindenoberfläche verhindert wird. Dies ist wegen der dünnen Rinde bedeutsam.

Abb. 1: Typischer Habitus der Moorbirke ohne lang herabhängende Zweige (Usedom am Achterwasser)

Die weiße Rindenfarbe kommt durch den Farbstoff Betulin zustande, der ständig an die Oberfläche gelangt und die Rinde wasserundurchlässig macht. Ältere Rindenschichten, die sich außen befinden, lösen sich regelmäßig und für die Birke charakteristisch vom Stamm ab, indem sich größere Streifen waagerecht einrollen und dann abringeln (sog. Ringelrinde). Darunter kommen immer wieder neue weiße bzw. helle Rindenschichten zum Vorschein. Die Rinde der Sandbirke ist heller und glänzender als die mattere Rinde der Moorbirke, aber auch bei Sandbirken wird sie durch Algenbeläge oft matt. Im Alter bildet sich am Stammfuß von Sandbirken häufig eine dicke, dunkle Schuppenborke, was bei der Moorbirke selten auftritt. D. h. wenn alte Birken am Stammfuß Schuppenborke aufweisen, handelt es sich zumeist um Sandbirken. Leider gilt dies aber zur Unterscheidung nicht umgekehrt: Bäume ohne Schuppenborke können bei beiden Arten vorkommen. So bilden 90 % der Sandbirken am Stammfuß ebenfalls keine Schuppenborke aus, da diese erst im Alter – bei etlichen Bäumen auch gar nicht – entsteht.

Die dünne und helle Rinde führt dazu, dass man Birkenstämmen ihre genaue Lebensgeschichte deutlich ansehen kann: Jeder früher vorhanden gewesene Ast ist für lange Zeit in seiner Lebensdauer und ehemaligen Stärke sowie seinem Abgangswinkel eindeutig dokumentiert und rekonstruierbar durch die Narben und deren sog. Chinesenbärte (seitliche Winkelnarben) auf der Rindenoberfläche. Zudem bilden die Rindenporen (Lentizellen) markante waagerechte schwarze Striche auf der Rinde – je älter die Lentizellen sind, desto länger der Strich (Abb. 2).

Abb. 2: Dünne, glatte Rinde mit strichförmigen Lentizellen, Astnarben und „Chinesenbärten“

Am Habitus fällt auf, dass die Zweige der Sandbirke steiler stehen als die der Moorbirke und an den Spitzen mähnenartig überhängen. Das hat der Sandbirke auch den Namen „Hängebirke“ eingebracht hat. Bei Moorbirken dürfen sie nicht deutlich lang herabhängen (Abb. 1).

Birken können 20 bis 30 m hoch werden und einen Stammumfang von 2,50 m (selten 3 m) erreichen. Ihr Höchstalter beträgt 80 (selten bis oder über 100) Jahre. Die Moorbirke erreicht dabei nicht ganz die Dimensionen und das Alter von Sandbirken.

Zu verwechseln ist die Moorbirke bei uns nur mit der Sandbirke. Wie die Namen bereits andeuten, sollten sie dementsprechend eigentlich auf deutlich unterschiedlichen Standorten vorkommen. Allerdings kann man sich darin nicht sicher sein, da es zu viele Ausnahmen von dieser Regel gibt (s. das Kapitel zu Vorkommen und Ökologie).

Ein Blick auf die Blätter und jungen Zweige schafft in den meisten Fällen Klarheit bei der Unterscheidung beider Arten: Die einjährigen Triebe der Sandbirke sind kahl, durch kleine Harzdrüsen rau und etwas klebrig (weshalb sie oft auch „Warzenbirke“ genannt wird). Die Triebe der Moorbirke sind dagegen fühlbar behaart (engl. Downy Birch = Flaumbirke) und ohne Harzdrüsen (Abb. 3).

Abb. 3: Die entscheidenden Unterschiede zwischen Sandbirke (Betula pendula, l.) und Moorbirke (B. pubescens, r.) (Trieb, OS: Oberseite, US: Unterseite; Erläuterung im Text)

Die Blätter der Moorbirke sind unregelmäßig gesägt und unterseits zumindest in den Nervenwinkeln mit sog. Achselbärten behaart, die der Sandbirke dagegen doppelt gesägt (d. h. die groben Blattrandzähne sind in sich nochmals gesägt) und unterseits kahl (Abb. 3). Die Hauptnerven der Moorbirkenblätter sind blattunterseits deutlich fühlbar, die der Sandbirke dagegen kaum. Zwar gibt es auch in seltenen Fällen (genaue Häufigkeit ist unklar) Bastarde zwischen beiden Arten. Sie sind aber aufgrund der unterschiedlichen Chromosomenzahlen beider Arten steril und können daher keine Nachkommen erzeugen.

Die Herbstfärbung beider Birken ist oft rein goldgelb und hält meist bis in den November an. Dies trägt zum Farbwechsel in der Landschaft und in den Wäldern.

Birken entwickeln ein herzförmiges Wurzelsystem und im Oberboden ein dichtes Feinwurzelgeflecht. Sie können viel Wasser verdunsten. Auf nassen und Moorstandorten wurzeln sie extrem flach und bilden Wurzelteller aus (Abb. 4), da sie mit ihren Wurzen nicht in länger nasse Bereiche hineinwachsen.

Birken gehören wegen ihrer Kätzchen und Nussfrüchte gemeinsam mit Haselnuss, Erlen und Hainbuchen zur Familie der Birkengewächse. Die Sandbirke ist im Jahr 2000 zum Baum des Jahres ernannt worden.

Vorkommen und Ökologie

Die Verbreitungsgebiete von Sand- und Moorbirke erstrecken sich fast über ganz Europa. Ausnahmen bilden der südlichste Bereich am Mittelmeer und Teile Südosteuropas. Dabei kommt die Moorbirke weiter nach Nordwesten (bis nach Island und Südgrönland) und Nordosten (bis weit nach Sibirien) vor und steigt im Gebirge höher (bis über 2.000 m ü. NN) als die Sandbirke. Deren Areal reicht südlich weiter in den europäischen Mittelmeerraum hinein.

Sand- und Moorbirke sind Baumarten, die es aufgrund ihres hohen Lichtbedarfs im natürlichen Konkurrenzgeschehen gegen andere Baumarten schwer haben. Sie sind der Inbegriff der Pionierbaumart – mit fast allen dafür charakteristischen Eigenschaften.

„Birken sind der Inbegriff der Pionierbaumart – mit fast allen dafür charakteristischen Eigenschaften.“

Andreas Roloff

Ihre Chance besteht in ihrer frühen Fruktifikation, der großen Fruchtanzahl und der Ausbreitung um mehrere Hundert Meter durch den Wind. Die Moorbirke findet damit ihre Nische auf nassen und zugleich kalten Standorten.

Ihr Lichtbedarf ist allerdings so hoch, dass Birken sogar Schwierigkeiten haben, unter anderen Birken aufzuwachsen, obwohl sie mit die lichtesten Kronen unter den einheimischen Baumarten haben.

Birken gehören zu den schnelllebigen Baumarten, d. h., sie erreichen i. d. R. nur ein maximales Alter von etwa 100 Jahren (ausnahmsweise bis 150 Jahre) – meist sogar nur 60 bis 80 Jahre. Dies hört sich vielleicht kritisch an, ist aber Teil ihrer Strategie, schnell zur Stelle zu sein, wo es neue Flächen zu besiedeln gibt. Dort wird sofort ein (Rein-)Bestand etabliert, um sich schnell an die neue Situation anzupassen. Besonders der letztgenannte Aspekt wird derzeit immer wichtiger, da sich verschiedene Umweltbedingungen schneller ändern: z. B. durch das Klima und durch menschgemachte Standortseinflüsse. Im Falle der Moorbirke betrifft dies vor allem Einflüsse auf den Standortwasserhaushalt. Damit können Pionierbaumarten meist besser umgehen und durch kurze Generationszyklen schnell(er) auf solche Veränderungen reagieren.

Moorbirken sind an ihren meist feuchten bis nassen Standort gut angepasst, nehmen aber Veränderungen des Wasserspiegels sehr übel: Sinkt oder steigt dieser in einem Birkenbruch um einige Zentimeter, sterben alle Birken ab, da sie ihre Wurzeln nicht unterhalb der Grundwasserlinie einwachsen und daher flache Wurzelteller ausbilden (Abb. 4). Sie können auch auf sehr tro-ckenen Standorten – selbst in der Stadt und sogar als Alleebaum – vorkommen.

Abb. 4: Extrem flacher Wurzelteller der Moorbirke im Moor

Die hohe Trockentoleranz von Sandbirken hingegen führt dazu, dass man sie an sanierungsbedürftigen Gebäuden fast regelmäßig in der Hauswand sehen kann, wobei sie den grauen abblätternden Putz etwas hinter ihrem frischem Grün verschwinden lassen. Sandbirken wachsen auch häufig in Dachrinnen und auf Felskuppen. Zu den Ansprüchen an die Wasserversorgung ist allerdings unbedingt hinzuzufügen, dass der Einzelbaum an die Verhältnisse von Beginn an angepasst sein muss. Plötzliche Verschlechterungen des Wasserhaushalts hingegen (z. B. durch Baumaßnahmen in der Stadt oder Extremsommer) vertragen Birken schlecht. Sie können dann sogar absterben. In sehr trockenen Sommern werfen sie mit als erste Baumart einen Teil ihrer Blätter vorzeitig ab, um als Schutzmechanismus die Verdunstungsfläche zu reduzieren. Das muss dann noch nicht das Lebensende bedeuten.

Wenn genügend Wasser da ist, gehören die Birken allerdings zu den Baumarten mit dem höchsten Wasserverbrauch und mit einem besonders intensiven Wurzelsystem. Das macht man sich im Landschaftsbau teilweise zunutze, indem man sie als „Wasserpumpe“ zur Drainage von feuchten Standorten einsetzt. So können von einem älteren Baum bis zu 300 l/Tag verdunstet werden.

Eine eigene sehr umfangreiche Kontrolle an fast 2.000 Birken in Mooren Sachsens und anderer Bundesländer ergab, dass dort die allermeisten Birken in Mooren Sandbirken sind, nämlich 97 % (ganz genau 1.927 von 1.987 Bäumen). Dieses Ergebnis ist – dezent ausgedrückt – ziemlich irritierend, denn das bedeutet wohl erstens, dass die Standortsamplitude der Sandbirke viel weiter ins Nasse (in die Moore) reicht als allgemein angenommen. Zweitens heißt dies, dass die Sandbirke die Moorbirke selbst von deren Moorstandorten verdrängt, insbesondere wenn diese Moore nun nicht mehr ganzjährig nass sind – was durch den Klimawandel auch die wenigen noch intakten Moore betrifft. Hierzu besteht dann noch erheblicher Forschungs- bzw. Klärungsbedarf. Selbst in einem deutschlandweit bekannten Hochmoor ist die am Holzbohlen-Moorpfad als Moorbirke ausgeschilderte Birke eine Sandbirke. Zudem ist die Moorbirke auf nährstoffarme Moore mit niedrigem pH-Wert angewiesen. Die PH-Werte der Böden haben sich durch die hohen Stickstoffeinträge der letzten Jahrzehnte ebenfalls erheblich verändert.

Die Birken sind besonders unempfindlich gegen Frost und Klimaextreme, was auch ihr Vorkommen in ganz Europa, im hohen Norden und in den Hochlagen vieler Gebirge, erklärt und im Waldbau ausgenutzt wird (s. u.). Temperaturen auch unter –40 °C vertragen sie problemlos, da sie dann in ihren Zweigen Stärke in Öl umwandeln und so einen Wärmespeicher entwickeln, der beim Gefrieren Wärme freisetzt.

Die Pioniereigenschaften führen dazu, dass Birken auf großen Flächen als erste Baumart Reinbestände bilden können – mit Sandbirken besonders auf sandigen Standorten oder nach Waldbränden, auf Nassstandorten auch mit Moorbirken. Birken sind daher von Natur aus wichtige Baumarten, die eine natürliche Bewaldung einleiten können. Dies haben sie auch nach den Eiszeiten, gemeinsam mit den Kiefern, getan und damals die Wiederbewaldung begonnen (nach Strauchweiden und -birken). Anschließend werden sie aber rasch von anderen Baumarten verdrängt, was diesen aufgrund des hohen Lichtbedarfs der Birke leicht gelingt. Moorbirken können (bzw. konnten bisher) auf nassen, kalten und nährstoffarmen Standorten dauerhaft Reinbestände bilden.

In der Forstwirtschaft galten Birken lange Zeit als Unkraut und Zeichen für faule Förster. Dazu mag beigetragen haben, dass junge Sandbirken mit ihren besonders elastischen Zwei-gen und dem dadurch möglichen Peitschen bei Wind und Sturm benachbarte Fichten und Kiefern so stark beschädigen können, dass deren Wipfeltrieb abstirbt. Heute, in der überall verbreiteten naturnahen Waldwirtschaft, wird dies aber anders gesehen: Man lässt inzwischen eine gewisse Anzahl Birken in Mischbeständen absichtlich stehen oder fördert sie sogar gezielt wegen ihrer ökologischen Vorteile. Ihre Blattstreu ist gut zersetzlich und die lichten Kronen schaffen einen für viele andere Baum-, Strauch- und Krautarten günstigen Halbschatten, einen vorteilhaften Schutz gegen Spätfröste und einen wertvollen Lebensraum.

Nutzung, Verwendung, Heilkunde, Mythologie

Das Holz der Birke ist sehr hell, elastisch und mittelschwer. Durch diese Eigenschaften ist es für bestimmte Verwendungen beliebt: zur Herstellung von Schlittenkufen, Felgen, Deichseln, Propellern, Holzschuhen, Trögen, Tassen, Löffeln u. a. sowie als Furnier für Küchen- oder Schlafzimmermöbel und Vertäfelungen. Sand- und Moorbirkenholz ist nicht zu unterscheiden. Letzteres kommt aufgrund seiner Seltenheit hier auch kaum in die Nutzung (häufiger nur in Skandinavien und Sibirien).

Mit Birkenmaserholz (aus Maserknollen am Stamm) lassen sich traumhafte Gebrauchsgegenstände (Abb. 5) und Schmuck herstellen. Auch Postkarten aus Birkenfurnier und Trinkbecher aus Birkenholz (Kuksas) sind in Gebrauch. Wer einen Kamin hat, weiß, dass es kaum ein besseres Kaminholz (mit Rinde) gibt als das der Birke – vor allem zum Anmachen des Feuers. Dies fördert in einigen Regionen, z. B. in stadtnahen Wäldern, bis heute die Verwendung dieser Baumart und treibt die Preise dafür in die Höhe. Zudem sieht es dabei wegen der weißen Rinde auch noch besonders schön aus.

Abb. 5: Wunderschönes Birkenholz-Schälchen aus der Maserknolle eines Stammes

Birken gehören waldbaulich zu den sog. Weichlaubhölzern. Als solche werden von selbst ankommende Pionierbaumarten wie auch Weiden und Ebereschen mit schnellem Wuchs und weichem Holz bezeichnet. Allerdings hat die Birke gerade kein weiches Holz. Es gehört vielmehr zu den Harthölzern mit einer Rohdichte von 0,5 bis 0,8 g/cm³.

Einer der ersten Belege für die Nutzung von Birken in Europa durch den Menschen geht bis in die Mittelsteinzeit zurück (ca. 7.500 v. Chr.). Seither haben Birkenbestände zumeist als Waldweide oder Vorwald gedient. Das Holz wurde schon vor langer Zeit für Kleinmöbel und Gebrauchsgegenstände oder zur Herstellung von Holzkohle genutzt. Die Zweige fanden oft für rituelle Zwecke Verwendung.

Einträglicher als die Holznutzung war in manchen Ländern bis vor gar nicht so langer Zeit die Erzeugung von Birkensaft. In einzelnen Forstbetrieben der DDR z. B. wurden bis zur Wiedervereinigung (und heute noch in Osteuropa) in jedem Frühjahr Tausende von Birken „gemolken“ und Zehntausende von Litern Birkensaft gewonnen. Wenn man eine Birke im zeitigen Frühjahr 2 bis 4 cm tief anbohrt (oder sie ungewollt verletzt wird), tropft aus der Öffnung wochenlang eine klare Flüssigkeit heraus: der sog. Blutungssaft (Abb. 6). Er enthält Mineralien und Zucker als Reservestoffe des Baums und tritt aufgrund eines um diese Jahreszeit entwickelten osmotischen Überdrucks im Stamm ohne weitere Hilfsmittel aus. Auf diese Weise kann man in jedem Frühjahr bis zu 50 l Flüssigkeit pro Baum ernten. Da der Überdruck im Stamm schlagartig mit dem Austreiben der Blätter aufhört, ist die Produktion mit dem Laubaustrieb abrupt beendet. Der Birkensaft kann nach verschiedenen Rezepten weiterverarbeitet werden: z. B. zu Wein, Limonade oder Haarwasser.

Abb. 6: Frühjahrssaft läuft aus einer Birke nach dem Absägen des zweiten Stämmlings im Frühjahr.

Beliebt sind die Birken (beide Arten) als Straßenbaum vor allem in Norddeutschland, besonders im Raum nördlich von Bremen, wo es viele (ehemalige) Moore gibt: Hier sind sie mit Abstand die häufigsten Straßenbäume innerorts und an Überlandstraßen. Damit entsteht eine bemerkenswert offene, lichte und freundliche Stimmung in der Landschaft.

Die weiße Rinde haben unsere Vorfahren als Papierersatz verwendet. Dies funktioniert, indem man die äußersten Rindenpartien vom Baum abzieht. Da der Inhaltsstoff Betulin die Rinde witterungsfest macht, findet man im Wald Jahrzehnte alte Birkenrindenhüllen, deren Stamm längst verfault und verschwunden ist (Abb. 7). In Skandinavien gibt es Häuser, deren Dächer mit Birkenrinde gedeckt sind. In Lappland werden daraus Umhänge und Schuhe gemacht. Auch für Kanus findet Birkenholz Verwendung und in Notzeiten kann man Mehl daraus herstellen, um z. B. Pfannkuchen zu backen.

Abb. 7: Die sehr dauerhafte Rinde bleibt Jahrzehnte erhalten, während das Holz längst weggefault ist.

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Prof. Dr. Andreas Roloff

leitet das Kuratorium Nationalerbe-Bäume in der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft und ist Inhaber der Seniorprofessur für Forschung und Wissenstransfer zur Baumbiologie an der Technischen Universität Dresden.

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