FSC-Zertifizierung von Ökosystemleistungen im Wald
Schneller Überblick
- Viele Themen aus dem ÖSL-Verfahren sind im deutschen FSC-Standard bereits abgedeckt
- Zusätzliche Daten oder Auswertungen sind allerdings zumeist nötig, um die positiven Auswirkungen auf die jeweiligen Ökosystemleistungen zu belegen
- Insgesamt lassen sich so eine solide Grundlage für das Engagement von Marktpartnern und damit entsprechende Werbeaussagen schaffen
Trinkwasserspeicherung, CO2-Speicherung, Naherholung, Biodiversität: Die Beiträge, die naturnah wirtschaftende Forstbetriebe leisten, sind vielzählig – honoriert werden sie jedoch selten. Die CO2-Speicherleistung des Waldes wird gar pauschal der Bundesrepublik Deutschland gutgeschrieben, nicht der oder dem Waldbesitzenden. Genau an diesem Punkt setzt das FSC-Verfahren mit internationalem Standard zur Zertifizierung von Ökosystemleistungen (ÖSL) an. Es definiert sowohl die Abläufe der Zertifizierung als auch die Anforderungen an die Vermarktung und die im Forstbetrieb umzusetzenden Inhalte. Ökosystemleistungen werden messbar, nachweisbar und dadurch für Waldbesitzende auch vermarktbar. Die Regeln gelten weltweit und ermöglichen damit einen internationalen Vergleich entsprechender Projekte.
Die FSC-Zertifizierung von Ökosystemleistungen
Grundlage für die FSC-Zertifizierung von Ökosystemleistungen ist für Waldbesitzende ein „normales“ FSC-Zertifikat. Das Verfahren baut darauf auf und definiert die fünf Ökosystemleistungen Biodiversität, CO2-Bindung, Gewässerschutz, Bodenschutz und Erholung. Ausgangspunkt ist immer eine sogenannte Theorie der Veränderung (engl.: Theory of Change), in der die Betriebe den Status quo sowie ihre Vorstellungen zu einer Anpassung ihrer Bewirtschaftung darstellen. Diese „Theory of Change“ wird in der Folge auch zentraler Gegenstand einer erweiterten Prüfung durch die Zertifizierungsstelle. Je ÖSL werden Wirkungen aufgeführt, die als Nachweis der Umsetzung herangezogen werden können. Beispielsweise kann als Biodiversitätsleistung die Erhaltung der Artenvielfalt nachgewiesen werden oder auch die Wiederherstellung der natürlichen Bewaldung.
Als Wirkung zum Wasserschutz ist z. B. die Erhaltung der Wasserqualität (Trinkwassergewinnung) oder auch die Beurteilung eines ganzen Wassereinzugsgebietes möglich. Für jede der insgesamt 20 Wirkungen sind Anforderungen an Indikatoren und Daten definiert, um glaubwürdige und nachvollziehbare Nachweise zu schaffen.
Im Minimum muss eine Wirkung pro ÖSL gewählt werden, um entsprechende Aussagen treffen zu können. Weil FSC-Betriebe im Rahmen ihrer Zertifizierung bereits viele Maßnahmen umsetzten, die positiv auf die jeweiligen Ökosystemleistungen wirken, liegt der Fokus auf der Messung und Quantifizierung dieser Maßnahmen. Forstbetriebe müssen sich die Frage stellen, wie sie nachweisen können, dass diese Maßnahmen auch tatsächlich die gewünschten Ergebnisse bringen. In diesem Zusammenhang definieren sie sogenannte Ergebnisindikatoren. FSC steht hier unterstützend zur Seite und unterbreitet eine Reihe von Vorschlägen.
Pilotprojekt Boppard
Weltweit gibt es bereits über 50 FSC-ÖSL-Projekte. Um den Standard für nationale Gegebenheiten optimieren zu können, führte FSC Deutschland mit der Stadt Boppard ein von der Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz gefördertes Pilotprojekt „Ökosystemleistungen im Wald messen und kommunizieren“ durch. Die Zertifizierung fand 2022 statt. Im Rahmen des Prozesses setzte der Forstbetrieb vier von fünf FSC-Ökosystemleistungen im Stadtwald um. Im Zertifizierungsprozess standen v. a. Fragen der Verifizierung und des Monitorings im Vordergrund: Welche im Betrieb vorhandenen Unterlagen können genutzt werden? Welche Daten fehlen eventuell? Wie können die geforderten Nachweise erbracht werden?
„Vor allem beim Thema Kohlenstoff ist die Nachfrage von Investoren groß – und auch das Angebot von Anbietern.“
Im Falle Boppards konnten überwiegend bereits vorhandene Betriebsdaten genutzt werden, z. B. Vorratsdaten aus der Forsteinrichtung als Grundlage für die Berechnung der CO2-Speicherungs-Leistung. Für manche Wirkungen waren jedoch zusätzliche Auswertungen und die Unterstützung von Experten notwendig. Beispielsweise zur Beurteilung des Bewaldungsprozentes in Wassereinzugsgebieten über die Betriebsgrenzen hinaus, um einen Abgleich/eine Wirkung des eigenen forstbetrieblichen Handelns darzustellen (Stichwort: Baseline).
Bei der Ökosystemleistung „Erholung“ verlangt der Standard als Nachweis eine Auswertung der Besuchererfahrungen. Diese gab es in dieser Form bisher nicht. Der Forstbetrieb entwickelte daraufhin ein eigenes einfaches Instrument mittels QR-Code.
Waldpartnerschaft mit privatem Sponsoring
Eine erste konkrete Kooperation auf Grundlage der FSC-Zertifizierung von Ökosystemleistungen in Boppard wurde mit der Firma ROLLER GmbH & Co. KG vereinbart. FSC Deutschland hat für den Möbeldiscounter, der seit 2010 aktiver Unterstützer von FSC ist, auf Grundlage der erfolgten Zertifizierung der Ökosystemleistungen in Boppard ein entsprechendes Projekt entwickelt. In dessen Rahmen unterstützt Roller die Stadt Boppard bei der ökologischen Wiederbewaldung und kompensiert Mindereinnahmen, die aufgrund von natürlicher Waldentwicklung und Reduzierung des Hiebsatzes entstehen. Insgesamt wurde so ein Kooperationsprojekt zwischen Waldbesitzer und Marktpartner mit einer Laufzeit von fünf Jahren und einem Gesamtvolumen von 250.000 € vereinbart.
Der Leitfaden FSC-Ökosystemleistungen
Aufbauend auf den Erfahrungen der Pilotzertifizierung entwickelte FSC Deutschland einen Praxisleitfaden. Er erleichtert anderen Forstbetrieben den Zugang zur Zertifizierung von FSC-Ökosystemleistungen, indem er das Verfahren mit Blick auf die für Forstbetriebe in Deutschland wesentlichen Aspekte beschreibt und erklärt. Das Dokument „FSC-Zertifizierung von Ökosystemleistungen – Ein Leitfaden für Praktiker“ kann kostenlos auf der Internetseite von FSC Deutschland heruntergeladen werden.
Das Spezialthema CO2
Die FSC-Zertifizierung von Ökosystemleistungen, speziell der CO2-Speicherung, hilft, Qualität zu sichern und Vertrauen bei Marktpartnern und Zivilgesellschaft zu schaffen. Aussagen zu FSC-Ökosystemleistungen erfolgen immer auf Grundlage einer bestehenden FSC-Zertifizierung, die für umfassende Umwelt- und Sozialstandards per se sorgt. Je nachdem welche Aussagen die Marktpartner treffen wollen, welche Ziele sie mit Kohlenstoffprojekten im Wald verfolgen, ist jedoch auch die Kooperation mit anderen Systemen denkbar. International arbeitet FSC eng mit dem Verified Carbon System (VCS) zusammen, national sind zukünftig Projekte mit entsprechenden Partnern denkbar. Damit hätten Marktpartner nicht nur die Vorteile der Glaubwürdigkeit und Bekanntheit, die sich durch FSC ergeben, sondern könnten zusätzlich auch handelbare CO2-Zertifikate erwerben.
Elmar Seizinger
ist Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter des Waldbereichs bei FSC Deutschland.
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