RECYCELTER DÜNGER
Düngen statt spülen: Vom Klo aufs Feld
Auf einen Blick
- In Eberswalde eröffnete das Forschungsprojekt Zirkulierbar eine Urinaufbereitungsanlage und ein Humusregal, um Inhalte aus Trockentoiletten zu verwerten.
- Ziel des Projekts ist es, Nährstoffe aus verzehrten Lebensmitteln zurückzugewinnen, sie wieder der Landwirtschaft zuzuführen und Nährstoffkreisläufe somit regional zu schließen.
- Im Reallabor von Zirkulierbar stellen Forscher Stickstoffdünger aus Urin und sogenannten Humusdünger aus Fäzes her.
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Das Klima ändert sich, Wasser und Ressourcen werden knapper. Wissenschaftler suchen nach Ansätzen und Möglichkeiten, um Kreisläufe zu schließen. So auch die Forscher des Projekts „Zirkulierbar“ in Eberswalde, im Landkreis Barnim.
Nährstoffe aus verzehrten Lebensmitteln zurückgewinnen und diese wieder der Landwirtschaft zuführen – das ist die Vision des Projekts. Kommunen und zukunftsorientierte Unternehmen schaffen hier gemeinsam mit Universitäten und Forschungseinrichtungen ein Reallabor für nachhaltige regionale Kreislaufwirtschaft. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Projekt mit der Fördermaßnahme „Region.innovativ“.
Auf dem Gelände der Kreiswerke Barnim GmbH in Eberswalde wurde am 16. Oktober eine Urinaufbereitungsanlage und ein Humusregal eröffnet, um Inhalte aus Trockentoiletten zu verwerten. Damit ist das Zirkulierbar Reallabor in Eberswalde komplett, heißt es in einer Pressemitteilung. Die Fertigstellung sei ein wichtiger Meilenstein für Forschung und Praxis im Bereich der regionalen Kreislaufwirtschaft.
Anlage feierlich eröffnet
Michael Kellner, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz freut sich besonders über die Eröffnung dieser Forschungsanlage:
„Im Rahmen der Fortschreibung der Rohstoffstrategie haben wir die Kreislaufwirtschaft als eine zentrale Säule aufgenommen.“
Die Anlage zeige, wie innovativ und praxisnah Kreislaufwirtschaft sein könne und dass Kreislaufwirtschaft auf den unterschiedlichsten Ebenen funktioniere. Kellner wünscht dem Projekt großen Erfolg, „damit Forschung und Erprobung, wie sie in den nächsten Jahren im Reallabor stattfinden, in die Praxis übernommen werden. Eberswalde und der Barnim sind schon jetzt eine Vordenkerregion in Sachen Kreislaufwirtschaft.“ Auf dem Gelände der Kreiswerke werde sich in den nächsten Jahren zeigen, wie wasser- und ressourcenschonender Recyclingdünger für die Landwirtschaft hergestellt werden könne.
Der Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg Tobias Dünow betonte, dass Kreislaufwirtschaft statt linearer Ressourcenverbrauch das Gebot der Stunde ist, „egal ob es um Energie, Wasser, Nährstoffe oder sonstige Rohstoffe unserer Erde geht.“
Mit dem Recyclingdünger von Zirkulierbar sei es möglich, die hohe Produktivität in der Landwirtschaft beizubehalten und zugleich Energie, Wasser und wertvolle Rohstoffe einzusparen. „Dass es möglich ist, wissen wir – aber wie genau, das wird ab heute hier in Eberswalde, in der deutschlandweit ersten Anlage zur Herstellung von Dünger aus menschlichen Ausscheidungen erforscht“, erläuterte er.
Brandenburg sei nicht nur Land der Bioökonomie und der Energiewende. „Hier treiben wir auch die Nährstoff- und Sanitärwende voran.“ Christian Mehnert, Geschäftsführer der Kreiswerke Barnim GmbH ergänzte: „Wenn wir Veränderungen in Umwelt-, Natur- und Ressourcenschutz wollen, müssen wir Möglichkeiten schaffen und Projekte zulassen.“
Dünger aus dem Labor
Im Reallabor von Zirkulierbar produzieren die Forscher künftig zwei Arten von Recyclingdüngern. Aus dem getrennt gesammelten Urin entstehe in der Urinaufbereitungsanlage ein flüssiger Stickstoffdünger, der auch weitere wichtige Pflanzennährstoffe in hoher Konzentration enthalte. Dieser mineralische Recyclingdünger sei in Zusammensetzung und Wirkung vergleichbar mit synthetischen Mineraldüngern, die energieaufwändig produziert werden.
Die Fäzes, die im neu erbauten Humusregal aufbereitet werden, seien wegen ihres hohen Gehaltes an Phosphor und organischer Substanz Grundbaustein für einen Recyclingkompost. Dieser sei für den Humusaufbau in sandigen oder ausgelaugten Böden besonders gut einsetzbar und werde daher auch als Humusdünger bezeichnet.
Die Qualität von Fäkalkomposten wurde bereits in Pflanzversuchen getestet und sei vergleichbar mit anderen qualitativ hochwertigen Komposten. Der organische Dünger verbessere die Bodenstruktur und Bodeneigenschaften wie Wasserspeicherfähigkeit, Nährstoffspeicherung und Bodenleben.
Rohstoffe von Festivals
Die Rohstoffe sammele der Konsortiumspartner Finizio – Future Sanitation mithilfe von Trockentoiletten auf Festivals, in Campinganlagen, öffentlichen Toiletten in Brandenburg und Berlin sowie Privathaushalten. Trockentoiletten auf Festivals stellen laut Zirkulierbar derzeit die größte Rohstoffquelle dar.
Ariane Krause, Projektkoordinatorin von Zirkulierbar weist darauf hin, dass Deutschland eine Sanitär- und Nährstoffwende braucht, damit sanitäre Systeme künftig nicht mehr mit Trinkwasser betrieben werden müssen. „Werden unverdünnte Trockentoilettenabfälle adäquat aufgearbeitet, entstehen nicht nur weniger Schadstoffe – es werden auch weniger synthetische Dünger benötigt“, versichert sie.
Im Koalitionsvertrag habe sich die Ampel zu geschlossenen Stoffkreisläufen und der Anpassung des bestehenden rechtlichen Rahmens bekannt. „Jetzt müssen die verantwortlichen Ressorts zusammenarbeiten, um dieses Ziel auch umzusetzen.“
Die neue Zirkulierbar-Forschungsanlage kann jährlich etwa 200 Kubikmeter Feststoffe aus Trockentoiletten und 100 Kubikmeter getrennt gesammelten Urin zu Forschungs- und Versuchszwecken aufbereiten. Der Testbetrieb mit wissenschaftlicher Begleitforschung erstrecke sich zunächst über die Jahre 2023 und 2024.
VORTEILE
Klo, Klima und Kreisläufe: Die Vorteile des recycelten Düngers
Diese Vorteile bringen die Stoffstromtrennung, Trockensammlung und Aufbereitung nach Angaben der Forscher von Zirkulierbar mit:
- Trinkwasser sparen: Herkömmliche Spültoiletten verbrauchen große Mengen Trinkwasser. Gut ein Drittel des durchschnittlichen, täglichen Frischwasserverbrauchs wird in Haushalten für die Toilettenspülung verwendet. Trockentoiletten oder wassersparende Trenntoiletten sparen enorme Mengen an Trinkwasser.
- Gewässer schützen: Trotz technisch hochentwickelter Abwasserreinigung ist die Qualität des Kläranlagenablaufs nicht unbedenklich. Geklärte Abwässer, die in Oberflächengewässer eingeleitet werden, enthalten Nährstoffe, die zur übermäßigen Nährstoffanreicherung beitragen. Außerdem enthält das gereinigte Wasser oft noch Krankheitserreger, Arzneimittelrückstände und Hormone, deren Eintrag in die Umwelt ein wachsendes Problem ist. Die getrennte und unverdünnte Erfassung menschlicher Fäkalien mit recycling-orientierten alternativen Sanitärsystemen ermöglicht eine spezifische Behandlung der unverdünnten Stoffströme, die Krankheitserreger abtötet und Schadstoffe entfernt, um die zurückbleibenden Nährstoffe sicher in den Kreislauf zurückzuführen.
- Boden und Klima schützen: Aus Fäzes lassen sich kohlenstoffreiche organische Dünger herstellen. Dieser Humusdünger verbessert die Bodenstruktur und Bodeneigenschaften wie Wasser- und Nährstoffspeicherfähigkeit, er regt das Bodenleben an und verringert Erosion. Neben dem Erhalt der Bodenfruchtbarkeit leistet der Humusdünger auch einen Beitrag zur Kohlenstoffspeicherung und fördert die Klimaanpassung der Landwirtschaft.
- Ressourcen schonen: Aktuell werden etwa 50 % der Nahrungsmittel weltweit mithilfe synthetisch-mineralischer Dünger produziert. Doch die Produktion und Logistik dieser Dünger verbraucht große Mengen an Energie sowie endlicher Rohstoffe und setzt die Treibhausgase CO2 und Methan frei. Durch regionales Nährstoff-Recycling mit ressourcen-orientierten Sanitärsystemen könnten in Deutschland mindestens 25% der eingesetzten synthetisch-mineralischen Dünger durch Recyclingdünger aus menschlichen Fäkalien ersetzt und so Energie und Emissionen eingespart werden.
- Verbessertes Recycling: Wird menschlicher Urin getrennt und wassersparend oder wasserlos erfasst, können Medikamentenrückstände mit modernen Aktivkohle-Filtertechnologien effektiv entfernt und damit ihre Ausbreitung in Boden und Gewässer verhindert werden. Krankheitskeime, die überwiegend über die Fäzes ausgeschieden werden, können gezielt durch Hitzebehandlung und anschließende Kompostierung abgetötet werden.
- Nährstoffkreisläufe regional schließen: Hinsichtlich Ressourcenknappheit, Klimawandel und Wasserverschmutzung spielen der Wasser- und Ressourcenverbrauch sowie eine kreislauforientierte Düngemittel- und Nahrungsmittelproduktion künftig eine Schlüsselrolle. Der Weg dorthin führt über die Einführung neuer, zirkulärer Sanitär- und Kläranlagentechnik, die dezentral einsetzbar und an die lokalen Bedingungen angepasst ist, Wasser spart und ein effektives Recycling von Nährstoffen ermöglicht. PM/bax
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