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DORFLEBEN

Geflüchtete in Grüne Berufe vermitteln

Es gibt viele freie Stellen in Niedersachsen, eine Chance für geflüchtete Menschen, Landwirte und Gartenbauer. Abduoulaye-Tely Diallo absolvierte zum Beispiel eine Ausbildung zum Landwirt.

Die Integration von Menschen mit Flucht- oder Migrationserfahrung durch Ausbildung und Arbeit funktioniert in Deutschland in den meisten Fällen schon ziemlich gut. Das duale Ausbildungssystem ermöglicht Menschen, die die deutsche Sprache noch erlernen, durch die Kombination aus theoretischem Berufsschulunterricht und der praktischen Anwendung der Lernfelder im Ausbildungsbetrieb, Abläufe und Themen besser zu verstehen und zu verinnerlichen.

Neben dieser fachlichen Komponente, spielt der soziale Aspekt des Ankommens in einem neuen Land, mit einer neuen Kultur, für die Menschen eine wichtige Rolle. Durch Ausbildung und Arbeit können sie sich nicht nur als Teil der hier lebenden Gesellschaft fühlen, sondern darüber hinaus auch soziale Kontakte außerhalb ihrer Familien und/oder Communities knüpfen.

Für die deutschen Betriebe bietet dies ein großes Potenzial, um zum einem dem vorherrschenden Fachkräftemangel entgegen zu wirken und zum anderen auch von der mitgebrachten Expertise, beispielsweise aus Ländern, in denen Dürre schon immer ein allgegenwärtiges Problem bei der Lebensmittelproduktion ist, zu lernen und neue Perspektiven zu sehen. Doch wie finden Betriebe und Geflüchtete zusammen?

Neben der Kontaktaufnahme im Rahmen von ehrenamtlichen Projekten, die in den meisten Gemeinden und Kommunen durchgeführt werden, gibt es auch einige staatlich, geförderte Projekte, die diesen Prozess begleiten und erleichtern können. Eines dieser Projekte ist das ‚Willkommenslotsen-Projekt‘, welches seit 2016 durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz finanziert wird.

Viele Kammern, so auch die Landwirtschaftskammer Niedersachsen, nehmen an diesem Projekt teil. Die drei Willkommenslotsinnen der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Johanna Krebs, Lydia Vaske und Henrike Weddelmann, betreuen die Betriebe der Grünen Branche in Niedersachsen. Hierbei unterstützen sie Betriebe bei der Integration von geflüchteten Menschen in Ausbildung und Arbeit in den 12 grünen Berufen. Sie fungieren als Schnittstelle zwischen Betrieben, Geflüchteten, Behörden und anderen haupt- und ehrenamtlichen Akteuren, um eine möglichst umfassende Beratung und Unterstützung für alle Beteiligten bieten zu können.

 

Johanna Krebs, Lydia Vaske und Henrike Weddelmann (v.l.) helfen Betrieben beim Einstellen geflüchteter Menschen.

Neben der vielen Netzwerkarbeit, initiieren sie, beispielsweise in Kooperation mit Bildungsträgern und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Berufssprachkurse, um Geflüchtete in ihrer Ausbildung möglichst umfassend zu unterstützen.

Von Syrien zur Hauswirtschaft in Norddeich

Auch Manal Alosso aus Syrien ist sehr froh, die Ausbildung zur Hauswirtschafterin im Sozialwerk Nazareth in Norddeich absolvieren zu können. „Die Ausbildung ist gut für mich, aber die Schule ist schwer, weil es nicht meine Muttersprache ist.“ Die 27-Jährige möchte nach ihrer Ausbildung weiter machen, ihr Ziel ist die Meisterprüfung in der Hauswirtschaft.

Sandra van Meegen, Ausbilderin und Küchenleitung im Sozialwerk Nazareth und ihr Team sind begeistert von Manal Alosso: „Es macht uns Spaß, Manal bei ihrer Ausbildung zu begleiten. Alle leisten dabei viel Unterstützung, indem Sie immer ein bisschen schneller und auch mehr gearbeitet haben, damit ich Manal zwischendurch einfach beim Lernen unterstützen kann. Sie kann mir mündlich alle Fragen beantworten, wenn ich ihr genau sage, was ich wissen möchte. Ihr fällt es nur etwas schwer, länger geschriebene Fragen zu verstehen. Jeder konnte feststellen, dass Manal im Laufe ihrer Ausbildung immer selbstständiger und freier wurde.“

Manal Alosso macht eine Ausbildung zur Hauswirtschaftlerin.

Vom Irak in die Hauswirtschaft

Doch nicht nur für geflüchtete Menschen bietet die Integration durch Ausbildung und Arbeit Vorteile. Für Betriebe bietet die Zusammenarbeit mit Migrantinnen und Migranten die Möglichkeit, neue Perspektiven zu entwickeln, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.

So auch Saskia Kaatsch, Betriebsleitung der Jugendherberge Jever und Ausbilderin: „Ich finde es sehr positiv, in einem internationalen Team zu arbeiten. Es gibt viele Dinge, die wir voneinander lernen können und auch andere Kulturen kennenzulernen ist wichtig. Dadurch profitieren wir alle voneinander.“ Ihr Kollege Bakhtyar M. Saeed aus dem Irak freut sich, die Einstiegsqualifizierung in der Hauswirtschaft gestartet zu haben, von der er im August hoffentlich in die Ausbildung zum Hauswirtschafter übergeht. Der 38-Jährige arbeitet vor allem gerne in der Küche: „Im Irak haben wir so eine tolle Ausbildung nicht, die Hauswirtschaft ist wichtig für alle Menschen.“

Bakhtyar M. Saeed ist gerade in der Einstiegsqualifikation in Jever.

Von Guinea auf Niedersachsens Acker

„Das erste und größte Handicap war die fehlende Sprache. In der Berufsschule hatte ich viele Probleme im 1. und 2. Lehrjahr, mir die Fachbegriffe zu merken“, erzählt der aus Guinea geflüchtete Abduoulaye-Tely Diallo.

2022 hat der 31-Jährige seine Ausbildung zum Landwirt erfolgreich abgeschlossen hat. Er würde immer wieder eine Ausbildung in Deutschland antreten und empfiehlt seinen Freunden, die ebenfalls nach Deutschland geflohen sind: „Es ist ein Vorteil, da man durch die Ausbildung besser die Sprache erlernen kann, ebenso kann man sich besser integrieren und lernt das Gastgeberland Deutschland viel besser kennen und zu verstehen.“

Doch auch neben den vielen positiven Aspekten sind gerade Azubis mit Flucht- und Migrationserfahrungen einer hohen Belastung ausgesetzt. Viele von ihnen sind alleine, ohne ihre Familien nach Deutschland gekommen und mussten viel zurücklassen, oftmals ihre gesamten Ersparnisse für ihre Flucht verwenden. Für diese Menschen stellt es eine große Herausforderung dar, ihren Lebensunterhalt durch ein Ausbildungsgehalt bestreiten zu können. In den seltensten Fällen bleiben hierbei Reserven übrig, um Nachhilfe oder gar einen Führerschein selber finanzieren zu können.

Neben den ungelernten Kräften aus dem Ausland, kommen ebenso viele Menschen nach Deutschland, die in ihren Heimatländern bereits ein Studium absolviert haben und beispielsweise im akademischen Kontext geforscht und gearbeitet haben. Diesen Menschen fällt es besonders schwer, auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, da sie aufgrund der Sprachbarriere Probleme haben, ihr Fachwissen unter Beweis zu stellen.

Abduoulaye-Tely Diallo absolvierte eine Ausbildung zum Landwirt.

Von Syrien zur Düngemittel-Firma in Beckeln

Samer Alkhateb (53 Jahre), Agrar-Ingenieur aus Syrien, ist seit Ende 2022 in einer Firma für Düngemittel im Innovationsmanagement beschäftigt. Er sieht die deutsche Berufsfachsprache als großes Hindernis an: „Viele Unternehmen oder Arbeitgeber vertrauen unseren Fähigkeiten und Qualifikationen als Ausländer nicht. Zum Beispiel habe ich mich bei etwa 30 Unternehmen beworben und die Antwort war oft negativ, und ich habe keine Gelegenheit zu einem Vorstellungsgespräch bekommen“.

In solchen Fällen, kann die Beratung und Betreuung der Willkommenslotsinnen dabei helfen, den Erstkontakt mit den Unternehmen aufzunehmen, um das Hemmnis der Sprachbarriere zu überwinden. Dem Chef von Samer Alkhateb, der Geschäftsführer der NFI (North Fertilizer Industry), Alfons Beckmann, ging es um die Besetzung einer wichtigen Position, die zuvor über ein Jahrzehnt durch einen Agrar-Ingenieur besetzt war, der zeitnah in Rente gehen wird. Willkommenslotsin Lydia Vaske hat ihn angerufen, als sie die Ausschreibung in der AgrarJobbörrse gesehen hat, um ihm Herr Alkhateb vorzuschlagen.

„Es zeigte sich als sehr schwierig, diese Position neu zu besetzen, vor allem mit Wohnsitz in der Nähe unseres Betriebes. Die bisherige Ausbildung und Tätigkeit von Herrn Alkhateb entsprach zwar nicht vollständig unserem Anforderungsprofil, trotzdem trauten wir Herrn Alkhateb diese Position zu und haben uns relativ schnell zu einer festen Einstellung entschieden. Ausschlaggebend dabei war auch, dass Herr Alkhateb noch ein knappes Jahr von dem vorherigen Mitarbeiter eingearbeitet werden kann. Wir sind mit Herrn Alkhateb sehr zufrieden, er ist sehr zuverlässig, interessiert und sehr aufnahmefähig“, so Alfons Beckmann.

Samer Alkhateb ist ebenfalls sehr zufrieden mit seinem neuen Job. „Mir gefällt die Arbeitsorganisation auf hohem Niveau, die Pünktlichkeit, die hohe Spezialisierung in der Arbeit, und wenn man eine Arbeitsmöglichkeit erhält, wird die Arbeit unabhängig von der Nationalität auf Grundlage der Leistung bewertet.“

Es gibt viele Menschen, die bereits Berufserfahrungen gesammelt haben. Jedoch unterscheidet sich das Bildungssystem der meisten Länder grundlegend von unserem in Deutschland. Somit handelt es sich hierbei in der Regel um ungelernte Kräfte, da es ein klassisches Ausbildungssystem oft nicht gibt. Diese Arbeitskräfte können durch Beratung und Anerkennungsverfahren, wie ValikomTransfer oder die Gleichwertigkeitsprüfung von ausländischen Abschlüssen, eine teilweise oder sogar vollständige Anerkennung ihrer Qualifikationen erlangen.

Samer Alkhateb arbeitet als Agrar-Ingnieur in einer Firma für Düngemittel.

Kontakt Willkommenslotsinnen

Sollten Sie sich auch vorstellen können, einen Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung in ihrem Betrieb beschäftigen oder ausbilden zu wollen, dann nehmen Sie gerne Kontakt mit den Willkommenslotsinnen der Landwirtschaftskammer Niedersachsen auf:

Sollten Sie jemanden beschäftigen oder kennen, der von der Beratung profitieren könnte oder sich seine Berufserfahrung und -qualifikation aus dem Ausland anerkennen lassen könnte (ValiKom Transfer), dann kontaktieren Sie gerne folgende Kolleginnen:

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