Ferkelhaltung: Frei in die Zukunft
Auf den Punkt
- Tobias Urban hat Spaß an der Sauenhaltung und sieht darin seine Zukunft.
- Deshalb hat er versucht, so zu bauen, dass er zukünftige gesetzliche Ansprüche erfüllt.
- Im Abferkelstall praktiziert er bereits das freie Abferkeln. Im Wartebereich gibt es Ausläufe.
Mein Ziel war es, unsere Schweinehaltung so aus- und umzubauen, dass wir die nächsten zehn, zwanzig Jahre Ruhe haben“, sagt Tobias Urban. Das ist dem Junglandwirt aus Eglingen in Baden-Württemberg wichtig, weil er seine Arbeit mit den Schweinen liebt.
Im Jahr 2012 war er mit seiner Ausbildung zum Landwirt fertig. Seiner Familie und er fragten sich, wie es weitergehen könnte. Sie waren sich unsicher. Der heute 29-Jährige entschied sich deshalb, zunächst noch die Technikerschule abzuschließen. In dieser Zeit überdachte er die Pläne, auch weil die Diskussion um mehr Tierwohl immer stärker wurde. Hinzu kam die neue Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutzV). „Niemand konnte uns zu dem Zeitpunkt konkret sagen, was auf uns zukommt und wie die Ställe zukünftig aussehen sollen.“ Familie Urban war ratlos. „Unsere Stallbaupläne, für die wir sogar schon eine Baugenehmigung hatten, waren nicht zukunftsfähig.“
Neuer Plan auf der grünen Wiese
Ein Projekt im Rahmen der europäischen Innovationspartnerschaften für landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit (EIP Agrar) in Baden-Württemberg brachte die Wende. Tobias Urban hörte sich die Ideen an und dachte, dass man in der Richtung etwas machen könne. „Ich hatte aber auch eine Menge Glück“, sagt er. Die Zeit zum Bauen sei noch gut gewesen. Der Zins war günstig und im Rahmen des Projekts gab es finanzielle Unterstützung.
Tobias Urban wollte so bauen, dass er den Vorschriften der neuen TierSchNutzV vorweggreift. Die erste wichtige Entscheidung war – entgegen des ursprünglichen Plans –, die gesamte Sauenhaltung in den Außenbereich zu verlegen und auf der alten Hofstelle im Dorf keine Sauen mehr zu halten. Auch dort hätten sie investieren müssen und die Ställe wären schwer umzubauen gewesen.
So entstand der Plan für einen komplett neuen Sauenstall für 280 Muttersauen inklusive 1.100 Ferkelaufzuchtplätzen. Im Juli 2018 reichte Tobias Urban den neuen Bauantrag ein. Trotz Genehmigungsverfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) lag die Genehmigung bereits innerhalb von vier Monaten vor.
Im April 2019 begannen die Aushubarbeiten. „Die Bauzeit hat sich aufgrund von Corona insgesamt sehr gezogen“, blickt der Landwirt zurück. Außerdem habe man viel Eigenleistung geleistet. „Das hat sich als richtig erwiesen. So war ich bei den Bauarbeiten immer ansprechbar. Außerdem wäre der Stall sonst noch teurer geworden.“
Dazu passt, dass Tobias Urban die Altsauen vorher weggeben und sich parallel zur Bauphase seine Sauen auf der Hofstelle im Dorf wieder selbst herangezogen hat. „Ich wollte frisch und spezifisch pathogenfrei, also mit einem SPF-Gesundheitsstatus, anfangen. Außerdem war mir der Kontakt zu den Tieren von Beginn an wichtig. Ich wollte nicht einfach irgendwo Jungsauen zukaufen, die dann durch den Transport oder den Stallwechsel aufgeregt sind.“
Also kaufte er 60 Jungsauen von Topigs Norsvin und arbeitet mit deren Eigenremontierungsprogramm in Wechselkreuzung. Als Endstufeneber nutzt Tobias Urban Piétrain. „Dadurch, dass ich sozusagen nur noch Jungsauen herangezüchtet habe, hatte ich ebenfalls mehr Zeit und konnte mich besser in der Bauphase einbringen.“
Im April 2020 zogen schließlich die ersten Sauen in den schon fertiggestellten kombinierten Deck- und Wartestall ein. Tobias Urban hat sich hier bewusst für einen Einraumstall entschieden. Er wollte keine einzelnen Abteile. „Jetzt haben wir einen großen umbauten Raum und die Luft ist dementsprechend gut.“
Das Deckzentrum besteht aus einem tiefer- liegenden, eingestreuten Bewegungsbereich. Rechts und links davon sind die Kastenstände mit Saloontüren angeordnet. „Es funktioniert super. Das beweist mir die Trächtigkeitsrate von 95 Prozent.“
Die Sauen kommen am Donnerstag in den Deckstall, können hier frei laufen, ihre Rangkämpfe ausfechten und haben Kontakt zum Eber. „Sonntagmorgens sperren wir sie ein und besamen sie zweimal. Spätestens donnerstags kommen sie in einen der fünf Wartebereiche“, erklärt der Landwirt.
Dort haben die Sauen insgesamt 4,5 m² Platz inklusive der 1,5 m² im eingestreuten Auslauf. „Gefüttert wird am Boden, davon bin ich begeistert.“ Da das Futter über die gesamte Festfläche verteilt werde, komme jede Sau stressfrei an ihr Futter und die Tiere seien bis zu zwei Stunden beschäftigt. Außerdem würden die Liegekessel so sauber bleiben.
Freies Abferkeln im Sauenstall
Der Abferkelstall ist seit zwei Jahren voll im Betrieb. „Wir haben jetzt alle Jahreszeiten erlebt und unsere Jungsauentruppe ist zu einer Herde mit normaler Altersstruktur geworden. Jetzt kann ich erste verlässliche Aussagen treffen. Es funktioniert sehr gut“, sagt Tobias Urban. Das läge auch an dem guten Team im Stall, zu dem auch ein Auszubildender gehört. „Die Ausbildung macht mir Spaß, deshalb sind wir auch immer auf der Suche nach neuen Auszubildenden.“
Mit den Leistungen von rund 29 abgesetzten Ferkeln pro Sau und Jahr ist er zufrieden (siehe nebenstehende Tabelle). „Wie zu erwarten, sind unsere Saugferkelverluste mit 17 Prozent aber noch zu hoch.“ Hier kommen mit den Erdrückungsverlusten die Nachteile des freien Abferkelns zum Tragen.
„Wenn man bedenkt, dass wir mit beinahe 25 Prozent anfingen, sind wir aber auch da auf einem guten Weg“, sagt Tobias Urban mit Zuversicht. Er versucht, züchterisch noch besser zu werden und hat lieber zwei oder drei lebend geborene Ferkel weniger. „Wir werden noch weiter runterkommen, aber wohl nie bei 5 Prozent Saugferkelverluste landen, das ist utopisch.“
Die Sauen stehen in drei Abteilen mit je 36 Abferkelbuchten. Die Aufstallung hat Tobias Urban von seinem Schlosser nach eigenen Vorstellungen bauen lassen, nachdem er sich verschiedene Systeme angeschaut hatte. Die Buchten sind mit 7,5 m² so groß angelegt, dass er sie nach dem Absetzen auch zur Aufzucht der Ferkel nutzen kann.
„Idealerweise hätten wir vier Abteile gebaut. Dann könnten wir alle Ferkel hier aufziehen. Das wäre jedoch noch teurer geworden. Jetzt arbeiten wir im Drei-Wochen-Rhythmus. Während die eine Gruppe Ferkel hier aufgezogen wird, stallen wir die nächste Gruppe drei Wochen später in die alten Flatdecks auf der Hofstelle auf.“ In den Abferkelbuchten bleiben die Ferkel sechs Wochen, bevor sie mit 25 bis 26 kg in die Vormast gehen. „Wir können die Hälfte unserer Ferkel selbst mästen. Die anderen verkaufen wir mit 30 bis 32 kg.“ Die Aufzucht in den Abferkelbuchten funktioniere gut. Die Ferkel halten den Liegebereich sauber und wissen, wo sie Futter und Wasser finden.
„Allerdings habe ich Futterautomaten in den Buchten, die nur 45 cm breit sind und Platz für drei Ferkel bieten. Das ist für die Aufzucht kein ideales Tier-Fressplatz-Verhältnis. Eigentlich wollen alle gleichzeitig fressen. Deshalb stelle ich zusätzliche Schalen rein oder biete Futter auf der Festfläche an“, erklärt Tobias Urban. Die Ferkel, die er ausstallt, hätten zwar den Absetzstress, aber wenn sie den überstanden hätten, würden sie bessere Aufzuchtleistungen bringen.
Auch das sei eine Erkenntnis des Projekts, für das es zwar eine finanzielle Förderung gegeben habe, das aber kein Selbstläufer sei. Es brauche auch Begeisterung für die Sauenhaltung und Mut, um diese wenig erprobten Verfahren wie das freie Abferkeln umzusetzen.
„Insgesamt habe ich rund 2 Mio. Euro in den Stallbau investiert. Damit sind aber nicht alle Zusatzkosten des Projekts gedeckt.“ Zudem werde seine Arbeit von Wissenschaftlern begleitet. Studenten beurteilen im Rahmen ihrer Projekte die Tiere und die Sauberkeit der Abferkelbuchten oder messen die Staub- und Ammoniakbelastung.
„Das macht Spaß und ich lerne eine Menge, aber es bedeutet auch mehr Arbeit“, sagt der Landwirt. „Es waren auch viele Besuchergruppen hier und ich habe Vorträge gehalten.“ Das EIP-Projekt sei alles in allem aber eine gute Sache gewesen, vor allem wenn es um den Austausch von Ideen mit den Berufskollegen ging.
Trotz Krise gut aufgestellt
Der Austausch helfe auch in der aktuellen Krise. „Wir sind in einer unsicheren Zeit. Geld verdiene ich derzeit eigentlich nicht.“ Tobias Urban hätte damals auch entscheiden können, die Mast nebenher laufen zu lassen und woanders arbeiten zu gehen. „Ein ruhigeres Leben hätte ich dann sicher, aber ich bereue es nicht. Ich mache meinen Job gerne.“ Ob er sich heute, bald fünf Jahre später, noch mal so entscheiden würde? „Ehrlich gesagt, keine Ahnung. Allein die Bau- und Kreditkosten sind explodiert. Ich hatte so gesehen schon etwas Glück, allein dass wir trotz Corona die ganzen Baumaterialien noch bekommen haben“, sagt der Landwirt.
Er habe alles dafür getan, für die Zukunft gut aufgestellt zu sein. Da der Betrieb einen Teil der Schweine direkt an Metzger vermarktet, erlöse er zum Beispiel etwas mehr. Außerdem seien die Mastställe abgeschrieben und es gäbe zum Glück wenig Altlasten.
„Wenn es ewig so weitergeht, muss ich mir aber schon Gedanken machen. Nur habe ich das nicht mehr in der Hand. Ich kann nur meine Arbeit bestmöglich machen.“ Selbstkritisch merkt Tobias Urban an, dass er schon in einem Hamsterrad stecke. Er könne nicht einfach den Schlüssel umdrehen und aufhören, sondern müsse den Kredit bedienen.
Die Hoffnung hat er jedoch noch nicht aufgegeben. Derzeit würden die Preise für Mastschweine zum Glück anziehen. „Und 2018 war ein geniales Jahr für Ferkelerzeuger. Ein Problem sehe ich darin, dass wir in guten Zeiten keine steuerfreien Reserven aufbauen können.“ Stattdessen müsse man Gewinne direkt reinvestieren.
„Dann kommt die Krise und ich denke, jetzt habe ich zwar einen neuen Schlepper, aber kann kein Futter für meine Schweine mehr kaufen.“ In der Landwirtschaft gehe es auf und ab. Deshalb versteht Tobias Urban nicht, dass man so etwas wie eine steuerfreie Reserve nicht einführen kann.
Eines ist Tobias Urban klar geworden: Der Beruf des Landwirts ist sehr vielfältig. Das habe er in der Genehmigungsphase gemerkt, als er plötzlich mit Bankberatern oder mit Gemeinderatsmitglieder sprechen musste. „Man kann nicht mehr nur Bauer sein. Das ist fordernd, macht aber auch Spaß, wenn es klappt.“ ●
✔ Immer und überall verfügbar
✔ Artikel teilen
✔ Zusätzliche digitale Inhalte gegenüber der gedruckten Ausgabe
✔ Artikel merken und später lesen