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Schwarzwildplage im Hainich

Sauen Außer Kontrolle

Die Landwirte rund um den Hainich sind mit jährlichen Schäden bei Raps, Weizen und Mais in sechsstelliger Höhe betroffen“, skizziert Marko Hesse, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Unstrut-Hainich, die dramatische Lage. Landwirte, Jäger und Kommunen werfen der Nationalparkverwaltung vor, viel zu lange den Schwarzwild-Boom im Hainich und die Zuspitzung der Wildschadenssituation ignoriert zu haben.

Denn nahezu ungebremst konnte der Bestand im Hainich anwachsen. Dieser Höhenzug im Westen Thüringens mit dem größten zusammenhängenden Laubwaldgebiet Deutschlands und den umliegenden landwirtschaftlichen Flächen sei wie eine Käseglocke, der den Sauen ideale Einstände biete.

Auf dem Weizenschlag in einem Anrainerrevier des Nationalparks haben die Schwarzkittel ganze Arbeit geleistet.

Forschungen zum Schwarzwild

Im Zeitraum von 2016 bis 2019 liefen im Rahmen eines Forschungsprojekts Untersuchungen zum Schwarzwild im Hainich und dessen Umfeld. Für Erkenntnisse zur Raumnutzung wurden insgesamt 64 Schwarzkittel gefangen und mit GPS-Halsbandsendern ausgestattet. Die Datenauswertung zeigte, dass die Stücke überwiegend standorttreu waren. Keiner der Schwarzkittel wanderte ab.

In allen Jahreszeiten lagen die am intensivsten genutzten Bereiche vorwiegend im Nationalpark. Bevorzugte Einstände waren hier vor allem Wald- und Sukzessionsgebiete sowie Bruch- und Wurfflächen. Zwar wechselten die Schwarzkittel auch in die angrenzenden Feldfluren, aber im Verhältnis zur verfügbaren Projektfläche deutlich geringer.

Die Ermittlung des Frühjahrsbestandes erfolgte mithilfe der genetischen Analyse von Losungen. Anhand der Berechnungen wurde für das Jahr 2018 eine Dichte von 12,7 Tieren/100 Hektar bzw. 900 Stück ermittelt. Der jährliche Zuwachs wurde mit 250 Prozent (2.250 Stück) angesetzt. Jäger und Landwirte bezweifeln die Zahlen. Sie schätzen den Bestand auf das Doppelte.

Für ihre Annahme führen sie die enormen Wildschäden auf den Feldern und hohen Streckendaten in den Nationalpark Randrevieren an. So wurden allein in den Jagdbezirken des Wartburgkreises im Umfeld des Nationalparks im vergangenen Jahr über 1.000 Sauen erlegt! Auch NP-Leiter Manfred Großmann räumt ein, dass die 900 Stück nur einen Mindestbestand darstellen.

Mithilfe von GPS-Sendern wird das Wanderverhalten der „Nationalparksauen“ erforscht.

Die Schwarzwilddichte in den Revieren um den Hainich sei extrem angestiegen, sagt Sebastian Rönick, Inhaber der Jagdschule Unstrut-Hainich und Jagdaufseher in zwei Revieren. „Im vergangenen Jahr haben wir zu zweit auf einem Weizenschlag von 23 Hektar in einer Woche 17 Sauen erlegt und unterschiedliche Rotten mit 80 Stück auf der Fläche bestätigt.“

Ein Jahr zuvor bejagte er im Auftrag der Stadt Eisenach eine direkt an den Nationalpark angrenzende Weizenfläche von drei Hektar. „Innerhalb einer Woche habe ich auf den drei Hektar 27 Stück geschossen und insgesamt 185 Sauen auf dem Minischlag gezählt. Eine Rotte von 70 Stück zog wie auf einer Perlenschnur aufgereiht aus dem Nationalpark. Vom Weizen stand kein Halm mehr.“

Hohe Dam- und Rotwildbestände

Befürchtungen, dass die Wildschäden völlig aus dem Ruder laufen, haben auch die Jäger des Hegerings Alter Berg. Ihre Reviere grenzen an die UNESCO-Weltnaturerbe Flächen des Nationalparks, auf denen totales Jagdverbot besteht. Der Druck aus diesem Gebiet habe in den vergangenen zwei Jahren enorm zugenommen, beschreibt Revierpächter Wolfgang Mörstedt die Lage. „Die einzige Chance sie abzupassen, besteht auf dem frühmorgendlichen Rückwechsel in ihre Tageseinstände im Nationalpark.“

Auch die Dam- und Rotwildbestände im Nationalpark seien stark angestiegen, stellt Sebastian Rönick fest, der auch als Wildschadensschätzer im Landkreis Hainich-Unstrut unterwegs ist. Er nennt Schäden in Höhe von 40.000 bis 50.000 Euro, die er aufgenommen hat. „Würden die Agrarbetriebe die volle Schadenssumme einfordern, wäre das für viele Jagdpächter eine Katastrophe“, sagt Wolfgang Mörstedt.

Glücklich können sich daher Reviere schätzen, die mit den Jagdgenossenschaften und Landwirtschaftsbetrieben eine Einigung getroffen haben, um den Schadensausausgleich zu deckeln. Einige Revierinhaber befürchten allerdings, dass die Kulanz der Landwirte angesichts der explodierenden Getreidepreise bald ein Ende haben könnte.

Im Nationalpark kommen auch Saufänge wie dieses Modell zum Einsatz.

Zur Entschärfung der Situation wandten sich die Kreisbauernverbände Eisenach/Bad Salzungen und Unstrut-Hainich sowie die Jägerschaften Mühlhausen, Bad Langensalza und Eisenach mit einem Forderungskatalog an die Politik und Nationalparkverwaltung. Denn der derzeitige Abschuss decke nur 37 Prozent des Zuwachses ab.

Ganz oben auf der Liste steht die Forderung, keine Erweiterung der Jagdruhezone von derzeit 42 Prozent auf 75 Prozent der Nationalparkfläche festzulegen. Das würde die Schwarzwilddichte noch weiter in die Höhe treiben. Des Weiteren verlangen die Verbände eine ganzjährige Sauenbejagung im Nationalpark, den Mindestabschuss von fünf Stück/100 Hektar, den Einsatz von Nachtzieltechnik und revierübergreifende Jagden sowie die Erhöhung des Damwildabschusses und einen Gruppenabschussplan für Rotwild.

Abschusszahlen fast verdoppelt

Einige der Forderungen finden sich nach Darstellung von Uwe Katzenberger, Referatsleiter Schutzgebiete im Thüringer Umweltministerium, in den Handlungsempfehlungen für den Nationalpark wieder. Eine Erweiterung der Jagdruhezone würde nicht auf der Agenda stehen. Der Schwarzwildabschuss konnte mit 500 Stück gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelt werden.

Das war nach Ansicht von Nationalparkleiter Großmann möglich, durch die Verlängerung der Jagdzeit (ganzjährig), die Unterstützung durch einen Berufsjäger, den Einsatz von Nachtsichttechnik und die erhöhte Anzahl von Bewegungsjagden. Eine zentrale Rolle im Wildmanagement des Nationalparks räumt er dem Berufsjäger ein. Seine Aufgabe sei es, nicht vorrangig im Nationalpark selber zu jagen, sondern insgesamt die Professionalisierung voranzubringen und die Koordinierung mit den angrenzenden Jägern und Landwirten zu organisieren.

Projekt „Zwangswechsel“: Bei Kammerforst läuft der Versuch, mit einem 1,2 Kilometer langen E-Zaun lokal Wildschäden zu minimieren.

Eine Frage treibt die Jägerschaften und Landwirte derzeit besonders um: Was geschieht im Fall eines ASP-Ausbruchs im Kerngebiet des Nationalparks? „Die Flächen sind zugewachsen. Sie gleichen einem Urwald. Fallwildsuchen sind dort unmöglich“, beschreibt Helmut Rackwitz, Vorsitzender Jagdverband Eisenach, die Verhältnisse. Es fehle jegliche jagdliche Infrastruktur, es gäbe zudem kein Wegenetz mehr, keine Ansitzeinrichtungen oder Schussschneisen. Ein Lösungsansatz für den Ernstfall war aus der Nationalparkverwaltung nicht zu hören.

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