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Mähtod vermeiden

Kitzrettung: Akustische Wildretter im Praxistest

Ein Kitz wurde Opfer eines Kreiselmähers. Absprachen zwischen Jäger und Landwirt tragen wesentlich dazu bei, Jungwild zu retten.

Die Jungwildrettung hat in den vergangenen Jahren einen enormen Aufschwung erlebt. Gründe dafür sind insbesondere der Einsatz von Drohnen mit Wärmebildtechnik sowie das vermehrte öffentliche Interesse, aber auch entsprechende Gerichtsurteile, die die Pflicht der Landwirte, Mähtod zu vermeiden, untermauert haben. Um dieser Pflicht aus rechtlicher Sicht nachzugekommen, wird dabei auch auf akustische Wildretter an den landwirtschaftlichen Maschinen zurückgegriffen.

Die entsprechenden Ministerien haben nach Rücksprache mit den Bauernverbänden deren Anschaffung in der Vergangenheit zum Teil auch gefördert. Doch nicht nur Bauernverbände sondern auch Landesjagdverbände und Jagdmedien – uns nicht ausgenommen – haben deren Einsatz immer wieder propagiert bzw. gefordert, diesen zum Standard zu machen. Im jüngst von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) veröffentlichten „Mäh-Knigge“, der als Handlungsempfehlungen zur tierschonenden Mahd dienen soll, wird der Einsatz und Nutzen der akustischen Wildretter ebenfalls beschrieben.

Besonders der erste Gründlandschnitt im Mai birgt eine große Gefahr für Jungwild.

Die Retter werden von mehreren Herstellern angeboten und beruhen alle auf einem ähnlichen Prinzip. Sie senden einen hochfrequenten, mitunter sehr lauten Ton aus, der das Wild während der Mahd aus der Fläche vertreiben soll. Dafür sind je nach Hersteller und Arbeitsbreite/ -gerät ein oder mehrere der Sirenen nötig. Die Anschaffungskosten liegen pro Gerät, das es auch als Bausatz gibt, zwischen 15 und fast 200 Euro. Damit sind sie deutlich kostengünstiger als eine Drohne mit Wärmebildkamera, welche mehrere Tausend Euro kostet. Zudem sind sie für den Landwirt unabhängig und zeitsparend einzusetzen, da er sie nach dem Montieren nur noch anschalten muss und theoretisch sofort losfahren kann. Die Rücksprache mit Jägern bzw. Kitzrettungsteams ist scheinbar nicht mehr notwendig, da die Wildretter dafür sorgen sollen, dass das Wild die Fläche freiwillig verlässt.

Aufbau des Feldversuchs

Um die Wirkung der Wildretter zu testen, wurden sie in einen tragbaren Rahmen verbaut.

Um zu testen, ob die Geräte allerdings wirklich ihrem Ruf als Wildretter gerecht werden und somit die Vermeidung von Mähtod hinreichend abgesichert ist, haben wir sie einem Feldversuch unterzogen. Statt die Sirenen auf einer Maschine zu montieren, wurden sie in einer tragbaren Vorrichtung verbaut. Damit sollte sichergestellt werden, dass nicht der Maschinenlärm oder die durch die Maschine ausgelöste Bodenvibration dafür verantwortlich ist, dass Rehkitze oder Hasen flüchten, sondern einzig und allein der Piepton des Retters. Mit einem Wahlschalter konnte das jeweilige Gerät ausgewählt werden. Die Stromversorgung wurde über eine in einem Rucksack getragene Batterie gewährleistet.

Mit der Vorrichtung im Gepäck ging es schließlich Mitte Mai zum ersten Grünlandschnitt ins Revier. Dort angekommen, haben wir mit einer Wärmebilddrohne in den Wiesen nach festliegenden Hasen und Kitzen gesucht. Sobald wir diese gefunden hatten, schalteten wir eine der Sirenen ein und bewegten uns in Richtung des Tiers. Die in einiger Höhe schwebende Drohne gab bereits eine grobe Orientierung vor, die genaue Einweisung zum Standort erfolgte über Funk. Mit dem Copter in der Luft konnte auch bei höherem Bewuchs das Abspringen des Hasen bzw. Kitzes erkannt werden. War dies der Fall, wurde der Läufer sofort über Funk gestoppt und anschließend die Distanz zum Lager bzw. zur Sasse ermittelt – welche dank der abstrahlenden Wärme mit der Drohne noch leicht zu finden war. Dieses Vorgehen wiederholten wir mit jedem Retter bei mindestens je fünf Hasen und fünf Kitzen. Durch die Auswahl der Flächen wurde sichergestellt, keines der Tiere mit zwei verschiedenen Wildwarnern anzugehen. Als Referenzwert gingen wir zudem jeweils fünf Hasen und Kitze ohne eingeschalteten Retter an. Das Vorgehen wiederholten wir beim zweiten Schnitt im Juni. Die Ergebnisse hielten wir schriftlich fest.

Über den Wahlschalter konnte ausgewählt werden, welcher Wildretter zum Einsatz kommt.

Ergebnisse des Feldversuchs

Die in Tabellen festgehaltenen Daten zeigten zum Abschluss des Feldversuchs nach dem zweiten Schnitt ein sehr einheitliches Bild hinsichtlich des Fluchtverhaltens. Hasen flohen unabhängig vom eingesetzten Wildretter und bei etwa gleichen Bewuchsverhältnissen auf Distanzen zwischen 25 und einem Meter. Das gleiche Bild ergab sich auch zum Zeitpunkt des zweiten Schnitts. Kitze flohen beim ersten Schnitt gar nicht und sind als Reaktion maximal aufgestanden. Beim zweiten Schnitt ergab sich hinsichtlich des Fluchtverhaltens ein ähnliches Bild wie bei den adulten Hasen. Zum Teil drückten sich auch ältere Kitze trotz des Retters in die Wiese, bis man bei ihnen war, manche nahmen recht früh Reißaus. Allerdings ergab sich – egal ob Hase oder Kitz, erster oder zweiter Schnitt – kein signifikanter Unterschied zum Angehen ohne einen akustischen Warner. Auch hier flüchteten Hasen und Kitze zum Teil sehr spät bzw. gar nicht oder eben recht früh auf Distanzen von über 20 Meter.

Mit der Wärmebilddrohne wurden Hasen und Kitze gesucht, die dann gezielt angegangen wurden.

Fazit nach dem zweiten Schnitt

Das Ergebnis des Feldversuchs ist äußerst ernüchternd. Die an der Maschine montierten Wildretter sind unabhängig vom Hersteller für die Rettung von Wildtieren vor dem Mähtod völlig unbrauchbar. Einem Teil der Hersteller kann man zugutehalten, dass er den Einsatz seiner Geräte nur als „zusätzliche Maßnahme“ ausweist und auf die Gefahren des fehlenden Fluchtreflexes bei Jungwild hinweist, wie es u.a. NaturTech Oberland tut. Der Hersteller Luxkraft bescheinigt seinem Wildretter in der Produktbeschreibung allerdings: „Gerettet werden fast alle Feldhasen und Rehe ab einem Alter von 5 Tagen.“ Empfohlen wird das Gerät dabei vom Oberösterreichischen Landesjagdverband...

„Der Einsatz akustischer Wildretter darf kein Freifahrtschein für die unzureichende Vermeidung von Mähtod sein.“

Das Fluchtverhalten beim Angehen mit oder ohne einen eingeschalteten Retter war jedoch fast identisch – häufig stand man direkt vor den Kitzen, die sich nicht rührten. Selbst ausgewachsene Hasen konnte man trotz Wildretter bis auf einen Meter angehen. Bei großen Arbeitsbreiten und 20 km/h wäre kein Entkommen mehr möglich. Ursächlich für früheres Fluchtverhalten ist bei der tatsächlichen Mahd demnach eher der Maschinenlärm, die durch die Maschinen ausgelöste Bodenvibration, die Arbeitsgeschwindigkeit oder die optische Wahrnehmung der Maschine als Gefahrenquelle. Fatal ist es daher, wenn Landwirte aus Bequemlichkeit oder Unkenntnis – aber mit guter Absicht – ausschließlich auf diese Methode setzen. Ein Absuchen der Flächen vor der Mahd bleibt unabdingbar. Im Zweifelsfall sollte diese Erkenntnis auch bei zukünftigen Gerichtsurteilen berücksichtigt werden, denn der Einsatz der akustischen Wildretter darf kein Freifahrtsschein für die unzureichende Vermeidung von Mähtod sein.

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