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Schwarzwild jagen im Mai

Die schmale Sichel des aufgehenden Mondes erhebt sich, als ich morgens zum Ansitz aufbreche. Noch liegt Dunkelheit über dem verschlafenen Dorf, doch im Mai kommt das erste Büchsenlicht schon kurz nach vier. Während der kleine Rest des zunehmenden Mondes langsam am Himmel emporsteigt, erreiche ich den Pirschweg zur Kanzel. Das Wärmebildgerät zeigt im Bereich des Pirschweges und um den Sitz herum kein Wild. Auch ein erster Blick vom Hochsitz bestätigt, dass die lange Talwiese noch ohne Wildbesuch ist. Sind die ersten Maitage oft lausig kalt, wird es zunehmend angenehmer morgens auf die Jagd zu gehen. Endlich sind die Tage wieder länger. Vorbei sind die Monate, wo die Sauen nur Schatten sind und ihre Bejagung auf den nassen Wiesen notwendige Schadensprävention darstellt.

Ganz anders jetzt im Mai, wo sich die noch unerfahrenen Überläufer auf dem verspäteten Rückwechsel vom Feld in den Einstand abpassen lassen. Ohne die Führung einer erfahrenen Bache verbummeln sie morgens gerne die Zeit. Während die Bache im Wurfkessel bei den neuen Frischlingen liegt, ziehen ihre nun einjährigen Nachkommen in dem bisher bekannten Streifgebiet ihre Wechsel. Seit Mitte April steuern sie nach wie vor die in Waldnähe gelegenen Maisfelder an und durchwühlen sie auf der Suche nach den Saatkörnern oder machen sich über das nun saftige Grün der Wiesen und Kleeschläge her.

Die Winterschwarte im Mai muss nicht immer auf eine führende Bache hindeuten. Doch hier ist selbst bei höherem Bewuchs das Gesäuge zu erkennen.

Muttertierschutz hat Vorrang

Noch ist die Vegetation in einer Höhe, die einen sicheren Blick auf die Bauchlinie fast überall freigibt und das Ansprechen leicht macht. Schließlich ist der Muttertierschutz gerade zu dieser Zeit besonders wichtig. Diese Chance muss der Jäger nutzen, denn das Zeitfenster ist durch die fortschreitende Vegetation sehr schmal. Selten gelingt es, im Herbst und Winter den Zuwachs bei den Sauen komplett zu erlegen. Immer wieder schaffen es erfahrene Bachen, ihre Rotten aus dem Gefahrenbereich herauszuführen. Daher trifft man im Frühjahr auch auf Bachen, die noch ihre fünf bis sieben vorjährigen Frischlinge führen, oder es wechseln aus anderen Gebieten Überläuferrotten ins Revier ein. Ziehen die Überläufer anfangs noch als Rotte umher und halten sich im weiteren Dunstkreis des neuen Wurfkessels auf, sondern sich die Keilerchen bald ab und erweitern ihre Kreise, während die weiblichen Stücke fortan wieder zur Bache stoßen und mit eigenen Frischlingen helfen, die ursprüngliche Rotte zu vergrößern. Noch dauert es aber ein paar Wochen, bis sich auch bei den Überläuferbachen der Nachwuchs einstellt. Umso wichtiger ist es also, jetzt noch die eine oder andere von ihnen zu erlegen.

Frischlinge verlassen den Wurfkessel erst mit zwei bis drei Wochen. Davor zieht die Bache allein zur Äsung und kehrt möglichst schnell zurück.

Vorjährige Frischlinge zuerst erlegen

Zurzeit lassen sich die Überläuferkeilerrotten jedoch am leichtesten bejagen. Sie sind noch sehr unvorsichtig, abends bereits weit vor Sonnenuntergang rege und morgens die letzten, die in den Wald einziehen. Der Pinsel hebt sich gut sichtbar von der Bauchlinie ab. Da es sich meist um Wurfgeschwister handelt, sind sie alle etwa gleich groß. Noch einfacher zum Ansprechen sind die Frischlinge aus dem Spätwinter. Sie laufen häufig schon mit der Überläuferrotte mit. Mit 8 bis 10 kg Gewicht lassen sie sich auch wunderbar verwerten. Ihr Abschuss sollte im Feld Vorrang haben, um die Rotte von Schadflächen zu vergrämen. Versuche, in solchen Situationen eine passende größere Sau zu erlegen, scheitern häufig. Zu leicht werden die noch kleinen angesaugten Striche der Bachen übersehen.

Spitz oder schräg anwechselnde Sauen sind schwer anzusprechen. Erst die Breitseite bei niedrigem Bewuchs gibt den unbeirrbaren Blick auf die Bauchlinie frei.

Langsam hebt sich nun der leichte Morgennebel über der Talwiese. Als es heller wird, sind einige bräunliche Flecken zu sehen – Sauen! Trotz aufmerksamer Beobachtung waren sie unentdeckt in das schon höhere Gras gewechselt, das nur die obere Körpermitte freigibt. Obwohl anzunehmen ist, dass es aufgrund der Farbe und gleicher Größe Frischlinge vom Vorjahr sind, ist die Bauchlinie für eine korrekte Ansprache nicht sichtbar. Zusätzlich birgt die hohe Deckung die Gefahr, dass man intuitiv mit dem Absehen aus der Deckung herausbleibt und der Schuss folglich zu hoch sitzt, was oft zu Krellschüssen führt. Die Sauen verschwinden langsam in einer Bodensenke und wechseln dann scheinbar in den Wald zurück, ohne sich nochmals zu zeigen. Nachdem sich kein Rehwild zeigt, entschließe ich mich zu einem Pirschgang, der mich im großen Bogen zum Auto zurückbringt und die Möglichkeit eröffnet, Einblick in einige versteckt liegende kleine Winkel zu erlangen, die nahe von Deckungsmöglichkeiten für frische Klee- und Grasäsung sorgen. Diese Ecken sind eigentlich in jedem Revier zu finden und können bei wenig Aufwand zu vom Wild gern aufgesuchten Stellen werden. Neben einer beliebten Mischung aus Klee, Süßgräsern und Kräutern schaue ich alle drei bis vier Jahre darauf, dass ich sie im Spätwinter mit Magnesiakainit dünge. Zum einen verdrängt der Dünger Moos, zum anderen ist es die einzige Möglichkeit, dem Wild pflanzenverfügbares Natriumchlorid anbieten zu können. Entsprechend gern steht das Wild auf diesen kleinen Flecken.

Feuchte, dunkle Plätze als Wühläcker nutzen

Ein weiterer Trumpf für den Sauenjäger können um diese Zeit Wühlstreifen sein. Dazu eignen sich alle ungenutzten Flächen im Wald, die frei von Wurzeln und Wurzelstöcken sind, so dass sie mit Grubber oder Fräse bearbeitet werden können. Insbesondere eignen sich schattige und daher oft feuchte Schneisen, in denen die Sauen bevorzugt brechen. Zum einen der Feuchtigkeit wegen, zum anderen fühlen sie sich im dunklen Bereich deutlich sicherer. Wo es sich einrichten lässt, sollten wir bereits ab März die Wühlstreifen einrichten, damit sie bis in den Mai bekannt sind. Selbstverständlich erschließen wir diese Plätze mit Pirschwegen und Ansitzeinrichtungen, solange küselnde Winde keine Probleme bereiten.

Wühlstreifen und -äcker können Sauen ebenso binden und tagaktiv machen wie Kleeflächen. Der Blick ist dort frei zum sicheren Ansprechen.

Zu keiner anderen Jahreszeit bietet sich die Pirschjagd besser an als im Frühjahr, wenn alles Wild vertraut und aktiv ist. Zur Ausrüstung zählt neben einer führigen Büchse und einem Pirschglas – möglichst mit integriertem Entfernungsmesser – unbedingt ein brauchbarer Pirschstock. Von allen bekannten Typen und Variationen ist mindestens das Dreibein, besser noch ein vierbeiniges Scherenmodell zu wählen. Mit fest eingelegter Waffe lassen sich so selbst Schüsse auf kleine Frischlinge oder weiter weg stehende Sauen sicher umsetzen – den geübten Umgang mit dem Zielstock natürlich vorausgesetzt.

Langsam setzt feiner Regen ein. Die leisen Geräusche beim Pirschen gehen in der Geräuschkulisse unter. Meist lässt es sich auf dem begrünten Mittel- oder Randstreifen entlang des Forstweges leise vorankommen. Nur an ganz wenigen Stellen wird es notwendig, über den losen Schotter zu kreuzen. Mit Bedacht geht auch das und der Blick um die nächste Dickungsecke zeigt einige Überläufer am Rande der Dickung.

Im Mai sind insbesondere frisch gesäte Maisschläge Ziel der Überläufer. Wer hier nicht den Anfängen wehrt, den erwartet viel Wildschaden.

Sie stehen im Regen und äsen vertraut das frische Grün. Hin und wieder setzt es einen Rempler, wenn sich zwei Keilerchen zu nahekommen. Noch stehen sie in einer leichten Senke und vor allem spitz. Als sich die ersten über die Kante schieben, liegt die Waffe bereits fertig im Pirschstock. Als einer ausschert, sich breit stellt und der Hintergrund frei ist, liegt er im Knall. Etwas verwirrt rennen die Restlichen daraufhin durcheinander und verhoffen, als bereits ein weiteres Keilerchen im Schuss verendet. Ein spannender und stimmungsvoller Morgen endet wie so oft auf der Jagd noch in den letzten Momenten mit einem wahren Höhepunkt und Waidmannsheil.

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