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Die Mast entscheidet

Drückjagd im Spessart

Nur verhalten sind Hundegeläut und Schüsse zu hören, als ich Anfang November Revierförster Sebastian Duschner bei der Drückjagd im Revier seines Kollegen als Durchgeher begleite. „Du hättest gestern für deinen Artikel da sein müssen, da war’s deutlich besser“, erklärt er mir mit einem Augenzwinkern – wissend, dass ich meine Teilnahme wegen eines anderen wichtigen Termins spontan absagen musste. Knapp 60 Stück Schwarzwild und ein paar Stücke Rotwild wurden am Vortag in seinem Revier des Forstbetriebs Rothenbuch von rund 50 Schützen erlegt. Mit dieser Strecke hatte der passionierte Hundeführer aber selbst nicht gerechnet. „25 bis 30 Sauen wären gut“, hatte er mir noch eine Woche vor der Jagd angedeutet. Doch heute scheint tatsächlich nicht viel zu gehen. Ein kranker Frischling, der von einem anderen Hundeführer bei uns im Treiben erlöst wird, und zwei Rehe sind alles, was wir mitbekommen. Die Schützen, bei denen wir vorbeilaufen, sind alle Schneider. Als die Deutsch Drahthaar Hündin von Sebastian dann auch noch anfängt, vor lauter Langeweile einen Zaunkönig in einem Reisighaufen vorzustehen, ist die Luft gänzlich raus. Die drei anderen Drahthaar und der Jagdterrier hatten sich bereits zu Beginn aus unserem Treiben verabschiedet.

„Die Mast spielt im Spessart eine erhebliche Rolle, wenn es um die Reproduktion des Schwarzwilds geht.“

Dieses Jahr hingen die Bäume recht spät im Jahr noch voll mit Laub, was die Jagd deutlich erschwerte.

Wenig Nahrung und schlechte Witterung

Auch bei den anderen Hundeführern war, wie sich nach Ende des Treibens am Aufbrech- und Streckenplatz herausstellt, nicht viel los. Nur selten kamen die Hunde an Wild und wenn, dann waren es eher einzelne Sauen. „Größere Rotten kommen im Spessart dieses Jahr kaum vor“, deutet Sebastian an. Die Gründe dafür sind zahlreich. Einerseits verteilen sich die Schwarzkittel durch die diesjährige Vollmast sehr und andererseits gab es im vergangenen Jahr keine Mast. Diese spielt im Spessart eine erhebliche Rolle, wenn es um die Reproduktion des Schwarzwilds geht. Die meisten Sauen leben nämlich das ganze Jahr über in dem großen geschlossenen Waldgebiet. Außerdem hat die Witterung zu erheblichen Verlusten bei den wenigen Frischlingen geführt, die es überhaupt gab. Der Spätwinter war hart, der Frühling nasskalt und der Sommer extrem trocken.

Unter optimalen Bedingungen wird das Wild am Aufbrechplatz weiter versorgt.

Kein Wunder also, dass der Anteil der Frischlinge an der Gesamtstrecke der heutigen Jagd bei unter zehn Prozent liegt. Auch bei den vermeintlichen Überläufern, die nach und nach am neu eingerichteten Aufbrechplatz ankommen, handelt es sich in der Regel um bereits mehrjährige Stücke mit zum Teil unter 50 kg. Am Ende des Jagdtags liegen 26 Sauen und etwa ein Dutzend Rehe. Für die bejagte Fläche und die Zahl der Schützen ein unterdurchschnittliches Ergebnis. Sebastian und Forstbetriebsleiter Florian Vogel sind sich daher schnell einig, dass ich Anfang Dezember erneut kommen muss. Gesagt, getan.

Weniger Schützen, gleicher Erfolg

Christoph und Sebastian (rechts im Bild) sind als Hundeführer ein eingespieltes Team.

Es ist der 1. Dezember und erneut begleite ich den Revierleiter beim Durchgehen mit den Hunden. Gejagt wird größtenteils im Revier eines Kollegen sowie auf rund 300 Hektar in Sebastians Revier, die daran angrenzen. 24 Schützen hat er für diese Fläche eingeplant. „Ich hab das auch schon mit zehn mehr gemacht, aber der Erfolg wird dadurch im Verhältnis zum Mehraufwand nicht größer.“ Durch die weiten Altholzbestände mit Buche und Eiche, die viel Schussfeld bieten, decken die vergleichsweise wenigen Schützen sowieso eine recht große Fläche ab. Nur selten haben die Jäger Standnachbarn in Sichtweite oder Gefahrenbereiche zu beachten. Die Geländetopografie bietet zudem ausreichend Kugelfang.

Die Stände auf den Drückjagden im Spessart sind begehrt.

Kaum ins Treiben gestartet, werden auch schon die Hunde laut. In einer der wenigen kleinen Nadelholzdickungen stecken Sauen. Immer wieder jagen die Hunde in dem etwa 30 m breiten und 200 m langen Streifen, der direkt an einem Weg liegt, hin und her. Für einen kurzen Moment erhaschen Sebastian und ich den Blick auf eine Sau, die offensichtlich einen Gebrächschuss hat und es schafft, die Hunde zumindest für einen kurzen Moment an der Nase herumzuführen, indem sie mehrfach die Richtung wechselt. Doch nur wenige Momente später macht sie den Fehler, die Dickung vor den Hunden zu verlassen, um dort kurz darauf von einem Schützen gestreckt zu werden. Kaum haben sich die Hunde und Sebastian vergewissert, dass die Sau liegt, beginnen die Vierläufer erneut in der Dickung laut zu werden. Wenig später sind Fassgeräusche und Grunzen zu hören. Gemeinsam haben die Hunde eine weitere kranke Sau gebunden, die in der Zwischenzeit in den schmalen Streifen eingewechselt sein muss. Christoph, der uns an diesem Tag als Hundeführer begleitet, löst die Situation routiniert und fängt den Überläufer mit dem Saufänger ab.

Nur wenige dichte Einstände

Einstände im Spessart sind zum Teil auch einfache Stangenhölzer.

Immer wieder jagen die Hunde in der Folge an Sauen, die in den vereinzelten Dickungen liegen. Doch auch eine Buchenkrone oder Stangenholz kann dem Wild hier schon als Deckung dienen. Brombeeren, Ginsterflächen oder größere Fichtendickungen gibt es hier nämlich nicht. Das macht das Laufen als Hundeführer und Treiber vergleichsweise angenehm. Zudem können die kleinen, verteilten Einstände sehr gezielt angegangen werden. Etwas später im Treiben binden drei der Deutsch Drahthaar von Christoph und Sebastian noch eine laufkranke Bache, die sich unter einer Baumkrone eingeschoben hatte und verhindern so eine langwierige, komplizierte Nachsuche.

Ohne Kompromisse einzugehen, binden die drei Deutsch Drahthaar die laufkranke Bache.

Als wir dann kurz nach Ende des Treibens im Auto sitzen, um die abgefangenen Stücke einzusammeln, meldet sich Sebastians Bruder. Einer der Schützen hat einen Hirsch erlegt, obwohl außer einem 1er-Hirsch keine mehr frei sind. Doch offenbar war der erlegte Hirsch schwerkrank. Als zuständiger Revierleiter muss sich Sebastian davon selbst ein Bild machen und auch seinen Chef informieren. Am Stand des Erlegers angekommen, wird schnell deutlich, dass in diesem Fall kein Zweifel besteht, dass es sich um einen Hegeabschuss handelt. Eine Verletzung des rechten Vorderlaufs hat dazu geführt, dass der Eissprossenzehner vom 4. bis 5. Kopf deutlich abgekommen war. Am Ende des Tages liegen 20 Stück Rotwild, 31 Sauen und neun Rehe. Allein auf den 300 Hektar von Sebastian sind es der Hirsch, 16 Sauen und fünf Stück Rehwild.

Sebastian dokumentiert die Verletzung eines laufkranken Rothirsches, der an einem der Drückjagdtage zur Strecke kam.

„Durch die Althölzer, die viel Schussfeld bieten, decken vergleichsweise wenige Schützen eine recht große Fläche ab.“

Nach einem dem erfolgreichen Jagdtag angemessenen Schüsseltreiben ging es am nächsten Tag erneut los. Diesmal saß ich allerdings auf dem Stand. Die Ansprache von Betriebsleiter Florian Vogel für die Schützen war dazu äußerst klar gefasst: „Wir schenken Ihnen durch die Einladung unser Vertrauen. Halten Sie sich an die Regeln, missbrauchen Sie das Vertrauen nicht und lügen Sie uns unter keinen Umständen an. Wer sich daran nicht hält, war das letzte Mal bei uns zu Gast.“

Betriebsleiter Florian Vogel macht bei der Ansprache deutlich, was er von den Jagdteilnehmern erwartet.

Schußfeld in alle Richtungen

Gemeinsam mit meinem Standnachbarn, der etwa 70 m unterhalb von mir postiert war, saß ich wenig später in einem Buchenaltholz. „Zwei absolute Topstände“, hatte Sebastian angekündigt. Abgesehen von dem Sicherheitsbereich zu meinem Nachbarn hatte ich in alle Richtungen theoretisch ein Schussfeld von rund 100 m. Leider war das abgefallene Buchenlaub durch den leichten Schneefall so feucht, dass sich dadurch kein Wild ankündigte. So musste ich mich stets auf die vollen 360° konzentrieren. Ein Unterfangen, das mir weitgehend gelang. Eine Sau nutzte aber scheinbar eine kurze Unaufmerksamkeit meinerseits, denn plötzlich trollte sie auf rund 80 m im Hang von mir weg. An einen sicheren Schuss war nicht mehr zu denken.

Drückjagdstände im Spessart bieten häufig viel Schussfeld – das macht es allerdings nicht zwangsläufig einfacher.

Wenig später wurden links von mir hinter der Hangkante Hunde laut. Ein junger Keiler flüchtete Sekunden darauf unterhalb von mir durchs Altholz. Doch statt auf rund 70 m mein Glück zu versuchen, nahm ich die Waffe gar nicht erst in den Anschlag und überließ sie meinem deutlich besser positionierten Nachbarn, der die Sau in voller Fahrt auf unter 30 m mit sauberem Schuss streckte.

Mit sauberer Kugel konnte das Schmalreh erlegt werden.

In der Folge passierte, abgesehen von einem Schmalreh, das mich still und heimlich angewechselt hatte und von mir mit sauberer Kugel erlegt werden konnte, nicht mehr viel. Und das, obwohl überall um uns herum Schüsse fielen. Das Rotwild, das an diesen beiden Ständen normalerweise gut in Anblick kommt, hatte heute scheinbar andere Pläne. So hatten mein Standnachbar und ich unsere Beute zügig geborgen und ein weiterer erfolgreicher Jagdtag im Spessart ging mit insgesamt über 30 Sauen, vier Stück Rotwild und zehn Rehen zu Ende. „Bei der aktuellen Mast dürften es nächstes Jahr aber wieder deutlich mehr Sauen werden“, wagt Sebastian einen Ausblick auf den kommenden Drückjagdwinter im Spessart.

Das symbolische Legen und Verblasen der Strecke darf nicht fehlen.

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