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Waffenschrank

Tür zu, Tür auf?

Wenn die dicken Riegel eins Waffenschranks sich nicht mehr öffnen, ist das ein Fall für einen Spezialisten.

Oliver Diederichsen ist einer der gefragtesten Panzerknacker Deutschlands. Sein Job beginnt stets da, wo anderen die Tür verschlossen bleibt. Sein tägliches Brot sind defekte Schlösser, abgebrochene Schlüssel und vergessene Zahlenkombinationen. „Ich werde immer dann gerufen, wenn in Sachen Panzer- oder Waffenschrank nichts mehr geht“, erklärt uns Diederichsen, der eigentlich mal Weinhändler von Beruf war. Zu dem doch sehr speziellen Job mit den Schlössern ist er mehr oder weniger durch Zufall gekommen. „Wenn keine Kunden in meinem Weinladen waren, habe ich mich im Kontor mit Schlössern und deren Funktion beschäftigt und geschaut, wie man sie aufbekommt, ohne sie zu zerstören. Das ist dann zur Leidenschaft geworden und jetzt mache ich es schon seit 15 Jahren hauptberuflich“, so Diederichsen weiter.

Werkzeug aller Art und natürlich Spezialwerkzeuge für den ganz besonderen Einsatz.

Die Spezialwerkzeuge fertigt der Panzerknacker alle auf der alten Drehbank selber an.

Häufig im Einsatz für die Polizei und die lokalen Waffenbehörden

Die Bezeichnung „Panzerknacker“ ist eigentlich negativ, ja sogar mit kriminellen Assoziationen vorbelastet, obwohl die bekanntesten Vertreter dieses Genres wie Egon Ohlsen, Daniel Ocean und natürlich die Panzerknacker-Bande aus den Donald-Duck-Comics schon mehr Sympathieträger als Schwerverbrecher sind. Oliver Diederichsen betreibt sein Geschäft Tresoröffnungen.de jedenfalls ganz legal und wird in vielen Fällen von der Polizei beziehungsweise vom Ordnungsamt herbeigerufen. „In Zeiten, wo sich Einbruchdiebstähle häufen, sind Tresore und Panzerschränke zur Massenware geworden. Heute sind in vielen Häusern und Wohnungen Möbeltresore verbaut, die je nach Bauart und Qualität so ihre Tücken haben. Wenn dann das Schloss hakt oder der Schlüssel weg ist, muss jemand ran, der die schwere „Blechbüchse“ wieder aufmacht, ohne die Einrichtung zu ruinieren“, lacht der hagere Panzerknacker, der mittlerweile auch auf die 60 zugeht.

Durch Hand des Meisters wird aus einem Rohlingen ein Tresorschlüssel. Doch welchen nehmen? Die Auswahl ist enorm groß.

Sein Hauptquartier liegt versteckt in einem Hinterhof in Hamburg-Eimsbüttel. Nebenan brummt das Geschäft eines Bestattungsunternehmers. Hinter einer unscheinbaren Fassade mit schlichtem Rolltor befindet sich die Werkstatt der Firma. Hier stehen Tresore aller Art dichtgedrängt beieinander, und jeder dieser Stahlboliden kann sicherlich seine ganz eigene Geschichte erzählen. Das Heiligtum des Panzerknackers ist ein höhlenartiger Raum, der bis oben hin angefüllt ist mit Werkzeugen, Drehbänken und Schlüsselrohlingen, die in allen erdenklichen Formen und Größen feinsäuberlich glänzend die Wände schmücken. „Der Schlüssel ist bei vielen Waffenschränken die Achillesferse“, sinniert Diederichsen und hält einen sogenannten Doppelbartschlüssel in die Höhe. „Wenn nur ein kleines Teilchen abbricht, kann das Schloss des Tresors oft nicht mehr betätigt werden und der Schrank bleibt zu.“

Auf der Suche nach dem Ersatzschlüssel

Alt aber immernoch sehr sicher: Die Kombinationsschlösser mit den Zahlen oder Buchstaben.

Beunruhigt schießt mir sofort die Frage: Wo ist der Ersatzschlüssel von unserem Waffenschrank? durch den Kopf. „Was macht man in so einem Fall?“, frage ich leicht verunsichert. Der Meister der Schlüssel und Schlösser lacht verschmitzt und verweist auf den beim Tresorkauf immer mitgelieferten Zweitschlüssel hin. „Und wenn der nicht auffindbar ist?“, hake ich nach. „Dann wird es komplizierter“, sagt Diederichsen, und ich merke schon an dem leicht pastoralen Tonfall meines Gegenübers, das jetzt etwas Großes, sehr Komplexes kommt. Es folgt ein ausführlicher Vortag über Tresortypen, Schlösser und Zuhaltungen, wie der Fachmann sagt.

Diederichsen ist in seinem Element. Wo andere an ihre Grenzen stoßen und vor verschlossener Tür stehen, beginnt für ihn die eigentliche Herausforderung, die eigentliche „Challenge“, wie es es manche auf „neudeutsch“ ausdrücken würden. Um sie zu bestehen, braucht der Meister Werkzeug, Spezialwerkzeug, um genau zu sein. Nein, keine profanen Schraubenschlüssel, es geht um feinste Fühler und Taster mit Drehgelenken, gefertigt aus Stahlstiften, Drahtteilen und zierlichen Rädchen. Die bizarr wirkenden Teile werden dann kunstvoll in das Schlüsselloch eingeführt und werden quasi zu Diederichsens Augen, der damit erfühlen kann, wie dem Schloss beizukommen ist. Solche Werkzeuge sind natürlich nicht im Baumarkt erhältlich und sind allesamt selbstgebaut und auf ganz bestimmte Tresortypen und Schlossformen abgestimmt. Dutzende davon müssen vorgehalten werden, um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein.

Die Fräsmaschine für Nachschlüssel wird von der Computersoftware angesteuert.

Wenn alles klappt und der verlängerte Tastsinn des Panzerknackers die neuralgischen Stellen im Innenleben des Stahlschranks gefunden hat, geht die Tür auch auf. Wenn nicht, wird es teuer. Während für eine einfache Öffnung pauschal 450 Euro berechnet werden, plus An- und Abfahrt, tickt jetzt die Uhr und meist muss der Spezialist zu gröberen Mitteln greifen. Die Bohrmaschine ist dabei die Ultima Ratio. Gesprengt, wie in alten Cowboyfilmen, wird jedenfalls nicht mehr, und die Wohnung ist auch nach einer gewaltsamen Tresoröffnung bewohnbar.

Ein abnormer Bock. Trophäe und liebe Erinnerung an die Öffnung eines Waffenschranks.

Zudem lassen sich solche Aktionen auch proaktiv vermeiden. Achten Sie darauf, wo der Ersatzschlüssel deponiert ist. Ganz schlecht wäre, wenn er im Waffenschrank selber aufbewahrt würde. Ferner achten Sie darauf, ob sich am Schließverhalten von Schrank und Schloss etwas ändert. Solche mechanisch belasteten Metallteile nutzen sich mit der Zeit ab. Diederichsen bietet deshalb auch einen Wartungsservice an, wo einmal nach dem Rechten geschaut wird, Verschleißteile erneuert und die Schließmechanik im Schrank gründlich abgeschmiert wird.

Doch egal, wie der Tresor geöffnet wurde, wenn unser Panzerknacker erfolgreich war, gibt es wie bei uns Jägern eine Trophäe. Die besteht meist aus dem Typenschild des geöffneten Schrankes. Einmal gab es aber auch einen abnormen Rehbock zur Erinnerung an eine Waffenschranköffnung. Die Witwe eines Grünrocks musste die Waffen ihres Mannes der Behörde übergeben. Die Zahlenkombination war aber zusammen mit dem Jäger in die ewigen Jagdgründe gegangen. Kein Problem für Firma Tresoröffnungen und zum Dank gab es den Abnormen, der jetzt zwischen all den Typenschildern die Trophäenwand schmückt. Wenn mal kein Notfall anliegt, tüftelt Diederichsen an kleinen Schlössern herum, die Freunde und Kollegen ihm zugeschickt haben. Er ist nämlich Mitglied im Verein SSDeV. Das steht für Sportsfreunde der Sperrtechnik Deutschland e.V.

Die Typenschilder der geöffneten Tresore sind die Trophäen an der Wand in der Werkstatt.

Hier betreiben Schloss- und Schlüsselbegeisterte Menschen das sogenannte Lockpicking. Das Wort stammt aus dem englischen Sprachraum und beutet etwa soviel wie: Im Schloss rumstochern. Auch hierfür sind spezielle Werkzeuge nötig, Sie kennen das bestimmt aus dem Fernsehen, da hat ja heute jeder Kommissar, der etwas auf sich hält, so ein Set in der Hosentasche. Ich greife gleich mal in meine und fördere meinen Waffenschrankschlüssel zu Tage. „Den sollten Sie in jedem Fall nicht einfach rumliegen lassen,“ belehrt mich der Meister erneut und erklärt mir, dass Profis nur ein Foto eines Schlüssels benötigen, um einen Nachschlüssel zu formen. Wir machen gleich mal die Probe aufs Exempel und fotografieren meinen Schlüssel. Das Foto wird per Mail an einen Computer gesendet, wo eine spezielle Software das Bild auswertet und den Schlüssel originalgetreu nachzeichnet.

Jetzt noch den richtigen Rohling in die angeschlossene Fräsmaschine stecken, und per Mausklick verwandelt ein schrill kreischender Fräser den stumpfen Rohling in einen perfekten Nachschlüssel. Etwas nachdenklich, wie schnell das eben ging, verlasse ich die Werkstatthöhle. Egal, denke ich, zumindest ist jetzt ja wieder ein Zweitschlüssel da. Während ich das neue Exemplar blick- und fotosicher verstaue, fällt mein Blick auf einen riesigen Kühlschrank, der zwischen den mannshohen Tresoren bisher nicht weiter aufgefallen war.

Ein Kühlschrank voller guter Tropfen

Gut versteckt aber unverschlossen, ein Weinvorrat für echte Kenner.

Neugierig, wie ich so als Redakteur nun mal so bin, öffne ich den Schrank - übrigens der Einzige hier, der nicht durch schwere Sperrtechnik verschlossen ist - und stehe vor einer respektablen Weinsammlung. Von unten lächeln mich Flaschen mit verheißungsvollen französischen Etiketten an. Aha, der ehemalige Weinhändler hat seiner alten Berufung doch noch nicht ganz abgeschworen. Ich will noch fragen, warum denn an diesem köstlichen Vorrat kein Schloss dran ist, da klingelt auch schon wieder Diederichsens Handy. „Firma Tresoröffnung, was können wir für sie tun?“, klingt es geschäftig. Kurze Zeit später ist er schon wieder unterwegs zu einer neuen Herausforderung. Wenn Sie seine Dienste in Anspruchen nehmen wollen oder müssen, finden Sie den Panzerknacker mit fundierten Weinkentnissen unter www.tresoroeffnung.de

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