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Interview

Ein starkes Team

Monika Matyja (28), Büchsenmachermeisterin.

PIRSCH: Büchsenmacher ist – zumindest gefühlt – immer noch eine Männerdomäne. Wie kamen Sie zu der Berufswahl?

Monika Matyja: Ja, das ist definitiv noch so. Macht ein Büchsenmacher einen Fehler, wird er ihm eher verziehen, und man geht auch noch zwei- oder dreimal wieder hin. Eine Frau muss 100%ig performen. Wenn nicht, ist das Vorurteil bestätigt, und man ist sehr nachtragend. Mein Papa war und ist begeisterter Sportschütze und hat mich damit angesteckt. Während andere Kinder im Sandkasten gespielt haben, bin ich mit auf den Schießstand gegangen. Mir war früh klar, dass ich später etwas mit Waffen machen möchte.

PIRSCH: Wo haben Sie Ihre Ausbildung gemacht und wo den Meister?

Monika Matyja: Ich habe mich bei der Berufsfachschule für Büchsenmacher in Suhl beworben und den Einstellungstest bestanden. Mit 16 bin ich dann von Hause weg und von 2009 bis 2012 nach Suhl gegangen. Nach der Ausbildung bin ich wieder zurück in den Schwarzwald und habe mich bei einigen Betrieben in der Schweiz beworben. Dort wird Handwerk und Tradition immer noch sehr groß geschrieben. Das hat nicht auf Anhieb geklappt, dennoch kenne ich dort mittlerweile einige begnadete Büchsenmacher, denen ich immer wieder über die Schulter schauen durfte und bis zum heutigen Tag darf. Schließlich habe ich mich dazu entschieden, 2014 den Meister in Ehingen dranzuhängen. 2015 habe ich die Prüfung mit meinem Meisterstück, einem weißfertigen Krieghoff Optima Drilling, abgeschlossen.

PIRSCH: Wann haben Sie sich selbstständig gemacht?

Monika Matyja: Im Oktober 2015 habe ich in meinem Elternhaus mein Geschäft eröffnet, da war ich 23. Würde ich heute so nicht mehr machen. Meister und selbstständig ohne Berufserfahrung, da zahlt man zwangsläufig Lehrgeld. Dennoch bin ich für die Erfahrung dankbar. Man sollte es stattdessen wie die Zimmerleute halten und als Büchsenmacher ein paar Jahre auf die Walz gehen.

PIRSCH: Mit Ihrem Drahthaar „Käpt’n“ gehen Sie sicher auch jagen?

Monika Matyja: Meine Eltern sind keine Jäger. Im Geschäft fielen immer wieder Bemerkungen wie „Sie sind keine Jägerin?“ Nach dem Motto: Was will die mir denn dann erzählen? Naja, irgendwie haben die Kunden ja auch Recht. Ist wie ein Kfz-Mechaniker, der keinen Führerschein hat. Also habe ich den Jagdschein gemacht. An „Käpt‘n“ bin ich über einen Kunden gekommen. Wir hatten zu Hause immer Dobermänner, daher musste es ein richtiger Hund sein. Der Drahthaar kam meinen Vorstellungen sehr nahe. Mein Kunde sagte, dass wenn ich so einen mal haben will, ich mich bei seinem Freund Bernd melden soll. Wie das Schicksal so spielt, hatte der einen Wurf liegen. Naja, um es kurz zu machen – ich bin nicht allein nach Hause gekommen! Natürlich habe ich „Käpt’n“ durchgeführt und gehe mit ihm bei Freunden zur Jagd.

PIRSCH: Der Name Ihrer Büchsenmacherei „Classic Caliber“ hört sich nicht nach moderner Stangenware mit Kunststoffschaft an…

Monika Matyja: Es gibt so viele Firmen, die Waffen + Nachname heißen. Nur meinen polnischen Nachnamen Matyja (gesprochen ‚Matea‘) kann sowieso keiner richtig aussprechen. Ich habe daher nach etwas gesucht, was meinen Neigungen entspricht, was im Kopf hängenbleibt und was man als Betrieb veräußern kann. Ein Waffen Müller, bei dem hinter der Werkbank ein Herr Meier steht, ist irgendwie doof.

PIRSCH: Gibt es einen Waffentyp, der es Ihnen angetan hat?

Monika Matyja: Ich mag Gewehre aus Stahl und Holz, klassisches Büchsenmacherhandwerk, kombinierte Waffen und ganz besonders den Mauser 98. Da steckt so viel Geschichte drin. Das System ist auch so vielfältig. Ich habe bestimmt 30 davon hier liegen, die auf etwas ganz Individuelles warten. Und das muss nicht teurer sein als das, was man bei Premiummarken von der Stange kaufen kann.

PIRSCH: Welche Arbeiten bieten Sie an?

Monika Matyja: Alles, was zur klassischen Büchsenmacherarbeit dazugehört. Eigentlich sind es ja vier handwerkliche Berufe in einem – Schäfter, Rohrmacher, Systemierer, Brünierer. Früher wollte ich Kunden immer bekehren und ihnen das raten, was ich selbst am besten finde. Davon bin ich abgekommen. Ich respektiere den Kundenwunsch und berate lieber bzw. schließe aus, wenn etwas gar keinen Sinn macht. Die Qualität vieler älterer Gebrauchtwaffen, die man heute für ’nen Appel und ’n Ei bekommt, ist so gut. Da lohnt es sich, eine ältere Waffe mit einer neuen Zieloptik auszustatten. Und sollte der Kunde später doch mal etwas Neues kaufen wollen, kann er das Zielfernrohr ja auch darauf montieren lassen.

PIRSCH: Gibt es Arbeiten, die Sie gar nicht mögen?

Monika Matyja: Eine alte Brünierung abziehen und für eine neue vorbereiten. Das ist Sträflingsarbeit.

PIRSCH: Wie geht es einer Büchsenmacherin im Jahr 2021 nach zwei Corona-Lockdowns?

Monika Matyja: Corona hat erstmal zur Folge, dass viele Menschen nicht verreisen. Die geben jetzt ihr Geld für Gartenmöbel, Ferngläser oder eine neue Waffe aus. Das ist insgesamt nicht so schlimm. Auf der anderen Seite haben wir einen Anstieg an Waffenhändlern. Das sind keine Büchsenmacher, sondern oft Garagenhändler ohne Verkaufsraum und Personal, und die scheren sich nicht um UVPs, sondern machen die Preise kaputt.

PIRSCH: Sie sind auf Instagram aktiv und machen da z.B. den Abverkauf von Auslaufware – läuft das?

Monika Matyja: Es war wirklich nur zum Abverkauf von Lagerware, die sich seit fünf Jahren angesammelt hat. Das lief sehr gut, reich geworden bin ich damit aber nicht.

PIRSCH: Auf Ihrem YouTube- Channel haben Sie das „Projekt 98er“ ins Leben gerufen. Geht es heute überhaupt noch ohne Instagram, Facebook & Co.?

Monika Matyja: Schwer. Preisvergleiche macht heute jeder im Netz. Oft kriegt man einen Ausdruck mit Preis unter die Nase gehalten. Warum aber sollte der Kunde gerade bei mir kaufen, wenn er mich gar nicht kennt? Deshalb ist etwa YouTube ein gutes Medium, um die Leute mitzunehmen und meine Persönlichkeit einzubringen. Der zweite Punkt ist Transparenz: Kunden geben eine Waffe beim Büchsenmacher ab und bekommen später eine Rechnung präsentiert. Oft haben sie keine Vorstellung, wie aufwändig manche Arbeiten sind. Genau deshalb möchte ich die Leute über die sozialen Medien mit Bildern und Filmen mitnehmen, damit sie eine Vorstellung vom Handwerk und dem Aufwand entwickeln.

„Eine Büchsenmacherarbeit muss nicht
teurer sein als das, was man bei
Premiummarken von der Stange kauft.“

PIRSCH: Gibt es auch Schattenseiten der sozialen Netzwerke?

Monika Matyja: Alles, was mit Waffen zu tun hat, wird bei Instagram, Facebook & Co. erschwert bzw. verstößt schnell gegen irgendwelche Werberichtlinen. Erst recht, wenn ein kommerzieller Gedanke dahinter stehen könnte. Das Posten ist Arbeit, bindet Stunden und geschieht nebenbei, da sehe ich keinen Cent für. Zudem besteht die Gefahr, wenn man etwas zeigt, dass es Leute nachmachen. Und wenn es nicht klappt, stehen sie mit dem Schrott vor der Tür, und man soll’s wieder richten. Das kommt dann wie ein Boomerang zurück.

PIRSCH: Haben Sie Kontakt zu anderen Büchsenmacherinnen?

Monika Matyja: Ich kenne leider keine aktiven Büchsenmacherinnen. Dafür mehrere, die im Vertrieb bei Waffen- oder Optikherstellern arbeiten. Eine Auszubildende in meinem Jahrgang hatte sich dem Schäften verschrieben und den Betrieb ihres Vaters übernommen. Aber sollte es sie geben – ich freue mich von ihnen zu hören …

PIRSCH: Würden Sie nochmal Büchsenmacherin werden wollen?

Monika Matyja: Ja, unbedingt! Der Beruf ist so vielfältig und macht mir viel Freude. Ich habe gern mit Menschen zu tun und liebe es, Beratungsgespräche zu führen. Es wird auch nicht langweilig. Denn auch wir Büchsenmacher haben mit den neueren Themen Nachtsicht und Schalldämpfer etwas dazuzulernen. Neue Montagemöglichkeiten oder dass der Schalldämpfer bei der Lagerung im Tresor unbedingt vom Lauf runter muss, damit der nicht in Mitleidenschaft gezogen wird. Das muss man dem Kunden mitgeben.

PIRSCH: Wenn Sie drei Wünsche frei hätten – wie lauten die?

Monika Matyja: Weniger Neid und Missgunst unter den Kollegen. Dass sich die Jäger auch selbst mehr mit der Ausrüstung auseinandersetzen. Und natürlich, dass die Büchsenmacherzunft nicht ausstirbt und unsere Arbeit wahrgenommen und wertgeschätzt wird.

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