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Bundestagswahl 2021

Augen zu und durch?

Auch wenn es aus rein jagdlichen Gesichtspunkten schwer fällt: Jeder von uns – ok, Dackel ausgenommen – hat eine Wählerstimme, und die sollte man auch wahrnehmen.

In aller Kürze

  • 7 Parteien haben gute Aussichten wieder in den Bundestag einzuziehen
  • Wir haben die offiziellen Wahlprogramme nach jagdlichen Schlagworten durchsucht – aber wenig gefunden
  • Jagdlich relevant sind für die meisten Parteien die Themen Wolf und Wald. Raubwildbejagung und Niederwild tritt so gut wie gar nicht auf, die Linke wollen die Prädatorenbejagung ganz verbieten.

Tatsächlich ist wieder einmal so weit: Im September stehen die Bundestagswahlen vor der Tür und jede stimmberechtigte Bürgerin und jeder stimmberechtigte Bürger hat das Recht, eben diese eine Stimme für die Partei seiner Wahl abzugeben. Bis zum Wahltag werden wir im Radio, im Fernsehen, in den Zeitungen und natürlich in den sozialen Medien wieder viel vernehmen, was unsere Damen und Herren Volksvertreter für uns in den kommenden Jahren tun wollen. Ein bekannter Vorgang.

Die daraus resultierende Verpflichtung eigentlich auch: Man suche sich die Partei aus, die sich am nächsten an dem eigenen Wertegefüge befindet, setze sein Kreuz und gut. So jedenfalls die Theorie. Erfahrungsgemäß wäre es aber so, als würde man davon ausgehen, sich ins Revier zu begeben, sich kurz anzusetzen, ein passendes Stück Wild zu erlegen und flugs wieder nach Hause zu fahren. Bekannterweise ist das in der Praxis aber auch nicht so einfach.

In wie weit die traditionelle Jagd erhalten bleibt, hängt schon länger nicht mehr nur am guten Kontakt einer Partei.

Jäger haben in jedem Fall aufgrund ihrer Ausbildung einen großen Vorteil: Sie können den Wahlkampf einfacher durchschauen, denn die Jagdausübung und der Wahlkampf bieten einige auffällige Parallelen. Da wird z.B. an einem ausgesuchten Ort von Parteimitgliedern ein Platz an einem innerstädtischen Wechsel ausgewählt.

Beharrlich wird nicht mit einer Handvoll Mais, sondern mit Gummibärchen oder Luftballons gekirrt. Mal verharrt ein „Stück“, mal springt es ab, mal schleicht es sichernd herum. Schlussendlich wird die passierende „Beute“ beobachtet, eingeschätzt, mittels viel Erfahrung angesprochen und im richtigen Augenblick mit DEM Wahlprogramm ausgestattet.

Wahl 2017

Am 24. September 2017 wurde der 19. Deutsche Bundestag gewählt. 26,8 % der Stimmen errang die CDU, 20,5 die SPD. Die AfD erhielt 12,6 %, die FDP 10,8 %, DIE LINKE 9,2 % und Bündnis90/DIE GRÜNEN 8,9 %. Die CSU schaffte es mit 6,2 %.

Genau diese Wahlprogramme beabsichtige ich aufgrund der familienparlamentarischen Abendbrot-Anfrage ins Visier zu nehmen. Schließlich sollte da ja alles drin stehen, was die Volksvertreter bzw. deren Parteien so alles vorhaben und wofür sie sich offiziell stark machen wollen.

Es liegt in der Natur der Sache, dass ein besonderes Interesse eines Grünrocks in den Ausführungen zur Jagd liegt. Daher begebe ich mich frisch ans Werk – auf zur Jagd nach der Jagd in den Wahlprogrammen! Zunächst kann man mit Bedauern feststellen, dass es in der Bundesrepublik keine eigene Partei für Jäger gibt. Somit konzentriere ich meine Betrachtung auf eben jene sieben Parteien, deren Chance groß sein sollte, erneut in den Bundestag einzuziehen.

CDU/CSU

Beim ersten oberflächlichen Ansprechen taucht der Begriff Jagd gar nicht auf. Also beim folgenden Durchlesen mit geputzter Lesebrille noch einmal genauer hinsehen. Da fällt dann der Abschnitt „Dem Wald von Morgen neue starke Wurzeln geben“ auf. Wunderbar, das kann man unterschreiben, da dies unter Berücksichtigung der „Biodiversität“ vonstattengehen soll. Der Faktor Wild wird dabei nicht angesprochen.

Unter „Mehr Tierwohl mit finanzieller Wertschätzung verknüpfen“ folgt dann ein Passus zum Wolf, dessen strenger Schutzstatus im EU-Naturschutzrecht zur Sicherung der Weidetierhaltung überprüft werden soll. Der Jagd/Jäger kommt dann am Ende der Abschnitt „Schöpfung bewahren“ am nächsten. Die Erhaltung natürlicher Lebensgrundlagen sowie von Lebensräumen und Arten ist für die CDU/CSU laut Programm von zentraler Bedeutung. Ebenso wird noch einmal die Förderung der biologischen Vielfalt erwähnt. Das wars aber schon, was ich finden konnte.

Die Erhaltung natürlicher Lebensgrundlagen sowie von Lebensräumen und Arten ist für die CDU/CSU laut Programm von zentraler Bedeutung.

SPD

Auch hier ist beim Lesen wieder die aus der Jagd resultierende Eigenschaft der Geduld gefragt. Als offensichtliches Schlagwort findet sich zunächst nichts. Dann aber der Punkt „Natur respektieren“. Der beinhaltet die Erhaltung des natürlichen Lebensraums, Einsatz für eine Biodiversitätspolitik, Ökosysteme sollen geschützt werden, sowie der Erhalt der Wälder.

AfD

Wieder mit einigem Erstaunen finde ich zum Stichwort Jagd nichts Konkretes. Unter der Überschrift „Landwirtschaft, Umweltschutz- und Verbraucherschutz“ entdeckt man zunächst das Anliegen, den Schutz der heimischen Ökosysteme zu verbessern. Dann aber doch etwas – Wildtiermanagement!

Ok, schnelle Transferleistung der grauen Zellen. Das ist auch Jagd. Kurz und knapp wird die Umsetzung eines zeitgemäßen Wildtiermanagements gefordert. Das wird ausgeführt als „Artenschutzrechtliche Ausnahmeverordnungen und aktives Wildtiermanagement“ sollen kombiniert werden, um Wildtierbestandsgrößen regional zu überwachen und zu korrigieren. Des Weiteren sieht die AfD eine Fürsorgepflicht in gleichem Maße für Weidetiere und den Wolf mit dem Einstieg in eine Bestandsregulierung sowie Ausweisung von wolfsfreien Gebieten.

Ebenfalls fordert die AfD waldbauliche Maßnahmen im Einklang mit Ökonomie, Ökologie und Naherholung zum Erhalt eines gesunden Waldes mit Wild. Dann zum ersten Mal etwas zum Waffenbesitz: Die Umsetzung der EU-Feuerwaffenrichtlinie wird abgelehnt.

Der Wald findet sich in den Wahlprogrammen dann doch häufiger. Was der Waldumbau im Hinblick auf Wald und Wild bedeuten wird, lassen die meisten Parteien aber unerwähnt. Stoßrichtungen aus den Ländern zeigen aber Tendenzen.

FDP

Tatsächlich, das Wort „Jagd“ wird erstmals so richtig erwähnt! Gleich im Inhaltsverzeichnis werde ich fündig. Das Kapitel heißt „Land- und Forstwirtschaft, Angeln, Fischerei und Jagd“. Der Einstieg erfolgt über den Wunsch der Förderung einer multifunktionalen Forstwirtschaft mit artenreichen Wäldern. Dann der Unterpunkt „Jagd als Naturschutz – Wildtiermanagement ermöglichen“.

Die FDP fordert ein Wildtiermanagement, das auch Wolf, Kormoran, Nandu und Biber einbeziehen soll und sieht die Jagd zur Wildbretgewinnung, Seuchenprävention und Wildschadensminimierung als unerlässlich an. Außerdem soll eine einheitliche Regelung der Länder zum Einsatz von Schalldämpfern und Nachtzielgeräten erwirkt werden. Das Kapitel abschließend folgt das Bekenntnis zu Jägern und Jägerinnen als aktive staatliche Naturschützerinnen und Naturschützer. Die FDP befürwortet außerdem ein Waffenrecht mit Augenmaß, Abschaffung unnützer Bürokratie durch die jüngsten gesetzlichen Verschärfungen sowie eine Generalrevision des Waffenrechtes durch den Bund.

Die FDP fordert ein Wildtiermanagement, das auch Wolf, Kormoran, Nandu und Biber einbeziehen soll und sieht die Jagd zur Wildbretgewinnung, Seuchenprävention und Wildschadensminimierung als unerlässlich an.

LINKE

Unter der Überschrift „Biologische Vielfalt, Tiere und Ressourcen schützen“ findet sich wie in alle bisherigen Wahlprogrammen die Forderung nach klaren Naturschutz- und Biodiversitätszielen. Das ist gut so. Auch der Wald soll eine zentrale Rolle spielen. Dann unter „Tiere wirksam Schützen: Tierschutz als Staatsziel“ wird der echte Schutz für wilde Tiere durch flächendeckende Biotopverbindungen sowie Tierkorridore und -passagen gefordert. Abschließend steht die Forderung, die Freitzeitjagd zu begrenzen und die Jagd auf Hunde und Katzen sowie Prädatoren wie Füchse zu untersagen. Ohne nähere Ausführungen will DIE LINKE den Waffenbesitz erschweren. Waffen- und Munitionsbesitz sollen strenger reglementiert werden. Harte Worte …

Der Umgang mit dem Wolf – im Hinblick auf Vermeidung von Schäden an Nutzvieh – ist den meisten Parteien ein Gedanke wert.

GRÜNE

Das Wahlprogramm vom Bündnis 90/Die Grünen beginnt unter „Wir schützen Natur und Umwelt für ein gutes Leben“ zunächst mit der Forderung nach einem Sofortprogramm Artenschutz. Des Weiteren sollen 2 % der Landesfläche als echte Wildnis entwickelt werden. Unter „Unsere Wälder retten“ wird der Anspruch einer Entwicklung gesunder Wälder formuliert. Dabei soll im Einklang mit Naturschutz- und Waldbesitzerverbänden auf wald-, natur- und tierschutzgerechte Bejagungsmethoden gesetzt werden.

Außerdem sollen in einem ersten Schritt 5 % der Wälder der Natur überlassen werden. Abschließend findet sich unter „Wildtierhandel an die Leine legen“ noch der Hinweis, dass die Einfuhr von Jagdtrophäen ganz verboten werden müsse. In Bezug auf Waffen wollen Bündnis 90/Die Grünen die Verfügbarkeit von tödlichen Schusswaffen schrittweise beenden, außer für Jäger, die ohne diese Waffen ihre Aufgaben nicht erfüllen können.

Und jetzt? Mein ganz persönliches Fazit

Ende der Durchsicht! Natürlich habe ich bei dem stundenlangen intensiven Stöbern vor dem flimmernden Bildschirm viele interessante Anregungen auffrischen und sogar neue Standpunkte den jeweiligen Parteien zuordnen können. Aber zufrieden fühlt sich anders an. Ich bringe Verständnis auf, dass mein Suchwort „Jagd“ im Gegensatz zu „Außenpolitik“ und „Bildung“ natürlich nicht seitenfüllend gleichwertig abgehandelt werden kann. Dennoch habe ich das gewünschte Gefühl der Informationsbefriedigung über die Wahlprogramme nicht erfüllen können, geschweige denn so etwas wie die Berücksichtigung der Jagd als kulturellen Wert entdeckt.

Nach so viel Bildschirm mit noch mehr Buchstaben ruft der klare Abend nach einem Ansitz, um die Gedanken zu sortieren. Im Vorbeistreifen gen Revier betrachte ich einige der Sinnsprüche an den Giebeln der sonnenbestrahlten alten Fachwerkgiebel, die ich passiere. Nicht an einem einzigen findet sich in geschnitzten Buchstaben etwas wie „Setze einfach Dein Kreuz und gehe wieder.“ Vielmehr finden sich Selbsthilfegruppen-Aufrufe wie „Hilf dir selbst, dann hilft Dir Gott“.

Dem Brennpunkt-Thema „Prädation und Artenvielfalt“ weichen die meisten aus.

Und genau das werde ich tun. Ich werde zur Konkretisierung den persönlichen Kontakt an einigen Wahlkampf-Kirrungen suchen, um mit hohem Erwartungsanspruch Details zu erfahren, die für mich von Belang sind. Einfach in die Tiefe gehen, um persönlich zu erfahren, was die Herrschaften in puncto Jagd denn zu sagen haben. Alles natürlich mit dem Ziel sowie der Hoffnung, bei einer der kommenden Abendbrotrunden mit einer fundierten Entscheidung im Hinblick auf meine Wahl aufwarten zu können! Eine Tatsache jedoch bietet einen unausgeräumten Zweifel: Würde ich, falls es so etwas gibt, in meinem nächsten Leben die unprogrammatische Wahl treffen und lieber unter dem Abendbrottisch dösen?

Kommentar

Die Jagd als Wahlargument?

Die Analyse von Frank Pohlmann zeigt vor allem eines: Die Jagd spielt im Bundestagswahlkampf bzw. in den offiziellen Wahlprogrammen so gut wie keine Rolle. Die meisten Parteien vermeiden es, sich zu positionieren. Einerseits ist das nachvollziehbar. Schließlich sind wir mit knapp 400.000 Personen eine vergleichsweise kleine Zielgruppe.

Andererseits vergessen die hohen Damen und Herren offenbar, dass diese 400.000 Menschen an wichtigen Stellschrauben sitzen bzw. maßgeblichen Einfluss auf in der Gesellschaft wichtige Themen wie Artenschutz, Waldumbau, ASP, Wolf, etc. haben. Ein wenig mehr Positionierung hätten wir also schon verdient gehabt, gerade von den (ehemaligen?) Jägerparteien CDU und CSU. Das müssen jetzt einzelne Redner, jagd- bzw. agrarpolitische Sprecher oder andere Parteinahe auf Nachfrage erledigen.

Aber: Glauben Sie solchen Antworten? Schließlich sind bundesweit nicht mal 400.000 Menschen und Aussagen abseits von verschriftlichen Programmen eine sehr dünne Scheibe Wurst, die erfahrungsgemäß auch noch als erstes geopfert wird.

Es liegt mir fern, Wahlwerbung oder gar eine Wahlempfehlung aussprechen zu wollen. Ich kann nur den Weg kundtun, den ich gehen werde: Mein Kreuz wird sich in erster Linie nicht an Aussagen zu Waffenrecht, Jagd und Wolf orientieren, sondern an anderen Dingen. Denn um am Ende die saure Gurke auf dem Wurstbrot zu sein, dafür ist mir meine Stimme zu schade. Martin Weber

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