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Jagdrecht

90 Jahre Jagdgesetz

Mit diesem „Reichsjagdgesetz“ wurden zeitgleich Jägerprüfungen eingeführt, Jagdvereine aufgelöst, ihre Mitglieder in den „Reichsbund Deutsche Jägerschaft“ gezwungen und die Jäger im Sinne der Nationalsozialisten gleichgeschaltet.

Große Teile Niedersachsens gehörten bis 1945 zu Preußen. Während der Zeit der Weimarer Republik galt dort die Preußische Jagdordnung von 1907 weiter. Erst nach Drängen der damaligen Jagdverbände wurde am 16. Dezember 1929 unter dem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten und Jäger, Otto Braun, die Preußische Tier- und Pflanzenschutzverordnung erlassen. Sie definierte u. a. Jagd- und Schonzeiten und verbot den Schrot- und Postenschuss auf Schalenwild. Etwa zur selben Zeit nahm der Generalsekretär des Reichsjagdbundes, Ulrich Scherping, an zahlreichen jagdlichen Versammlungen teil und notierte die Anliegen der Waidmänner.

Jagdgesetz

Damalige Forderungen der Jäger

  • Vereinheitlichung des Jagdrechtes im Reichsgebiet
  • Einführung eines einheitlichen Jagdscheines verbunden mit einer Jägerprüfung als Voraussetzung zur Erlangung des Jagdscheins
  • Festlegung der gesetzlichen Pflicht zur Hege
  • Verschärfung der Schonzeitregelungen
  • Verbot von Jagdmethoden, die nicht mehr im Einklang mit der veränderten Einstellung der Jägerschaft zum Wild stehen
  • Einführung einer Abschussplanung für eine Reihe von Wildarten
  • Einführung einer eigenen fachkundigen Jagdbehörde

Die forderten u. a. eine Vereinheitlichung des Jagdrechtes im Reichsgebiet, die Einführung einer Jägerprüfung als Voraussetzung zur Erlangung eines einheitlichen Jagdscheines, eine gesetzliche Pflicht zur Hege, die Einführung einer Abschussplanung für eine Reihe von Wildarten, eine Verschärfung der Schonzeitregelungen sowie das Verbot von Jagdmethoden, die nicht mehr im Einklang mit der veränderten Einstellung der Jägerschaft zum Wild stehen. Dazu gehörten z. B. die Treibjagd bei Mondschein, beim Fang oder Erlegen von Wild künstliche Lichtquellen zu verwenden, Schlingen oder Tellereisen aufzustellen, Fanggeräte auf Pfählen anzubringen oder jagdbare Tiere zu vergiften. Zudem sollte eine fachkundige Jagdbehörde eingeführt werden.

Eine Diktatur als Chance für ein einheitliches Jagdgesetz

» Breiten Raum widmete das Gesetz den Bestimmungen der Waidgerechtigkeit – und damit dem Tierschutz. «

Gemäß Scherpings Aufzeichnungen lagen die wesentlichen fachlichen Ausarbeitungen eines künftigen Reichsjagdgesetzes angeblich seit 1932 fertig in seiner Schublade. Als Vorbilder dienten dafür u. a. das damalige thüringische und sächsische sowie das polnische und rumänische Jagdgesetz. Am 31. Januar 1933 ernannte Reichspräsident Paul von Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler. Mit dem Ermächtigungsgesetz nach dem Reichstagsbrand wurde Deutschland eine Diktatur.

Nach jahrzehntelangem Streit der Jagdverbände untereinander hielten Ulrich Scherping und weitere Verbandsfunktionäre die Zeit für geeignet, um mit ihrem Anliegen eines reichsweiten einheitlichen Jagdgesetzes an die Regierung heranzutreten. Die Frage war nur, welcher der neuen Machthaber sich am ehesten für ein solches Gesetz interessieren ließe und vielleicht sogar als Schirmherr gewonnen werden könne. Der Fokus richtete sich auf den preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring. Er war als hochdekorierter Kampfflieger des Ersten Weltkrieges weithin bekannt, vergleichsweise beliebt und galt als Naturliebhaber.

§ 35 des Reichsjagdgesetzes

Sachliche Verbote

Es ist verboten …

  • der Schrot- und Postenschuss und der Schuss mit gehacktem Blei auf Schalenwild
  • die Jagd durch Abklingeln der Felder und die Treibjagd bei Mondschein
  • dem Federwild zur Nachtzeit nachzustellen
  • beim Fang oder Erlegen von Wild aller Art künstliche Lichtquellen zu verwenden
  • Belohnungen für den Fang oder Abschuss von Raubvögeln auszusetzen, zu bezahlen oder zu empfangen
  • Schlingen oder Tellereisen jeder Art, in denen sich das Wild fangen kann, aufzustellen
  • Fanggeräte oder Selbstschüsse zu verwenden, die auf Pfählen, Bäumen oder anderen aufragenden Gegenständen angebracht sind
  • Vogelfanggerät zu verwenden oder feilzubieten, das die Vögel weder unversehrt fängt noch tötet
  • jagdbare Tiere zu vergiften

Er jagte auch ein wenig – allerdings ohne tiefere jagdliche oder wildbiologische Kenntnisse zu besitzen, um selbst ein Reichsjagdgesetz zu entwerfen. Gleichwohl trauten die Jagdfunktionäre am ehesten Göring zu, dass er derjenige unter den Nazis war, der politisch in der Lage sei, ein reichseinheitliches Jagdgesetz durchzusetzen, und sich für das begeistern könnte, was Scherping und seine Mitstreiter planten.

Hegeziel: möglichst starke Trophäen

Neben dem Hegegedanken war es das Ziel, Wild durch gezielte Hegemaßnahmen genetisch in Richtung möglichst starker Trophäen zu beeinflussen. Indem man Hermann Göring zum Abschuss eines Hirsches in die Schorfheide einlud, gewann man ihn nicht nur als Schirmherrn, sondern erreichte, dass er auch gleich der oberste Jäger Deutschlands sein wollte. Fachlich redete Göring Scherping nicht ins Projekt hinein, sondern beauftragte ihn am 9. Mai 1933 mit der Ausarbeitung eines Reichsjagdgesetzes. Den Entwurf setzte Göring als Minister im Kabinett durch und stellte dem künftigen Reichsjagdgesetz eine angeblich selbstverfasste Präambel voran, nach der „die Liebe zur Natur und ihren Geschöpfen und die Freude an der Pirsch in Wald und Feld“ tief im deutschen Volk wurzele und sich „aufgebaut auf uralter germanischer Überlieferung im Lauf der Jahrhunderte die edle Kunst des deutschen Waidwerks entwickelt“ habe.

Das Jagdgesetz legte neben waidgerechter Jagd auch Wert auf starkes Wild.

Am 18. Januar 1934 wurde das Gesetz zunächst als Preußisches Jagdgesetz verabschiedet und am 3. Juli 1934 dann als das erste verbindliche einheitliche Reichsjagdgesetz für alle deutschen Länder beschlossen. Nach dem Beschluss der Ausführungsverordnung vom 27. März 1935 trat es am 1. April 1935 in Kraft und ersetzte die damals 17 Landesjagdgesetze.

Fortschritt, Weitsicht und Irrtümer

Das Reichsjagdgesetz entsprach dem, was die Mehrheit der internationalen Jagdkundler der damaligen Zeit für korrekt annahm. Entsprechend anerkennend äußerte sie sich. Breiten Raum widmete das Gesetz den Bestimmungen der Waidgerechtigkeit – und damit dem Tierschutz. Es übernahm das Verbot des Schrotschusses auf Schalenwild und verlangte als Neuerung reichsweit eine Jägerprüfung. Sie sollte sicherstellen, dass nur Personen jagen, die über ein Mindestmaß an Sachkunde verfügen. Trotz aller Fortschrittlichkeit enthielt das Gesetz auch Irrtümer – zum Beispiel den Versuch Rehwild nach Grundsätzen der Rotwildhege zu bewirtschaften. Die jagdlichen Experten erkannten damals nicht, dass beim Rehwild Standort- und Wetterfaktoren die Gene überlagern und brave Böcke eher die Folge günstiger Lebensumstände sind.

Neuorganisation nach dem „Führerprinzip“

Gleichzeitig mit dem Beschluss des Reichsjagdgesetzes am 3. Juli 1934 wurde der „Reichsbund Deutsche Jägerschaft“ gegründet. Alle bürgerlich-rechtlichen Jagdvereine wurden aufgelöst, ihre Mitglieder unter die Kontrolle des Reichsbundes gezwungen und dessen Gruppierungen nach dem Führerprinzip zentralistisch organisiert. In der Hierarchie absteigend wurden jeweils Landes-, Gau- und Kreisjägermeister installiert.

Aus der Preußischen Tier- und Pflanzenschutzverordnung wurde das Verbot des Schrotschusses auf Schalenwild übernommen.

Der Pionier des Natur- und Landschaftsschutzes und Verfechter der nationalsozialistischen Naturschutzideologie, Johannes Schwenkel, schrieb in einem Kommentar: „Das Reichsjagdgesetz gibt dem Jäger von heute größere Rechte, aber auch größere Pflichten wie bisher, und darum ist der Leitgedanke für das Gesetz der, dass jeder Jäger ein Heger sein und die Jagd waidgerecht ausgeübt werden müsse. Unter dieser Voraussetzung ist ihm ein sehr umfangreicher Ausschnitt der heimischen Tierwelt zu treuen Händen übergeben worden. Darum ist auch die Organisation der Jägerschaft so durchgeführt, dass eine strenge Beaufsichtigung der Jägerschaft möglich ist und der Jäger seine ethische Aufgabe gegenüber dem Volksganzen und der deutschen Heimat erfüllen kann.“ Treuhänder der deutschen Jagd sei der Reichsjägermeister.

Kriegsverbrechen zugunsten der Jagd

In der Folge baute dieser „Reichsjägermeister“ Hermann Göring ein Imperium mit Staatsjagdrevieren, prächtigen Jagdsitzen und Ausstellungen auf, das quasi eine Art Staat im Staat darstellte. Führende NSDAP-Funktionäre beäugten Görings neofeudal wirkende Prunkentfaltung argwöhnisch, denn sie passte kaum zum nationalsozialistischen Gesellschaftsbild mit Bauernverherrlichung und Volksjagd. Doch gemeinsam führten sie Deutschland in einen Krieg hinein und veranlassten Verbrechen nie dagewesenen Ausmaßes. Dabei sollten Jagd und Naturschutz vom rassenideologisch motivierten Eroberungs- und Vernichtungsfeldzug gegen die Sowjetunion profitieren.

Das Jagdgesetz war der Anfang für seine exessive Jagdleidenschaft: Minister Göring „gönnte“ sich in der Schorfheide mit Carinhall eine eigene Jagdresidenz.

Beispielsweise war der Oberforstmeister und bekannte Jagdschriftsteller Walter Frevert – der von 1936 bis 1945 das Staatsjagd- und Naturschutzgebiet Rominter Heide in Ostpreußen verwaltete und als Autor von Standardwerken großen Einfluss auf das deutsche Jagdwesen ausübte – als Major der Reserve im Umfeld des Urwaldes von Białowieża (Bialowies) in Kriegsverbrechen an der dort ansässigen Bevölkerung verstrickt. Als das angeblich 1.000-jährige Dritte Reich nach zwölf Jahren seines Bestehens und fast sechs Jahren Krieg schließlich am 8. Mai 1945 bedingungslos kapitulierte, erloschen auch seine Jagdhoheit und die damit verbundenen Gesetze vorerst. Jäger mussten sämtliche Jagdgewehre abgeben und für die nächsten Jahre ruhte für Deutsche die Jagd vorübergehend.

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