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Zum Hubertustag

Ein komischer Heiliger

Den meldenden Rothirsch in der herbstlicher Morgenstimmung umgibt eine beinah mystische Aura.

Denn der heilige Hubertus hat sich nicht vom wilden unwaidmännischen Jäger zu einem waidgerechten bekehrt, sondern er hat aufgehört zu jagen. Ihn als Schutzheiligen zu haben ist ungefähr so, als hätten sich die Fleischer einen Veganer oder die Winzer einen Abstinenzler zum Patron erkoren. Für mich jedenfalls kam er nicht als Vorbild infrage, dafür jage ich zu gern.

Inzwischen habe ich mich mit unserem Heiligen versöhnt. Er galt als maßlos, weil er, statt zur Messe zu gehen, am Sonntag – dem Tag des Herren – jagte. Wenn Hubertus heute lebte, was wäre dann seine Maßlosigkeit?

Wenn Schalenwild erbarmungslos bejagt wird, wenn Rehböcke im Jahr nur noch zwei Monate Schonzeit haben, wenn auf Drückjagden Rehwild geschossen werden darf, ohne dass man es ansprechen muss, dann ist das für mich maßlos.

Gleichfalls maßlos ist es, wenn Wölfe als Symbol der intakten Natur verherrlicht werden und sich ungehindert und unkontrolliert ausbreiten dürfen. Wenn im Hinduismus die Kuh als heilig gilt, muss man das noch lange nicht bei uns mit dem Wolf nachahmen.

Warum müssen wir immer ins Extrem fallen? Ich finde Mittelmäßigkeit richtig gut, wenn es darum geht, weder in das eine, noch in das andere Extrem zu verfallen.

Der maßlose Hubertus von heute

Aber ich möchte den Finger noch auf eine andere Wunde legen, die ich in unserer Gesellschaft sehe. Hubertus kommt nicht nur im grünen Gewand daher, sondern auch in Zivilkleidung.

Gerade in Jägerkreisen werden Veganer belächelt oder verächtlich gemacht. Ja, mit Menschen, die ihre Fleischlosigkeit ideologisch und militant vertreten, komme ich auch nicht klar. Aber wenn es ums Tierwohl geht, sind wir doch gar nicht so weit weg von ihnen.

Wir wollen doch, dass unser Wild artgerecht lebt, dass es ihm gut geht und es am Ende eines schnellen und möglichst schmerzfreien Todes stirbt. Dafür schießen wir unsere Waffen ein und trainieren auf dem Schießstand.

Meine Lebensgefährtin ernährt sich vegan – mit einer Ausnahme: Sie isst das Wild, das ich erlege, weil sie weiß, wie es gelebt hat, wie es getötet wurde und welche Verantwortung der Tod des Tieres für uns bedeutet.

Nun meine ich nicht, dass alle Menschen Veganer werden müssten. Aber wir müssen weg von der Maßlosigkeit, Fleisch jederzeit und billig haben zu können und das halbe Schnitzel oder die angefangene Wurst, wenn sie denn nicht schmeckt, einfach in den Müll zu werfen.

Der maßlose Hubertus bedient sich heute an den Fleischtheken der Supermärkte und den Kühlregalen und will nicht wissen, wie diese Lebensmittel produziert wurden. Sympathisch wurde mir Hubertus, als ich überlegte, warum er zum wilden Jäger wurde, der keine Grenzen mehr kannte.

Er war in seiner Seele tief verletzt. Die Legende erzählt, seine Frau sei im Kindbett gestorben. Die, die er über alles liebte, war tot! Und kein Gott hatte das verhindert.

Der Lebenshirsch des heiligen Hubertus

In Hubertus weinte es, schrie es, tobte und wütete es. Er suchte seinen Schmerz zu betäuben in zügelloser hemmungsloser Jagd. Wieso sollte er sich noch um Gott kümmern, wenn der ihn im Stich gelassen hatte? Was scherte es ihn dann noch, wenn er am Tag des Herrn jagte?

Doch dann erschien vor seinen Augen ein Bild, das ihn fassungslos machte. Ein Hirsch stand vor ihm, wohl ein kapitaler, wohl sein Lebenshirsch. Aber nicht das Geweih machte ihn sprachlos. Es war das Kreuz, das er im Geweih erblickte.

Mit einem Mal verstand er: Da hat ja noch einer sein Liebstes verloren. Am Kreuz starb Jesus, der Gott so lieb war, dass die Bibel ihn seinen Sohn nennt. Gott hat ihn sich vom Herzen gerissen und in diesen grauenhaften Tod gehen lassen, um bei Hubertus zu sein, ihm in seinem Schmerz nahe zu sein.

Als Jesus am Kreuz schreit: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, da schreit er wie Hubertus am Sterbebett seiner Frau. Aber in diesem Moment ist Gott nicht fern, sondern da, mitten im Leid, mitten im Tod.

Diese Entdeckung hat Hubertus umgehauen. Ja, der Hirsch ist sein Lebenshirsch. Durch ihn wird sein Leben radikal verändert. Er, dessen ganze Leidenschaft der Jagd galt, hat jetzt eine andere Leidenschaft: diesem Gott zu dienen.

Einem Gott, der seine Menschen leidenschaftlich, das heißt, passioniert liebt. Was Hubertus macht, macht er zweihundertprozentig. Er wird Mönch, geht ins Kloster, gründet ein Kloster in den Ardennen.

Ein Beispiel für jagdliches Mittelmaß

Hubertus ist mir Vorbild, indem er deutlich macht: Es gibt – ob Du es glaubst oder nicht – neben der Passion zur Jagd noch etwas Anderes, Größeres. Deshalb lohnt es sich, nach diesem Gott zu fragen, ihn zu suchen, zu ihm zu reden, ihm Raum zu geben in meinem Leben.

Einen letzten Gedanken schreibe ich mit einem gewissen Augenzwinkern. Vielleicht hat Hubertus doch nicht so ganz dem Waidwerk entsagt.

Kann er wirklich so ins andere Extrem gefallen sein? Wäre ein gesundes Mittelmaß nicht viel angemessener nach seinem Bekehrungserlebnis? Denn es gibt ja den Bloodhound, auch Hubertushund genannt.

Er wurde für das „blaue Blut“, den König und den Hochadel Frankreichs gezüchtet und ausgebildet, und zwar von Mönchen in den Ardennen. Woher die wohl ihr Wissen hatten? Könnte es sein, dass es dem Hubertus doch noch manchmal in den Fingern gezuckt hat und er jagdlich nicht ganz abstinent war?

Und so ist er für mich kein übermenschlicher Heiliger, auch kein komischer, sondern in gewisser Hinsicht ein Vorbild, das ich mag.

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