Zart mit Zunder
Alles im Griff
Lautes Poltern, viel Gebell und dann plötzlich – Stille. Schnaufend liegen Canan Otto und ein wehrhafter Überläufer auf dem nassen Waldboden. Der linke Arm der jungen Frau ist im Gebrech der Sau gefangen. Unter Schmerzen sucht sie mit der rechten Hand ihren Gürtel nach dem Saufänger ab. Mit aller Kraft versetzt sie dem Keiler den tödlichen Stoß.
Die Liebe zu der Arbeit mit Jagdhunden bemerkte Canan Otto gleich zu Beginn des Jagdscheinkurses. „Mein erster Hund zog noch während des Kurses bei mir ein. Seither ist ,Anton‘ jeden Tag an meiner Seite“, erzählt sie und blickt stolz ihren Drahthaarrüden an.
Canan ist als Stadtkind in Bremen aufgewachsen und hatte zuvor keinerlei Berührungspunkte mit der Jagd. Während ihres Studiums der Landwirtschaft lernte sie immer mehr Jäger kennen. „Landwirte haben sehr häufig auch einen Jagdschein. Das Thema Jagd reizte mich so sehr, dass ich mich dann bei der Jagdschule in Göttingen anmeldete.“
Nach Bestehen der Jägerprüfung und dem Absolvieren des Studiums, zog es die frisch gebackene Jungjägerin in die Heide. Dort lebt und jagt sie mit ihren sechs Hunden. Aktuell hat die Landwirtin zwei Deutsch Drahthaar, einen Deutschen Jagdterrier, einen Parson Russel Terrier und zwei Welpen.
Die begeisterte Hundeführerin bildet alle ihre Hund selbst aus, führt sie erfolgreich durch etliche jagdliche Prüfungen, nimmt zusätzlich ein paar Fremdhunde zur Ausbildung auf und gibt auch anderen Jagdhundeführern Anleitungen. Außerdem nimmt sie sich Problemhunden an.
Mittlerweile ist ihr Rudel zu einer Meute gewachsen, mit der sie jährlich auf ca. 30 Drückjagden teilnimmt. „Das Wichtigste ist, dass die Hunde gut arbeiten, Spaß dabei haben und auch einige Erfolgserlebnisse verzeichnen können“.
Eins der schönsten Jagderlebnisse mit ihrer Drahthaardame „Bea“ war, als die Hündin ein krankgeschossenes Reh auf weite Distanz aufgespürte und auf Befehl stellte. „Das sind Erfolge, die nicht nur bei mir im Kopf hängen bleiben, sondern auch die Hunde prägen. Ohne Hund kannst Du einfach nicht waidgerecht jagen“, behauptet sie.
In der Ausbildung ihrer vierbeinigen Helfer ist es Canan wichtig, das Beste aus den jeweiligen Hundecharakteren herauszuholen. „Nicht jeder Hund ist gleich und nicht jeder Hund kann das Gleiche leisten, egal welcher Rasse er ist,“ erklärt die 30-Jährige. „Häufig wird zum Beispiel dem Jagdterrier vorgeworfen, dass er sehr hart und zäh sei, jedoch kann man das nicht pauschalisieren. Man muss immer vom individuellen Wesen des Hundes ausgehen. Mein Terrierrüde ,Urmel‘ ist zum Beispiel ein ganz sensibler Hund.“
Canan hat durch die Arbeit mit den Hunden gelernt, die winzigsten Zeichen zu erkennen und zu lesen. Mittlerweile verfügt sie über ein so geschultes Auge, dass sie bereits nach kurzer Zeit auch fremde Hunde gut einschätzen kann und genau weiß, wie sie ihn zu führen hat.
Das Bild der martialischen Meuteführer ist überholt
Canan begegneten während ihrer jagdlichen Arbeit immer wieder Vorurteile gegenüber ihrem Rudel und ihrer Tätigkeit. In der stark männerdominierten Jagd- und Hundemeuteszene musste sich die zierliche Frau besonders beweisen. Anfangs wurde sie noch von einigen Jägern auf Drückjagden belächelt und nicht ernst genommen, diese Ansichten sind heute aber längst Geschichte.
Die Jägerin wird sehr für ihre zuverlässige Arbeit geschätzt und auch das Bild des klassischen Meuteführers hat sie verändert. Längst wird keine grobe Hand mehr gebraucht, damit die Jagdhelfer arbeiten. Canan zeigt ein liebevolles konsequentes Miteinander, durch das sie einen besonders guten Draht zu ihren Hunden hat. Szenen wie eingangs erwähnt sind glücklicherweise selten, schweißen aber die Meute und ihre Führerin umso enger zusammen.
✔ Immer und überall dabei
✔ Schon vor der Printausgabe verfügbar
✔ Komfortable Suchfunktion
✔ auf bis zu 3 mobilen Endgeräten gleichzeitig
✔ Persönliche Merkliste
✔ Teilen-Funktion